Lokalaugenschein

Großes Vorhaben: Ägypten will sich neu erfinden

Ausland
10.03.2018 06:00

An die 7000 Jahre Geschichte, die älteste Kulturnation der Welt – die Ägypter haben allen Grund, stolz zu sein auf ihr Land. Und sie sind das auch. In der Gegenwart wird das Land am Nil freilich von teils massiven Problemen geschüttelt. Das starke Bevölkerungswachstum, die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit, die Wasserknappheit oder die Terrorgefahr sind da nur einige Punkte.

Um diese großen Herausforderungen sukzessive zu meistern, versucht Ägypten gerade, sich quasi neu zu erfinden. Die Wiederwahl von General und Staatschef Abdel Fattah al-Sisi Ende März ist fester Bestandteil dieses Planes.

Schon 100 Millionen Einwohner
Mit rund 100 Millionen Einwohnern zählt Ägypten nach Nigeria zu den bevölkerungsreichsten Ländern Afrikas, mit einer Fläche von etwas mehr als einer Million Quadratkilometern aber keineswegs zu den größten. Dazu kommt, dass der größte Teil Wüste ist, nur etwa sieben Prozent des Landes werden also genutzt. Und das bei einem jährlichen Bevölkerungswachstum von rund zwei Millionen Menschen.

Alleine in Kairo, das für maximal zwölf Millionen Einwohner gebaut ist, leben mehr als 20 Millionen. Mit den Pendlern können es dann bis zu 30 Millionen werden. Entsprechend unerträglich sind die Zustände. „Ein Albtraum“, sagt Tarek Radwan, der Vorsitzende des außenpolitischen Komitees des ägyptischen Parlaments. Daher sei es der mittelfristige Plan der Regierung, rund acht Millionen Menschen aus Kairo abzusiedeln.

Saudi-Geld soll Ägypten stabilisieren
Um das zu schaffen, lässt Präsident Sisi in der Wüste zwischen Kairo und dem (seit zwei Jahren deutlich ausgebauten) Suezkanal eine neue Hauptstadt errichten. Mit Mitteln des Staates, von privaten Investoren und vermutlich vielen Milliarden aus dem verbündeten Saudi-Arabien. Kronprinz Mohammed bin Salman aus Riad hat die riesige Baustelle Anfang dieser Woche besucht und gab sich beeindruckt. Etwa 30.000 Wohnungen sind bereits fertiggestellt.

Die gesamte Regierung soll hierher übersiedeln, alle Ministerien mit ihren Beamten, die Botschaften. Es soll eine Oper geben, großzügige Parks und Wohnsiedlungen, auch viele Sozialbauten. Und natürlich die größte Moschee des Landes, aber auch die größte christliche Kirche: In der neuen Kathedrale hat Kopten-Papst Tawadros II. im vergangenen Jänner bereits die Weihnachtsmesse zelebriert - im Beisein von Präsident Sisi, der damit auch demonstrieren will, dass er sich als Beschützer der Christen Ägyptens versteht.

In El-Alamein an der Mittelmeerküste wiederum (bei uns bekannt als Schlachtfeld aus dem Zweiten Weltkrieg) soll eine Universitätsstadt für bis zu 50.000 Studenten aus dem Boden gestampft werden. Der Startschuss für die Bauarbeiten wurde diese Woche von Sisi gegeben. Der Zeitpunkt ist wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl natürlich kein Zufall. Trotzdem meint der Parlamentarier Tarek Radwan es sichtlich ehrlich, wenn er zur „Krone“ sagt: „Ich bin sehr stolz auf das, was gerade in meinem Land passiert.“

Moslembrüder in der Politik gescheitert
Nach der Revolution von 2011 und der anschließenden Machtübernahme durch die Moslembrüder, den Repressionen und dem wirtschaftlichen Absturz sowie dem darauffolgenden Volksaufstand gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi haben die meisten Menschen in Ägypten das Chaos einfach satt. Präsident Sisi dürfte daher allen Vorwürfen der Repression zum Trotz relativ fest im Sattel sitzen.

Nicht zuletzt, weil es auch mit der ägyptischen Wirtschaft wieder deutlich bergauf geht, wie auch die österreichische Wirtschaftskammer bestätigt. Für dieses Jahr ist ein Wachstum von fast fünf Prozent prognostiziert. Sogar die Tourismuszahlen zeigen wieder stark nach oben. Und vor der Küste wurde jüngst das größte Gasfeld des Mittelmeers gefunden.

Feldzug gegen IS-Terroristen am Sinai
Dass das auch so bleibt, dafür soll unter anderem eine Militäroffensive im Norden der Sinai-Halbinsel sorgen, bei der zurzeit Zehntausende Soldaten im Einsatz stehen. Offiziellen Meldungen zufolge sollen bisher 180 Waffendepots zerstört, mehr als 70 Islamisten getötet und in etwa 2000 verhaftet worden sein.

Die Ägypter können ohnehin nicht verstehen, wieso die Touristen in den vergangenen Jahren aus Angst vor Attentaten ausgeblieben sind. So sagt Außenminister Sameh Shoukri zur „Krone“: „Wenn es in Paris, London oder Brüssel einen Terroranschlag gibt, heißt es in Europa, da müssen wir erst recht hinfahren, weil wir uns dem Terror nicht ergeben dürfen. Passiert aber bei uns etwas, werden die Charterflüge eingestellt.“

Christian Hauenstein, Kronen Zeitung, aus Kairo

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