Hans Peter Doskozil:

“Für Wirtschaftsflüchtlinge kein Recht zu kommen”

Österreich
15.01.2016 18:01

Ein Asylpolizist wird neuer Verteidigungsminister: Im ersten Interview spricht Hans Peter Doskozil (45) über das Heer als Ordnungshüter und den Charme der Politik.

Freitag, später Vormittag. Bevor die SPÖ-Granden tagen und Rudolf Hundstorfer als Präsidentschaftskandidaten in Stellung bringen, gibt Hans Peter Doskozil in aller Ruhe noch ein Interview. Ihm fällt durch die Personalrochaden in der Partei das Amt des Verteidigungsministers in den Schoß. Wie ein gemütlicher Teddybär sitzt er da, eine Haarsträhne der akkuraten Kurzhaarfrisur fällt ihm in die Stirn - was ihn aber nicht stört. Im "Krone"-Gespräch lässt er seine braunen Augen munter wandern, er lacht viel und nimmt sich in keiner Sekunde ein Blatt vor den Mund.

"Krone": Herr Doskozil, kennen Sie die Eselsbrücke, mit der man sich Ihren Namen besser merken kann?
Hans Peter Doskozil: Nein, wie geht die?

"Krone": Verteidigungsminister, warum konn dos ko Ziel sein?
Doskozil: Haha, die ist gut! Tatsächlich fragen mich viele: "Wieso machst du das?" Weil ich Polizist bin hätten mich vielleicht doch viele gerne als Innenminister gesehen. Aber man muss die Realität sehen. Die SPÖ stellt den Verteidigungsminister und das ist eine spannende Aufgabe.

"Krone": Die Realität heißt Johanna Mikl-Leitner. Wie ist Ihr Verhältnis?
Doskozil: Ich kann emotional und persönlich sehr gut mit ihr. Sie hat sich schon gerührt, weil sie sich selber freut. Die Zusammenarbeit wird nicht nur funktionieren, die Achse zum Innenministerium muss deutlich enger werden, weil das Bundesheer zu einer tragenden Säule im Sicherheitsbereich geworden ist. Man hat deutlich gesehen, dass der Assistenzeinsatz Ordnung in die Flüchtlingsströme gebracht hat. Das hat man in Nickelsdorf gesehen, das wird man in der Steiermark sehen und höchstwahrscheinlich auch in Tirol, wenn sich Flüchtlingsrouten verändern.

Hier können Sie sich drei Soundbites aus dem Interview anhören: Doskozil über Wirtschaftsflüchtlinge, über Obergrenzen und die Genfer Flüchtlingskonvention sowie über Veränderungen in der Gesellschaft.

"Krone": Sie reden schon wie ein Minister.
Doskozil: Ich stolpere ja auch nicht in dieses Amt hinein. Es wird seit Längerem spekuliert, aber dann ist es doch sehr schnell konkret geworden.

"Krone": Wie erfährt man, dass man Minister wird?
Doskozil: Ich hatte einen Termin beim Herrn Bundeskanzler in Wien. Wir kennen einander aus der Zeit, als ich Büroleiter von Landeshauptmann Niessl war. Wir hatten in den letzten Wochen und Monaten öfter Gespräche, in denen es darum ging, gewisse Szenarien und Entwicklungen im Bereich des Fremden- und Asylrechts zu beurteilen.

"Krone": Haben Sie sofort Ja gesagt oder um Bedenkzeit gebeten?
Doskozil: Die Frage, was das bedeutet, hatte ich mir schon vorher gestellt. Und da ich grundsätzlich ein spontaner Mensch bin, habe ich Ja gesagt. Ich wusste gleich, das passt.

"Krone": Sie haben sich mit niemandem vorher abgesprochen?
Doskozil: Nein, diese sicher auch schwierige Entscheidung habe ich für mich persönlich getroffen.

"Krone": Gab es auch Zweifel?
Doskozil: Es gibt immer Zweifel im Leben, die Frage: Warum tut man sich das an? Für diese Dinge muss man ganz einfach der Typ sein. Man muss Veränderungen und Herausforderungen mögen. Ich brauche das irgendwie, immer wieder eine neue Motivation. Deshalb habe ich mich gleich am Anfang zu der kühnen Aussage hinreißen lassen, dass ich nicht die nächsten 20 Jahre lang Polizeidirektor sein will.

