Seltsame Aussagen

Wohin fällt Van der Bellen in türkis-blauer Frage?

Österreich
18.11.2017 08:37

Mit nobler Nachsicht umschifft FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache alle Fragen nach den als seltsam bewerteten jüngsten Aussagen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu den Koalitionsverhandlungen. Bei einer Aussprache in der Hofburg am Freitag war aber erwartet worden, dass es nun (vorläufige) Klarheit darüber gibt, wohin das Staatsoberhaupt in der türkis-blauen Frage am Ende fällt.

Das klärende Gespräch zwischen dem Bundespräsidenten und Strache war notwendig geworden, nachdem von Van der Bellen eigenartige Aussagen zum Stand der Koalitionsverhandlungen und Ministerbesetzungen bekannt geworden sind. Wie berichtet, hatte sich das Staatsoberhaupt vor EU-Botschaftern negativ über die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky geäußert.

Das hat hinter den Kulissen der Regierungsverhandler für Irritationen gesorgt. Vor allem, weil der Bundespräsident im Inland schweigt, aber vor Vertretern des Auslands und im Ausland nach diplomatischem Ermessen zu viel redet.

Darüber wollte Strache bei seinem Treffen mit dem Bundespräsidenten in der Hofburg Klarheit herstellen. Öffentlich will der FPÖ-Chef dazu nichts sagen, weil er das "für einen schlechten Stil" hielte. Für schlechten Stil hält man es aber bei den Freiheitlichen, dass Van der Bellen öffentlich Noten für die halb fertigen Koalitionspläne erteilt.

Auch der Umstand, dass der Bundespräsident, wie kolportiert, diverse FPÖ-Politiker als nicht ministrabel bezeichnet, wird nicht als vertrauensbildende Maßnahme gesehen. Umso mehr, weil sich Strache sehr intensiv um eine ordentliche Gesprächsbasis mit dem Bundespräsidenten bemüht. Auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat Van der Bellen am Freitag über den bisherigen Gesprächsverlauf informiert.

Van der Bellen zu einer FPÖ-Regierungsbeteiligung - ein Überblick:

Jänner 2016
Ziemlich zu Beginn des Bundespräsidenten-Wahlkampfs erklärt der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, dass er einen Bundeskanzler namens Heinz-Christian Strache nicht angeloben will. Auch sonst positioniert er sich strikt ablehnend gegenüber den Freiheitlichen.

Februar 2016
Van der Bellen spricht davon, dass er sogar daran denken würde, den Nationalrat aufzulösen, um eine Regierung unter den Freiheitlichen zu verhindern. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl vermutet dahinter "linkslinke Anarchie".

Mai 2016
"Die FPÖ spielt mit dem Feuer", attackiert Van der Bellen in einem Fernsehinterview mit den ARD-"Tagesthemen" Straches Flüchtlingskurs. Daher werde er, wenn sich die Frage stellen sollte, den Freiheitlichen nicht den Auftrag zur Regierungsbildung geben.

Oktober 2016
Mit einer seltsamen Formulierung tritt Van der Bellen den Rückzug in Sachen FPÖ an. Der Bundespräsident erklärt, dass er sich jetzt doch dazu durchringen könnte, eine Koalition mit den Freiheitlichen zuzulassen: "Ja, Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt."

Juni 2017
Der Bundespräsident positioniert sich zur FPÖ immer defensiver. Von grundsätzlicher Ablehnung ist keine Rede mehr. Van der Bellen beschränkt sich darauf, zu erklären, dass er größtes Interesse an einer proeuropäischen Bundesregierung habe.

Juli 2017
Überraschend freundlicher protokollarischer Akt des Bundespräsidenten gegenüber Heinz-Christian Strache: Der Bundespräsident verleiht dem FPÖ-Chef das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern - eine Geste, die Heinz Fischer immer verweigert hatte.

Kommentar von Claus Pándi: Elfenkönig in der Hofburg
Unter Fluchen kann sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Angelobung eines FPÖ-Bundeskanzlers durchaus vorstellen. Die seinem Geschmack entsprechende Verwünschung hat das Staatsoberhaupt im Oktober vergangenen Jahres sogar schon einmal vorbereitet.

Van der Bellens Fluch über eine FPÖ-Regierungsbeteiligung mit seiner Zustimmung lautet: "Ja, Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt." Nun gilt ein Fluch als soziale Sanktion nach einem Unrecht. Ein Fluch soll die höchste Strafe und letzte Waffe sein, wenn keine anderen Rechtsmittel mehr möglich oder wirksam sind.

So also muss der Fluch des Herrn Bundespräsidenten über Türkis-Blau streng genommen verstanden werden. In unserer Welt gilt jedoch die Wirksamkeit von Flüchen als eher unbestätigt. Das schaffen nur Zauberwesen in Märchen.

Aber es kann schon vorkommen, dass jemand, der sich längere Zeit in einer Burg, konkret in der Hofburg, aufhält, an solche Sachen zu glauben beginnt. Jetzt wollen wir aber doch hoffen, dass sich der fluchende Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht für einen Elfenkönig oder eine andere Sagengestalt hält. Sondern für einen ganz normalen irdischen politischen Repräsentanten mit erheblicher Verantwortung für die Republik.

Die wenigen Wochen bis zum Abschluss der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen kann das vom Bundespräsidenten wohl noch erwartet werden.

Bei allem Respekt.

Kronen Zeitung

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