Die „Krone“ war vor einigen Tagen live dabei, als Pop- und Soul-Legende Lionel Richie vor 17.000 Fans im restlos ausverkauften Ziggo Dome von Amsterdam eine fulminante, fast zweistündige Hit-Revue aus mehr als 50 Jahren Karriere aufs Parkett legte. Am 16. Juli kommt er damit in die Wiener Stadthalle – es gibt dafür noch Karten.
Die Luft wird langsam immer dünner und dünner, bei den großen Legenden der Rock’n’Roll-Historie. Mit Sly Stone und Brian Wilson haben wir erst vor wenigen Tagen zwei weitere Kapazunder verloren, deren Werken und Wirken noch vielen Generationen Vorbild und Inspiration sein wird. Je schneller die Zeit voranschreitet, umso wichtiger ist es, die Größten der Großen noch live zu sehen – vor allem so lange sie noch in Top-Form sind. Der Soul- und Pop-Großmeister Lionel Richie etwa bewies seine ewig scheinende Juvenilität zuletzt 2023 bei einem famosen Open-Air-Konzert auf der oberösterreichischen Burg Clam. Am 16. Juli kommt er nach zehn Jahren Abwesenheit wieder in die Wiener Stadthalle, wo er im Laufe seiner mehr als fünf Dekaden andauernden Karriere schon die eine oder andere unvergessliche Performance aufs Parkett legte.
Gleich drei Geburtstagsständchen
Wenn Richie in Wien aufschlägt, ist er jedenfalls bestens eingespielt, denn seine unzweideutig „Say Hello To The Hits“ betitelte Tour tingelt dann schon eine Weile durch Europa. Der 76-Jährige hat sich für sein Alter noch einmal ein stattliches Routing zusammenstellen lassen. Faul oder unmotiviert kann man die Tour jedenfalls nicht nennen. Zu seinen allerliebsten europäischen Stationen zählt seit jeher die niederländische Hauptstadt Amsterdam, wo vor einigen Tagen einen der wahrscheinlich besten Gigs auf dieser Tournee ablieferte. Mitverantwortlich dafür ist sein treues Publikum. Mit rund 17.000 verkauften Karten war der Ziggo Dome bis an den Rand ausverkauft, die Fans erwiesen sich sogar bei den „Semi-Hits“ als textsicher und schallten dem Jubilar – verfrüht – nicht ein, sondern gleich drei Geburtstagsständchen entgegen. Bitte, wo hat man so etwas schon erlebt?
Diese Liebe aus dem Auditorium schien auch dem gewitzten Entertainer noch eine kräftige Dosis Extramotivation zu verleihen, denn neben seinem ausgeprägten Schmäh und einer mit Fortdauer des Abends immer stärker werdenden Stimme, warf er sich zuweilen richtig ins Zeug. Wer einen Konzertabend mit „Hello“, „Running With The Night“ und dem Commodores-Doppel „Easy/My Love“ einleiten kann, hat in seinem Leben viel richtig gemacht. Zu Beginn fuhr Richie am Bühnensteg vom Keller gen Halle empor, um, eingekesselt in einem markanten Lichtkäfig, den Abend zu eröffnen. Dahinter wurde ordentlich aufgefahren. Ein weißes Piano für die vielen balladesken Momente, eine perfekt aufeinander eingespielte und auch menschlich enorm locker wirkende, fünfköpfige Band, drei Videowände und eine im besten 80er-Bombaststil beleuchtete Bühne ließen schon früh hoffen, dass hier ein epischer Abend passieren könnte.
