Knalleffekt

Fall Mike Brennan: Polizist soll vor Straflandesgericht

Österreich
24.06.2010 16:48
Knalleffekt im Fall Mike Brennan: Im Prozess gegen den 36 Jahre alten Polizisten, dem von der Staatsanwaltschaft fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen wurde, hat Richterin Margaretha Richter (re.) ein sogenanntes Unzuständigkeitsurteil gefällt. Sie sieht in dem Fall kein Fahrlässigkeitsdelikt, sondern die Möglichkeit einer bedingt vorsätzlichen Körperverletzung. Das Bezirksgericht Wien Josefsstadt sei daher nicht zuständig, der Fall müsse vor dem Straflandesgericht neu verhandelt werden.

Richter erklärte nach Ende des Beweisverfahrens am späten Donnerstagnachmittag, sie halte es für möglich, dass das Verhalten des Polizisten zumindest mit bedingtem Vorsatz auf Körperverletzung ausgerichtet und damit kein Fahrlässigkeitsdelikt gegeben war.

Auf Basis dessen sei sie gezwungen, den Fall ans übergeordnete, für Vorsatzdelikte zuständige Landesgericht abzutreten. Alles andere "wäre ein Freibrief für Anhaltungen in dieser Form", betonte Richter.

Der Polizist hatte sich am Vormittag zu Beginn des eigentlich auf zwei Tage anberaumten Prozesses "nicht schuldig" bekannt. Der 36-Jährige räumte allerdings ein, "30 Sekunden einen Fehler gemacht zu haben". Brennan widersprach im Zeugenstand den Aussagen des Beamten und sprach von einem regelrechten "Football-Angriff".

Richterin glaubte Mike Brennan
In ihrer Urteilsbegründung machte Richter deutlich, dass sie der Darstellung Brennans Glauben schenkte, der ausgesagt hatte, den angeklagten Polizisten nicht als solchen erkannt zu haben. "Die Anhaltung war nicht ordnungsgemäß. Es gab keine vorherige Ankündigung", stellte die Bezirksrichterin fest.

Für sie gab es auch keine Hinweise auf ein aggressives Verhalten oder einen Fluchtversuch des 34-jährigen Sportlehrers, mit dem der angeklagte Polizist den Einsatz seiner Körperkräfte zur Überwältigung Brennans gerechtfertigt hatte.

Für Drogendealer gehalten
Der gebürtige US-Amerikaner war am Nachmittag des 11. Februar 2009 mit der U-Bahn in Wien unterwegs. In derselben U-Bahn observierten mehrere Drogenfahnder in Zivil vermeintliche Suchtgifthändler. In derselben Garnitur wie Mike Brennan saß ein Verdächtiger, der dem 34-Jährigen ähnlich sah.

Als der angeklagte Polizist an der Station Spittelau ausstieg, sollte er den ebenfalls weiter hinten die U-Bahn verlassenden Verdächtigen anhalten, zur Ausweisleistung auffordern und allenfalls festnehmen. Kollegen, die sich unmittelbar bei dem mutmaßlichen Dealer befunden hatten, beschrieben diesen als groß gewachsenen Farbigen von bulliger Statur und mit einer dunklen Hose und einer Daunenjacke bekleidet. Auch auf eine Mütze wurde ausdrücklich verwiesen.

"Stop! Police! Don't move!"
Dem 36-jährigen Polizisten kam allerdings zunächst Brennan entgegen, auf den die Personsbeschreibung zu passen schien. Er habe ihn mit den Worten "Stop! Police! Don't move!" zum Stehenbleiben aufgefordert, doch der Mann habe nicht reagiert, schilderte der Beamte. "Ich habe ein Fluchtverhalten angenommen. Deshalb habe ich Körperkraft angewendet."

Der Polizist habe den Mann an der Oberbekleidung gepackt, ruckartig aus dem Gleichgewicht gebracht und zu Boden befördert: "Ich wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Ich wollte ihn nur zu Boden bringen. Und das habe ich auch gemacht." Ihm sei wichtig gewesen, "dass ich ihn am Boden fixiere, bis Verstärkung eintrifft. Es war schon heftig. Dazu stehe ich". Der Angeklagte verwies darauf, in seiner Laufbahn bereits 500 Drogenhändler festgenommen zu haben: "Ich weiß, wie's geht." Ihm sei zum ersten Mal eine Verwechslung passiert: "Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Dort, wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler."

Brennan: "Es war wie ein Angriff im Football"
Brennan hatte bei dem Vorfall einen Bruch von zwei Lendenwirbelkörper-Querfortsätzen, eine Rippen- und Schädelprellung sowie eine Zerrung der Nackenmuskulatur erlitten. Im Zeugenstand widersprach er der Darstellung des Polizisten. Dieser hätte sich nicht als Beamter zu erkennen gegeben, ihm weder Dienstausweis noch Kokarde gezeigt und ihn auch nicht angesprochen. Er sei unmittelbar nach dem Verlassen der U-Bahn "völlig unerwartet zu Boden gebracht worden. Es war ein Treffer aus dem toten Winkel. Es war wie ein Angriff im Football".

Der Sportlehrer betreibt, wie er sagt, seit seinem sechsten Lebensjahr American Football. Mehrmals wöchentlich trainiert er am Spielfeld, mindestens drei weitere Male geht er in die Kraftkammer. Seiner Darstellung zufolge hatte er trotzdem keine Chance, den Angriff abzuwehren. Als er am Boden lag, habe ihn der Angeklagte, den er zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht als Polizisten wahrgenommen habe, "mit Faustschlägen eingedeckt".

"Es gab keinen Grund, vor der Polizei davonzulaufen"
Auf die Frage, wie er sich verhalten habe, hätte er gewusst, dass er einem Polizeibeamten gegenüberstand, erwiderte Brennan: "Ich wäre am Fleck erstarrt." Er verwies auf seinen Geburtsort Jacksonville im US-Bundesstaat Florida, eine angeblich besonders gewaltträchtige Gegend: "Wenn man als junger Schwarzer dort das Wort 'Polizei' hört, bleibt man automatisch stehen. Sonst läuft man Gefahr, angeschossen oder getötet zu werden."

Die Schilderung des Angeklagten, er habe auf den Zuruf "Stop! Police!" nicht reagiert und Anstalten zur Flucht gemacht, bezeichnete Brennan als "vollkommen unrichtig". Es hätte für ihn keinen Grund gegeben, "vor der Polizei davonzulaufen. Ich habe ja nichts angestellt".

Brenanns Anwalt: "Ergebnis erfreulich"
"Die Richterin hat mit ihrer Ansicht recht, das Ergebnis ist erfreulich", sagte Brennans Anwalt Wilfried Embacher in einer ersten Reaktion auf das Unzuständigkeitsurteil. Sein Mandant sei zufrieden, "dass ein Gericht seine Version bestätigt und damit klar gestellt ist, dass er keine Geschichten erzählt", so Embacher.

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