"Arm in Arm"

Aufsehen um “Tuchfühlung” bei Türkei-Besuch

Österreich
23.05.2008 11:43
Alle Gespräche liefen glatt, die türkischen Reaktionen auf den österreichischen Besuch waren durchwegs positiv - eine eigentlich unscheinbare Geste von Bundespräsident Fischer kurz vor Ende seines Staatsbesuches hat in der Türkei dann doch für etwas Aufsehen gesorgt: Nach dem Besuch der Hatuni-Moschee in Kayser am Mittwoch bemerkten türkische Zeitungen die „Tuchfühlung“ von Fischer mit der türkischen Präsidentenehefrau Hayrünnisa Gül. „Arm in Arm spazierten sie“, betitelte eine der drei größten türkischen Zeitungen, „Hürriyet“, am Donnerstag etwas argwöhnisch ein Foto auf der Seite eins, das die Staatsoberhäupter mit ihren Frauen beim Stadtrundgang durch die Heimatstadt Güls zeigt.

Auf dem Bild (unser Foto oben wurde zur selben Zeit aufgenommen) haben sich alle vier eingehakt, wobei Hayrünnisa Gül in der Mitte zwischen den beiden Männern geht, und Fischer seine Hand unter ihren Arm geschoben hat. Das potenziell Verfängliche daran: Körperliche Berührungen mit nicht verwandten Männern sind für Frauen aus der fromm-konservativen anatolischen Gesellschaftsschicht der Güls eigentlich nicht schicklich. Auf dem von "Hürriyet" abgedruckten Foto strahlt Hayrünissa Gül aber mit Fischer um die Wette, auch der türkische Präsident lacht.

Von Seiten der Politiker kam die Bedeutung der Geste aber nicht zur Sprache, weil unter ihnen wohl auch nicht der Rede wert. Zum Abschluss seines Staatsbesuchs in der Türkei ist Fischer am Donnerstag in Istanbul mit dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios zusammengetroffen. Der an einer Augenerkrankung leidende Premier war eigens nach Istanbul gereist, um ein ursprünglich in Ankara geplantes und dann abgesagtes Treffen mit Fischer nachzuholen.

Treffen mit Erdogan „offen und konstruktiv“
Erdogan hat derzeit nicht nur wegen seinem Augenleiden sondern vor allem wegen dem laufenden Verbotsverfahren gegen seine islamisch orientierte AK-Partei Probleme. Im Gespräch mit dem Bundespräsidenten äußerte er sich nach Angaben Fischers nur sehr zurückhaltend zu dem Thema. Fischer zeigte sich aber im Anschluss an das Treffen zufrieden über seinen „offenen und konstruktiven“ Dialog mit seinem türkischen Gesprächspartner.

Bei der Unterredung kamen eine Reihe von aktuellen Themen zur Sprache. Der Bundespräsident bekräftigte den österreichischen Standpunkt bezüglich der EU-Verhandlungen mit der Türkei und fügte vor Journalisten hinzu, Österreich sollte dabei möglichst mit einer Stimme sprechen. Bezüglich der Nabucco-Gaspipeline drängte der Bundespräsident die türkische Regierung, nicht nur prinzipiell Ja zu diesem Projekt zu sagen, sondern auch Zusagen für einen Zeitplan zu machen. Den Ilisu-Staudamm betreffend betonte Fischer, die Türkei müsse die mit den Kreditgebern vereinbarten und zugegebenermaßen hohen Standards einhalten, andernfalls werde man "nicht um jeden Preis" an dem Projekt festhalten.

Bartholomaiosein „Freund Österreichs“
Zuvor war Fischer mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios zusammengetroffen, den er als „Freund Österreichs“ und „überzeugten Anhänger des Dialogs der Kulturen“ bezeichnete. Bartholomaios bekenne sich zum religiösen Pluralismus und bringe die Anschauungen einer Minderheitenposition in der Türkei zum Ausdruck. Der 1991 gewählte Bartholomaios hatte Österreich 2004 und 2007 offizielle Besuche abgestattet, ihm wurden dabei die einem Staatsoberhaupt zustehenden Ehren zuteil.

Rückflug mit Lauda am Abend
Fischer hat seinen Aufenthalt am Donnerstag mit einem Besuch im St.Georgs-Kolleg und der Eröffnung einer Artemis-Ausstellung abgeschlossen. Am Abend kehrte die Delegation – darunter auch Sozialminister Buchinger – wieder nach Wien zurück. Die Politiker reisten übrigens nicht mit der AUA sondern mit Niki Laudas Fluglinie "Fly Niki". Beim Hinflug pilotierte Lauda persönlich.

Eklat am Mittwoch: Kopftuch im Atatürk-Mausoleum
Türkische Medien waren bereits am Mittwoch über ein Randdetail des Staatsbesuches hergezogen, allerdings traf es da niemanden aus der österreichischen Delegation. Stein des Anstoßes war eine "Kopftuch-Premiere", wie der TV-Sender CNN-Türk am Mittwoch berichtete. Zum ersten Mal habe eine Frau im streng gebundenen "türban"-Kopftuch als Mitglied einer offiziellen Delegation das Mausoleum von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk in Ankara besucht. Mehtap Güler, die Ehefrau des türkischen Energieministers Hilmi Güler, gehörte zur Delegation, die Fischer am Dienstag beim Besuch des Mausoleums begleitete. Während es für normale Besucher des Mausoleums keinerlei Beschränkungen in Sachen Kopftuch gebe, sei die islamische Kopfbedeckung bei offiziellen Besuchen bisher tabu gewesen, meldete der Sender.

Türkische Kemalisten, die sich auf Atatürk berufen, sehen das Kopftuch als Erkennungszeichen des politischen Islam. In allen staatlichen Institutionen der Türkei ist das Kopftuch eigentlich verboten. Eine erst im Februar beschlossene Freigabe des Kopftuchs für Studentinnen an den Universitäten des Landes löste eine Verfassungsklage aus und spielt auch beim Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine Rolle.

Österreichische First Lady vermittelt zwischen Politikerfrauen
Lob und Anerkennung gab es am Mittwoch hingegen für Fischers Frau Margit: Die österreichische First Lady habe dazu beigetragen, die türkische Präsidentengattin Hayrünnisa Gül und Erdogans Ehefrau Emine nach langer Zeit erstmals wieder zusammenzubringen. Frau Gül und Frau Erdogan gelten als verfeindet. Noch beim Besuch der britischen Queen in der vergangenen Woche hatten beide sorgsam darauf geachtet, einander nicht zu begegnen. Einer Einladung zu einer Teestunde mit Margit Fischer und Hayrünnisa Gül sei Frau Erdogan aber dann gefolgt, meldeten türkische Medien.

Fischer in der Türkei mit Plakaten begrüßt
Begrüßt wurde die österreichische Delegation beim Auftakt des Staatsbesuches am Dienstag mehr als überschwänglich: Das Konterfei von Bundespräsident Heinz Fischer lächelt von 750 Plakaten in Ankara und Istanbul. Der Österreich-Zweig der "Union European Turkish Demokrats" mit Sitz in Wien hatte sie drucken lassen, um zu zeigen, "dass die Austro-Türken den Bundespräsidenten schätzen und mit seiner Arbeit zufrieden sind", wie es UETD-Austria-Präsident Gürsel Dönmez formulierte.

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