Das erste Comeback mit „Never Gone“ hat erst 2005 stattgefunden. Nachdem Kevin Richardson die Band ein Jahr später verließ, um „eigene Ziele zu verfolgen“, war das Schicksal der in den Neunzigern mit Songs wie „We've Got It Goin' On" oder „Quit Playing Games“ berühmt gewordenen Boyband aber eine zeitlang ungewiss. Heuer stand dann fest, dass sie zu viert weitermachen werden.
Mit „Unbreakable“ ist nun das sechste Backstreet-Boys-Album erschienen und hat den vier Amerikanern in ihrer Heimat außerordentlich gute Kritiken beschert. Musikalisch betrachtet ist die Platte ein Mix aus ganz frühen Sounds der ersten Singles und dem schon auf dem Balladen-lastigen „Never Gone“ entdeckten Gitarrenpop. Die Songs (teilweise von Bandmitgliedern mitkomponiert) beschreiben zwar noch immer Herzschmerz in allen Facetten; es trieft immer noch das Schmalz, wie man so schön sagt. Die Musik schwimmt aber voll im Trend: Justin-Timberlake-mäßige Sounds gepaart mit Falsettvierklang und ein paar gar nicht Boyband-verdächtigen Hooks haben die US-Kritiker nicht zu Unrecht überzeugt. Man wird mit „Unbreakable“ zwar nicht unbedingt zum Backstreet-Boys-Fan, die eingeschworenen Anhänger könne ihre Neigung damit aber sehr gut verteidigen.
„Unbreakable“ klingt ein bisschen nach einem Science-Fiction-Film. Hat es sich so unglaublich angefühlt, zum ersten Mal zu viert im Studio zu stehen?
A.J. McLean: Ich kann nur sagen, dass wir verdammt viel Spaß bei den Aufnahmen hatten. Wir hatten auch noch nie so viel Mitspracherecht, was den kreativen Teil eines Albums anbelangt. Zum ersten Mal hatten wir so richtig das Steuer in der Hand, haben der Plattenfirma die Vorgaben ausgeteilt und unsere Manager gesteuert. Wir können‘s gar nicht erwarten, mit dem Album auf Tour zu gehen.
Klingt nach den Vorteilen des Älterwerdens, nicht?
A.J. McLean: Ja, absolut. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, sind diesmal sehr nützlich gewesen. Mit dem Respekt, den wir von Seiten der Plattenfirma und der Industrie genießen, geht jetzt einiges leichter. Das neue Album ist auch ein Zeichen: Wir sind hier, um zu bleiben - und das schon seit 15 Jahren! Man sollte sich besser dran gewöhnen, dass die Backstreet Boys nicht verschwinden werden.
War das im Vergleich zu früheren Alben nicht viel mehr Arbeit?
A.J. McLean: Ja, aber wir ließen die anderen nach unserer Pfeife tanzen. Wir waren frei von Zwängen. Die Momente während der tatsächlichen Produktion, in denen wir alle vier zusammen im Studio waren, kann ich an einer Hand abzählen - und das war großartig, weil jedes Bandmitglied auch an anderen Dingen wie eigenen Soloalben abseits der Backstreet Boys arbeitet und wir so einen gemeinsamen Rhythmus fanden. Vor der Produktion hatten wir uns in Nashville für sechs Wochen in ein Studio eingemietet und dort praktisch gewohnt. Wir schrieben Songs, spielten Videogames, sahen uns gemeinsam Filme an und nahmen nebenbei ein paar Demos auf. Wir hingen da wie in einer Studenten-WG ab - es war einfach großartig!
„Unbreakable“ wird vor allem wegen seiner unterschiedlichen Stilistiken gelobt. Müssen sich auch die Backstreet Boys den aktuellen Trends anpassen?
A.J. McLean: Nun ja; Ich sehe das es als vollkommen natürliche Entwicklung, als Fortschritt. Wir wollten die Uptempo-Elemente von früher wieder einbringen - schließlich ist es langweilig, wenn du auf einer Tour zu keinem Song richtig tanzen kannst. Es sollte live für eine bombastische Show reichen, denn das ist es, womit wir schließlich bekannt wurden. Mit dem letzten Album konnten wir keine Großproduktion machen, die Songs waren einfach zu langsam. Mit „Unbreakable“ ist das anders: es ist viel natürlicher, es rockt, hat gewaltige Harmonien und starke Lyrics - ein Konglomerat aus allen Sounds, die jeder einzelne von uns persönlich am meisten schätzt.