"Krone": Aber Sie haben theoretisch ein Rückkehrrecht in diese Position.
Doskozil: Das ist gesetzlich vorgeschrieben, aber ich werde darauf ganz klar verzichten. Nicht nur aus meiner persönlichen Einstellung heraus, sondern auch weil ich überzeugt bin, dass es keinen Polizeidirektor auf zwei, drei, vier Jahre geben kann.

"Krone": Haben Sie schon in der Sandkiste von der großen Politik geträumt?
Doskozil: Nein, Politik war damals weit weg von mir, ganz weit weg. Ich hatte immer dieses Fernweh und daher war Pilot mein Kindheitstraum. Dafür war ich aber erstens nicht sportlich genug, obwohl ich Fußball gespielt habe, und zweitens hatte ich eine leichte Sehschwäche. Die Realität sah deshalb ganz anders aus.

"Krone": Sie waren auch als Nachfolger von Hans Niessl als Landeshauptmann und sogar als Bundeskanzler im Gespräch. Könnte es sein, dass der Verteidigungsminister für Sie nur ein Sprungbrett für höhere Ämter ist?
Doskozil: Ich wäre unehrlich, wenn ich nicht zugeben würde, dass der Landeshauptmann vom Burgenland eine charmante Spekulation ist. Das mit dem Bundeskanzler stört mich ehrlich gesagt. Da ist auf Facebook etwas entstanden, was ich nicht beeinflussen kann. Nein, ich bin im Verteidigungsressort gut aufgehoben.

"Krone": Sind Sie der Joker des Kanzlers?
Doskozil: Die Vorschusslorbeeren ehren mich, aber ich werde in ein paar Monaten an meiner Arbeit gemessen werden.

"Krone": Das Ressort Verteidigung ist ja alles andere als attraktiv, das Bundesheer wurde doch in den letzten Jahren zu Tode gespart. Schreckt Sie das nicht ab?
Doskozil: Abschrecken tut mich grundsätzlich nichts. Ich habe mich mit genauen Zahlen im Budget auch noch nicht befasst, aber eines ist klar: Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es eine vernünftige Aufgabenstellung, eine vernünftige Ausstattung und einem vernünftigen Umgang für und mit dem Verteidigungsressort geben muss.

"Krone": Über kein anderes Thema hat unser "Herr Nimmerwurscht" mehr gelästert als über das Bundesheer. Konnten Sie darüber lachen?
Doskozil: Über Witze sollte man schon lachen können! Man muss gewisse Dinge locker sehen, man darf nicht beleidigt sein. Aber der Herr Nimmerwurscht sollte in Zukunft eben nicht mehr so viele Witze über das Heer machen. Auch das ist ein Ziel.

"Krone": Haben Sie 2013 für ein Berufsheer gestimmt?
Doskozil: Ja, aber nicht, weil ich die Parteilinie der SPÖ vertreten wollte, sondern aus folgender Überlegung heraus: Das Verteidigungsministerium ist ja das Spiegelministerium des Innenministeriums, und aus dieser Systematik heraus wäre damals ein Berufsheer besser gewesen. Aber die Entscheidung ist gefallen, das muss man respektieren.

"Krone": Sie haben in der Asylkrise viel Lob für Ihre unaufgeregte Arbeit geerntet. Von Ihnen stammt der Satz, dass Sie Wirtschaftsflüchtlinge verstehen, die nach Europa kommen, um hier ein besseres Leben zu führen. Würden Sie ihn wieder sagen?
Doskozil: Natürlich. Denn das ist ja in Wahrheit keine Asyldiskussion mehr, da geht es um Gerechtigkeit, um Völkerwanderung und die Frage: Warum kommen manche Menschen in Ländern auf die Welt, wo es ihnen wirklich schlecht geht, wo sie null Chancen haben? Es ist nichts Unehrenhaftes, ein Wirtschaftsflüchtling zu sein. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass man ein Recht darauf hat, als Wirtschaftsflüchtling in unser Land zu kommen.

"Krone": Sind Sie für Obergrenzen?
Doskozil: Ich wehre mich dagegen. Wenn man eine Diskussion über Obergrenzen führen will, dann bitte ehrlich. Dann muss man der Bevölkerung auch sagen, dass wir uns nicht mehr an die Genfer Flüchtlingskonvention halten. Die Menschen spüren das auch: Da wird etwas gesagt, was vielleicht für die Umfragewerte ganz gut ist, was wir aber nicht durchhalten können.

