Einzeltäter bestätigt

Zeugin hat sich im Fall Kampusch “objektiv geirrt”

Österreich
15.04.2013 14:20
Im Zuge der offiziellen Ergebnis-Präsentation der Nachuntersuchung in der Causa Kampusch durch ein internationales Ermittlerteam am Montag hat der Präsident des deutschen Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, die Einzeltäter-Theorie bestätigt. Die Aussage einer jungen Zeugin, die die Entführung im Jahr 1998 beobachtet und von zwei Tätern berichtet hatte, bezeichnete Ziercke zwar als "subjektiv glaubwürdig", dennoch habe sich das Mädchen "objektiv geirrt".

Die Zeugin habe das Auto des Entführers mit einem anderen Wagen verwechselt, den sie wenig später an einer Kreuzung gesehen habe und in dem tatsächlich zwei Männer gesessen seien. Auch in Priklopils Auto und Haus seien keine Hinweise auf weitere Täter gefunden worden, erläuterte Ziercke (Bildmitte).

Erklärbar ist auch die etwas sonderbare Aktion, dass Priklopil mit Natascha Kampusch unmittelbar nach der Entführung in ein Waldstück gefahren ist, dort telefonierte und ihr dann erklärte, dass "die anderen nicht kommen". "Das ist ein typisches Verhalten, das wir kennen", meinte Ziercke. Der Täter würde so dem Opfer vormachen, dass es im Hintergrund einen mächtigen Feind gäbe und dass es ohne ihn viel schlimmer wäre.

Anpassungsprozess des Opfers, "dass man überlebt"
Die Evaluierungskommission habe sich daher "eindeutig für die Einzeltätertheorie ausgesprochen". Ein endgültiger Beweis nach wissenschaftlichen Kriterien sei aber nicht möglich, "weil Herr Priklopil nicht mehr am Leben ist". Verbindungen des Entführers zu Rotlicht-, Sado-Maso- oder Pädophilenszene "konnten trotz umfangreicher Ermittlungen nicht festgestellt werden". Auch der Anschein, dass Priklopil und Kampusch ein mitunter beinahe freundschaftliches Verhältnis hatten, sei nicht ungewöhnlich: Dies sei ein Anpassungsprozess des Opfers, "dass man überlebt", so Ziercke.

Verließ wäre ohne konkreten Hinweis kaum entdeckt worden
Festgestellt wurden laut Ziercke allerdings "Ermittlungsfehler in einzelnen Stadien" der Untersuchung des Entführungsfalles sowie "Fehleinschätzungen". Etwa die Tatsache, dass Hinweisen auf Priklopil aus der Anfangsphase der Entführung nicht nachgegangen worden war. Allerdings verwies der BKA-Chef darauf, dass das Verlies, in dem Kampusch festgehalten wurde, wohl auch bei einer Hausdurchsuchung ohne konkreten Hinweis nicht hätte gefunden werden können.

"Jahrhundertfall", vergleichbar etwa mit den NSU-Morden
Die Evaluierungskommission habe insgesamt 84 Befragungen und 18 Lokalaugenscheine durchgeführt, rechnete der frühere Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl (Bild links), vor. Nicht noch einmal befragt wurden allerdings Natascha Kampusch selbst und der Freund des Entführers, Ernst H., da dies angesichts der ohnehin vorliegenden Protokolle nicht erforderlich gewesen sei. Auch die früheren Höchstgerichtspräsidenten Johann Rzeszut und Ludwig Adamovich, die mit ihrer Kritik an den Ermittlungen die Evaluierung ins Rollen gebracht hatten, wurden nicht neuerlich befragt. Das große öffentliche Interesse an dem Fall sei jedenfalls verständlich, schließlich sei das ein "Jahrhundertfall", vergleichbar etwa mit den NSU-Morden in Deutschland (siehe Infobox), so Ziercke.

Beteiligt waren an der Untersuchung sechs Vertreter des Innenministeriums, drei des Justizministeriums sowie vier ausländische Experten von BKA und FBI. Kernfrage war laut Christian Pilnacek (Bild rechts), Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, ob Hinweise auf eine allfällige Mehrtäterschaft bei der Entführung vorliegen. Untersucht wurde aber etwa auch, ob es Hinweise darauf gibt, dass bei Priklopils Tod Fremdverschulden im Spiel war - auch das wurde laut Ziercke aber verneint.

Neu-Evaluierung 15 Jahre nach Entführung
Die damals zehnjährige Kampusch war am 2. März 1998 entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller bei Priklopils Haus in Strasshof (Niederösterreich) gefangen gehalten worden. Erst am 23. August 2006 gelang der mittlerweile 18-Jährigen die Flucht, Priklopil beging daraufhin Selbstmord. Obwohl die polizeilichen Ermittlungen zum Ergebnis kamen, dass der Entführer alleine gehandelt hatte, und auch Kampusch selbst dies bestätigte, waren anderslautende Verschwörungstheorien nie verstummt. Ein parlamentarischer Unterausschuss empfahl daher im Vorjahr eine neuerliche Evaluierung des Falles unter Beiziehung internationaler Ermittler.

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