Hattet ihr zwischenzeitlich auch mal überlegt, euch Backstreet Guys oder Backstreet Men zu nennen? Die Bezeichnung Boys für Dreißigjährige ist ja auch so, wie sie ist...
A.J. McLean: Einmal hätten wir fast das Boys streichen wollen und uns nur noch Backstreet nennen. Aber warum? So lange die Beach Boys noch so heißen, können wir uns noch vierzig Jahre Boys nennen. Dasselbe gilt für die Beastie Boys, die ja auch schon auf die Fünfzig zugehen. Außerdem: Wir sind immer noch Freunde, fast wie eine Familie und man soll und wird uns immer als die Backstreet Boys kennen.
In der ersten Ära der Backstreet Boys wart ihr berüchtigt dafür, bei weiblichen Fans wahre Kreisch-Orgien auszulösen. Wie ist es heute, wenn man euch auf der Straße erkennt?
A.J. McLean: Was soll ich sagen? Sie kreischen immer noch! Es hört nicht auf. Wir haben ja sowohl Fans, die mit uns aufgewachsen sind, als auch neue Fans. Die neue Generation hat das Kreischen nicht verlernt - im Gegenteil! (lacht) Mir kommt es momentan so vor, als würde diese Pop-Explosion noch einmal von vorne beginnen.
Hannibal Lecter würde jetzt fragen: „Wenn Sie in der Dunkelheit aufwachen, hören Sie die Fans dann noch immer schreien?“
A.J. McLean: (lacht) Nein! Ich fürchte mich vor keinen Fans! Im Gegenteil, wir brauchen das. Wir lieben es, auf der Bühne zu stehen. Natürlich ist es manchmal ätzend, dass du keine Ruhe hast, wenn du mit deiner Familie essen gehen willst. Aber das gehört zum Job.
Wie geht es euch, wenn ihr alte Videos von früher anseht?
A.J. McLean: Vom Image-Aspekt aus betrachtet, gibt es mit Sicherheit einige Mode-Fauxpas, bei denen ich rot anlaufen könnte. Ein paar der Klamotten hätte man schon damals verbrennen sollen! Natürlich schmerzt es auch, dass wir früher zu fünft waren. Kevins Abgang war im ersten Moment ein Schock, der nicht leicht zu verdauen war. Aber um ganz ehrlich zu sein - sorry, Kevin - man merkt keinen Unterschied. Wir hatten früher nie fünfstimmig gesungenen, Kevin und ich teilten uns eine Stimmlage. Abseits der Musik vermissen wir natürlich ein Mitglied, einen Freund. Ich sehe „Unbreakable“ aber als einen Neubeginn, ein zweites Kapitel der Backstreet-Boys-Geschichte.
Es gibt das Klischee, dass Boybands stets von einem Management ferngesteuert werden. Wieviele Entscheidungen konntet ihr in der Vergangenheit tatsächlich autonom treffen?
A.J. McLean: Wir sind jetzt definitiv unabhängiger als früher. Wir haben das Ruder an uns gerissen und sagen jetzt jedem unsere Meinung, wo wir früher vielleicht die Klappe gehalten hätten. Mit unserem Management funktioniert das ganz gut. Was wir nicht machen wollen, wird nicht gemacht. Was wir unbedingt machen wollen, geschieht auch.
Das klingt, als wolltet ihr mit 45 noch Backstreet Boys sein?
A.J. McLean: Auf jeden Fall! Wenn wir das noch zwanzig Jahre so machen wollen, werden wir das auch tun können, daran habe ich keinen Zweifel. Aber hauptsächlich wird es darum gehen, ob es uns Spaß macht und wir darin eine Herausforderung sehen. Nicht zuletzt werden das unsere Fans entscheiden, ob sie weiterhin Musik mit Qualität hören wollen. Aber die Stones und die Eagles sind seit zig Jahren im Geschäft und denen wurde auch nie langweilig!
Was kann man sich von der Unbreakable-Tour erwarten?
A.J. McLean: Es wird riesig - es wird so riesig, wie man es von uns gewöhnt ist. Wir werden Entertainment pur bieten, schließlich machen wir Musik für die Massen. Und wir sind stolz darauf, mit unseren Songs auf einer Bühne zu stehen und für die Fans alles zu geben. Wir werden tanzen und auf keinen Fall däumchendrehend auf Stühlen sitzen.
Interview: Christoph Andert
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