Man hat im Moment den beängstigenden Eindruck, dass die politische Atmosphäre zwischen Russland und diversen westlichen Staaten nun auch bereits dramatisch vergiftet ist. Wem nützt das? Wenn der britische Außenminister Boris Johnson kürzlich meinte, nur die russische Führung könne für das Giftattentat auf den Doppelagenten Skripal verantwortlich sein, denn nur Russland habe die nötigen Mittel, die Erfahrung und ein Motiv, und eine andere Erklärung gebe es nicht, muss dem sehr deutlich widersprochen werden. Mag sein, dass Russland die meiste Erfahrung hat, denn dort wurde dieser Giftstoff, den man heute weltweit in geeigneten Labors nachbauen kann, vor etlichen Jahrzehnten entwickelt. Die Motivlage sehe ich derzeit allerdings völlig anders. Herr Johnson spricht sehr diffus von Motiven der Russen, ohne diese näher definieren zu können. Wir wissen, dass Skripal etliche Mitarbeiter der russischen Auslandsaufklärung, die in England tätig waren, an die Briten verraten hat. Warum sucht man nicht in diesen Kreisen und deren Umfeld (!) nach den Tätern? Dort werden gewiss schwerwiegende Motive sowie Rachegefühle und Hass gegenüber Herrn Skripal zu finden sein. Es ist mehr als seltsam, dass, soweit wir wissen, diese Personengruppe (und deren Motivlage) offenbar überhaupt nicht im Fadenkreuz der Ermittlungen steht, weil ohnehin sonnenklar ist, „es waren die Russen“. Es wäre professionell und logisch, die Täter auch unter den von Skripal Verratenen zu suchen und vielleicht zu finden. Aber vielleicht will man das gar nicht?
Dr. Peter Presinger, Präsident der Österreichisch- Russischen Gesellschaft Stmk., Graz
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