Moment der humanistischen Einkehr
Richie zeigte sich im weißen Frack ganz als der Zeremonienmeister, der er seit Jahrzehnten ist. Als Co-Songwriter der Commodores schrieb er in den 70er-Jahren Soul-Geschichte, die hedonistischen 80er kamen dafür nicht ohne seine Solo-Songs aus – so wie auch jeder zweite Nostalgie-Radiosender auf der ganzen Welt. Der Frontmann nahm sein fortschreitendes Alter früh humorvoll auf die Schaufel. „Heute Abend spielen wir jeden Song, an den ich mich noch erinnern kann“, sprach er und erntete dafür inbrünstiges Lachen. Als Profi-Showmann weiß er sich perfekt in Szene zu setzen, vor seinem mit Michael Jackson geschriebenen, humanistischen Welthit „We Are The World“ setzte er aber auch andere Saiten auf. „Wir sind alle eins – niemand ist anders“, war die Kernbotschaft einer leidenschaftlichen Brandrede, die den ganzen „Free Palestine“-schreienden Bands ein wichtiges Detail voraus hatte: Richie erwähnte keine Konfliktpartei, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf den Gedanken der Gemeinschaft. „Wenn ihr hier rausgeht, tippt irgendwem auf die Schulter und sagt ihm, dass er derselbe ist wie wir.“
Musikalisch gab es diese schönen Momente des Öfteren. Das Reggae-lastige „Se La“, das mit drei Instrumentalisten an der Bühnenstegspitze exerzierte „Stuck On You“ oder der zartfühlende Commodores-Klassiker „Sail On“ reihten sich aneinander wie auf einer Würstchenkette. Ein Song größer als der andere, eingebaut zwischen emotional-melancholischen und freudestrahlend-lebensbejahenden Gefühlen. Dazu gab es immer wieder nette Anekdoten, wenn es in den Rahmen passte. Etwa, dass er seine damalige Partnerin Diana Ross seit 42 Jahren für ein Live-Duett ihres gemeinsamen Megaerfolgs „Endless Love“ bewegen möchte, sie aber stets mit einem trockenen „nein“ abwinkt – so ist das Lied nun eben eine Ehrerbietung vor Richies Fans, mit denen er den Track lautstark intonierte. Der Live-Spannungsbogen war gut gewählt und riss mit. Nach dem mit zahlreichen Pyro-Effekten verstärkten Doppel aus „Brick House“ und „Fire“ wurde der Adrenalin-Level auf null gesenkt, um das zartfühlende „Three Times A Lady“ aus der kompositorischen Mottenkiste zu räumen. Pop, Funk, Soul – wie ein Wurlitzer ließ er einen Hit nach dem anderen vom Stapel. Zur Freude seiner zahlreichen Fans.
Herzlich und hydraulisch
Die Bewegungen mögen etwas hüftsteifer und nicht mehr so agil wie vor zehn oder 20 Jahren sein, aber der Schweiß auf Richies Stirn bewies, dass der Kultstar im gediegenen Alter und auf seiner womöglich letzten großen Tournee noch einmal wirklich alles gibt. Beflügelt von seinen eigenen Songs und der Reaktion seitens der Fans wurde vor allem das Schlussdrittel zu einem Ereignis. Bei „My Destiny“ und dem Evergreen „Dancing On The Ceiling“ hielt es niemanden mehr auf den Sitzen. Für das emotionale Doppel „Still“ und „Say You, Say Me“ ließ Lionel sich ein schwarzes Piano auf den Bühnensteg heben und wurde mittels Hydraulikpumpe emporgehievt. Bei der mit einer Bombastshow verstärkten Abschlussnummer „All Night Long (All Night)“ beendete der Frontmann das Treiben nach insgesamt 105 Minuten, die für manchen Besucher wohl die schönsten dieses Jahres waren.
Bald live in Wien
Bleibt zu hoffen, dass die Band diesen Drive halten und bis 16. Juli auch in die Wiener Stadthalle transportieren kann. Unter www.oeticket.com gibt es übrigens noch ausreichend Karten für das zwar grellbunte, aber sich nie um noch mehr Effekte bemühende Set. Für Lionel Richie könnte es altersbedingt schon die letzte große Live-Rutsche sein – und wenn er die Verfassung bis in den nächsten Monat hinein so halten kann, dann wird auch Wien sein ganz persönliches und unverfälschtes kleines Highlight sein. Party „all night long“ ist jedenfalls garantiert.
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