Türkei in Trauer
Ex-Ministerpräsident Bülent Ecevit ist tot
Zurückblicken konnte der Politiker, der 30 Jahre zuvor dem Atatürk-Weggefährten Ismet Inönü die Führung der Republikanischen Volkspartei (CHP) entrissen hatte, auf politisch bewegte Zeiten. Gefeiert wurde er als "Held von Zypern", als er 1974 nach einem griechischen Putsch den Einmarsch türkischer Truppen auf Zypern befahl. Als sich in den Jahren danach Graue Wölfe und linke Stadtguerilla in den Straßen bekriegten, lösten sich Ecevit und sein größter Rivale Süleyman Demirel in immer kürzerer Folge an der Spitze kurzlebiger Regierungen ab.
Nach dem Putsch der Generäle 1980 musste Ecevit wie viele andere Politiker ins Gefängnis und bekam politisches Betätigungsverbot. Doch schon fünf Jahre später fädelte er die Gründung der Demokratischen Linkspartei (DSP) ein, die zunächst seine Frau Rahsan führte.
Wahlsieg nach Öcalan-Verhaftung
Politisch zum Zuge kam Ecevit aber erst wieder, nachdem das Militär dem Intermezzo der ersten islamistisch geführten Regierung in der Türkei ein Ende gesetzt hatte. Die Gefangennahme des PKK-Führers Abdullah Öcalans sicherte Ecevit 1999 den Wahlsieg und bescherte ihm einen letzten politischen Triumph.
Nachdem die Türkei den Status eines EU-Beitrittskandidaten erlangt hatte, leitete Ecevit trotz schwieriger Koalitionspartner Reformen wie die Abschaffung der Todesstrafe ein. Viele Türken schätzten Ecevit als Politiker mit "weißer Weste". Im Gegensatz zu vielen anderen wurde er nie mit Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht. Zum Verhängnis wurde ihm die schwere Wirtschaftskrise von 2001, die das Land tief erschütterte und das Vertrauen in Ecevit schwinden ließ.
Die kinderlosen Eheleute teilten nicht nur ihre Passion für die Politik, sondern ebenso ihre Leidenschaft für die Dichtung. Ecevit übersetzte Werke von T.S. Eliot und Ezra Pound. Einige seiner Gedichte fanden Anfang 2002 erstmals Eingang in einen Sammelband, in eine "Anthologie dichtender Journalisten aus der Zeit der Republik."
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