Im Clinch mit Putin

US-Angriff auf Syrien: Pokert Trump zu hoch?

Ausland
07.04.2017 19:47

77 Tage ist Donald Trump im Amt und schon greift er zur ersten militärischen Option: Die USA haben in der Nacht auf Freitag Raketen auf eine syrische Militärbasis abgefeuert. Ein Vergeltungsakt für den Giftgas-Angriff auf die Stadt Khan Sheikhoun am Dienstag, den man Machthaber Bashar al-Assad zuschreibt. Der US-Militärschlag mit mehreren Todesopfern kommt überraschend, hatte es doch den Anschein, als wolle sich Trump in Sachen Weltpolitik nicht groß einmischen. Nun aber nimmt er die offene Konfrontation in Kauf - vor allem mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Als Privatmann hatte Trump 2013 das Weiße Haus unter seinem Vorgänger Barack Obama noch davor gewarnt, sich erneut in einen Militärkonflikt im Nahen Osten ziehen zu lassen - nach einem noch folgenschwereren Giftgas-Angriff in Syrien mit Hunderten Toten im August desselben Jahres.

Trump im Wahlkampf: "Nicht als Weltpolizist aufspielen"
Als Präsidentschaftskandidat und später als gewählter Staatschef beteuerte Trump, die Zeiten, in denen sich die USA als Weltpolizist aufspielen, sich in internationale Konflikte einmischen oder gar Regierungswechsel vorantreiben, seien längst passé. Auch noch vor weniger als einer Woche betonte US-Außenminister Rex Tillerson bei seinem Besuch in Ankara, das syrische Volk müsse Assads Zukunft bestimmen. Mithilfe Russlands solle die Syrien-Krise gelöst werden, Trump wolle sich lieber auf das Schaffen von Arbeitsplätzen zu Hause konzentrieren.

Doch es kam alles völlig anders: Es gebe keine Rolle mehr für Assad in der Zukunft Syriens, sagte Tillerson einen Tag vor dem nunmehrigen Militärschlag. Trump stimmte ein und orakelte: "Ich denke, Assad ist der, der die Dinge verantwortet, und ich denke, es sollte etwas passieren." Das Fass endgültig zum Überlaufen hatte dann der Giftgas-Angriff am Dienstag in Syrien gebracht, den die USA Assad zuschreiben.

Trump informierte Kongress nicht über Militärschlag
Mit der US-Militäraktion in Syrien geht Trump nun aber ein hohes Risiko ein. Dass er den Kongress nicht im Voraus informierte und damit nach Meinung einiger Experten sowie der Demokraten einen Verfassungsbruch begangen haben könnte, ist das eine. Problematischer aber erscheint: Der Militärschlag, ausgeführt mit 59 Tomahawk-Raketen aus sicherer Entfernung im östlichen Mittelmeer, erfordert eine Folgestrategie für die komplizierte Lage in Syrien, soll er nicht als Einmal-Aktion verklingen.

Video: USA greifen syrische Luftwaffenbasis an

Diplomaten warnen: "Syrien-Krise militärisch nicht zu lösen"
Eine solche Strategie hat Trump aber noch immer nicht. Sein Aufruf an die zivilisierte Welt, sich den USA anzuschließen, klingt wie ein Hilferuf. Die Entsendung von Kampftruppen am Boden, etwa zur Durchsetzung von Sicherheitszonen, gilt in den USA als politisch kaum durchsetzbar. Seit Jahren warnen Diplomaten aus aller Welt: Die Syrien-Krise ist mit militärischen Mitteln nicht zu lösen. Zu komplex ist die Gemengelage, zu viele Nationen sind beteiligt, zu viele Interessen berührt.

US-Außenminister wirft Russland "Versagen" vor
Die potenzielle Tragweite der US-Aktion ist deshalb völlig unklar: Die USA riskieren mit der Aktion gegen Syrien nicht nur, ihre Handlungsspielräume für andere Krisen einzuengen. Sie nehmen auch die offene Konfrontation mit Russland in Kauf. Tillerson, der in der kommenden Woche zu einem bereits geplanten Besuch in Moskau erwartet wird, warf Russland noch in der Nacht vor dem US-Angriff Versagen im Kampf gegen syrische Kriegsverbrechen vor. Moskau habe entweder weggeschaut oder habe nicht die Fähigkeiten, wie zugesagt gegen das Chemiewaffenprogramm Assads vorzugehen. Dabei hatte Trump in der jüngsten Vergangenheit den russischen Präsidenten Putin wiederholt gelobt.

Russland wichtigster Verbündeter von Assad
Putin verurteilte unterdessen das US-Bombardement als Angriff auf die Souveränität Syriens. "Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die UNO bestätigt. Russland ist der wichtigste Verbündete Assads. Seit September 2015 fliegt Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Sie richten sich gegen die Terrormiliz IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind.

UN-Sicherheitsrat in Sachen Syrien durch Russlands Veto blockiert
Als erste Reaktion setzte Russland die Vereinbarung mit dem US-Militär zur Vermeidung von Zwischenfällen in Syrien aus. Das verkündete das Außenministerium in Moskau am Freitag. Mit der Vereinbarung informierten Russland und die USA einander bislang über Militärflüge und Angriffe in Syrien. Moskau kündigte auch an, man werde eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates einberufen. Doch der ist in Sachen Syrien ohnehin blockiert - weil Russland Resolutionen der anderen Seite mit seinem Veto blockiert. Das "völlig gedankenlose Vorgehen" der USA habe die Syrien-Krise nur vertieft, hieß es in einer Mitteilung Russland.

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