"Krone": Wird die Flüchtlingsben verändert. Es gibt so viele Fragen, die wir uns alle stellen. Was passiert da gerade? Was heißt das für unser Schulsystem? Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt? Es ist Aufgabe der Politik, Perspektiven für diese Veränderungen aufzuzeigen. Obergrenzen sind keine Perspektive.

"Krone": Stichwort Köln. Hat Ihnen das Versagen der Polizei bei den Übergriffen gegen Frauen einen Stich ins Herz gegeben?
Doskozil: Ich hätte das nicht erwartet, muss ich ganz ehrlich sagen. Niemand hat mit einer so exzessiven Situation gerechnet. In Zukunft wird die Polizei sich darauf vorbereiten können und offensiver in solche Situationen gehen.

"Krone": Sind Sie erschrocken, dass der Wiener Polizeipräsident den Frauen geraten hat, nachts nicht ohne Begleitung auf die Straße zu gehen?
Doskozil: Das klang schon etwas komisch. Vielleicht sollte seine Aussage einfach ein bisschen wachrütteln.

"Krone": Verhaltensregeln für Frauen, sind Sie dafür?
Doskozil: Nein. Nicht die Frauen müssen wir schulen, sondern die Menschen, die zu uns kommen und hier aufgenommen werden. Wir müssen die Regeln im Umgang miteinander, die Werte unserer Gesellschaft deutlicher vermitteln.

"Krone": Während wir hier sitzen, inthronisiert die SPÖ gerade Rudolf Hundstorfer als Bundespräsidentschaftskandidaten. Welche Chancen geben Sie ihm?
Doskozil: Er wird sicher in die Stichwahl kommen, und dann wird er auch Bundespräsident.

"Krone": Warum sind Sie sich da so sicher?
Doskozil: Ich glaube, dass der Herr Professor Van der Bellen sich mit seiner Aussage, er würde Strache nicht als Kanzler angeloben, taktisch ein bisschen ins Abseits gestellt hat. Er rudert ja jetzt schon zurück. Und der Kandidat der ÖVP ist zwar ein exzellenter Politiker, aber seine Statements klingen für mich überzogen jugendlich. Er soll ruhig zu seinem Alter stehen.

"Krone": Werden Sie als Verteidungsminister eigentlich nach Wien ziehen?
Doskozil: Nein, ich werde im Bezirk Oberwart bleiben und pendeln. Auch wegen meiner Kinder.

"Krone": Was ist Hans Peter Doskozil für ein Vater?
Doskozil: Für mich war immer wichtig, dass ich meine Kinder in all ihren Lebensabschnitten begleiten kann. Das ging so weit, dass ich manchmal sogar die Hausübungen für sie geschrieben habe. In Deutsch hat die Professorin im Gymnasium einmal zum Lukas gesagt: Sag deinem Papa, er hat einen Dreier bekommen! (Lacht.) Manchmal habe ich es mit meinen Kindern vielleicht zu gut gemeint. Aber so ist es eben bei netten Menschen. Sie können schlecht Nein sagen. Eine Schwäche von mir …

"Krone": Ihr Vorgänger Gerald Klug ist durch seinen "Schuhputz" bekannt geworden. Beherrschen Sie seine Methode?
Doskozil: Ich war da bisher ein bisschen schlampert und muss mich wohl anstrengen, wenn ich in seine Fußstapfen treten will. (Hebt die Füße und zeigt auf seine cognacbraunen Budapester. Sind doch blitzblank. (Dann beginnt er zu lachen.) Weil sie ganz neu sind!

Zur Person
Geboren am 21. Juni 1970 in der Steiermark, aufgewachsen im Burgenland, wo er viele Jahre SP-Gemeinderat in Grafenschachen war. Neben seiner Tätigkeit bei der Polizei studiert Doskozil Jus. Vier Jahre lang arbeitet er im Büro von Landeshauptmann Niessl, seit 2012 ist er Landespolizeidirektor des Burgenlandes. Den Flüchtlingsansturm in Nickelsdorf managt der 45-Jährige professionell und menschlich. Der Vater von zwei Kindern (Lukas ist 15, Laura wird im April 17) lebt von seiner Frau getrennt.

Aus dem Video-Archiv: Hans Peter Doskozil - ein Portrait

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