"Krone"-Interview

Aufgestiegen oder weggelobt, Herr Sobotka?

Österreich
20.04.2016 16:00

Im verflixten siebenten Jahr als Vize von Erwin Pröll übernimmt er am Donnerstag den "härtesten Job der Republik": Der neue Innenminister Wolfgang Sobotka (60) im großen Interview - über Grenzen, Asyl und Abschiebung.

"Einmal Anser-Menü, bitte!" Der Ober im Wiener Café Landtmann nickt geflissentlich. "Sehr wohl, Herr Minister!" Zwei Minuten später steht das Sobotka-Menü - großer Schwarzer mit Mineral, prickelnd - auf dem Tisch. Noch gar nicht im Amt und schon wird man in Wien hofiert. Dem designierten Innenminister scheint es zu gefallen. "Schau ich mir sicher an!", versichert er einem Grazer Aktivisten, der an seinen Tisch gekommen ist und ihm eine Broschüre über die Scharia in die Hand drückt.

Der Nachfolger von Johanna Mikl-Leitner kommt gerade von einem Termin mit Noch-Bundespräsident Heinz Fischer (siehe Video unten), nach dem "Krone"-Interview ist er bei Bundeskanzler Werner Faymann angemeldet. Dazwischen nimmt er sich eine Stunde Zeit, um die überraschende Bestellung, seine Karriere- und Lebensplanung sowie die Pläne im neuen Amt zu besprechen. Am Revers des grauen Anzugs, zu dem er eine pinkfarbene Krawatte trägt, prangt noch der kleine blau-gelbe Niederösterreich-Anstecker. "Am Donnerstag nehme ich den ab, dann werde ich vom leidenschaftlichen Landespolitiker zu einem Minister für alle Bundesländer", kündigt Sobotka an.

"Krone": Herr Sobotka, Ihre Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner hat es den "härtesten Job der Republik" genannt. Haben Sie mit dem Innenministerium den Schwarzen Peter gezogen?
Wolfgang Sobotka: Dieses Amt in einer Zeit zu übernehmen, die so herausfordernd ist, das würde ich nicht als Schwarzen Peter bezeichnen. Sondern als besondere Ehre, und als großes Stück Arbeit. Dabei gehe ich davon aus, dass man Leute für ein Ministeramt vorschlägt, die auch die entsprechenden Kompetenzen mitbringen.

"Krone": Das ist ja gerade die Frage. Was befähigt denn einen ehemaligen Musiklehrer dazu, Innenminister zu werden?
Sobotka: Ich war 18 Jahre in einer Landesregierung, habe 634 Regierungssitzungen selbst geführt, davor war ich schon auf Gemeindeebene politisch tätig. Ich habe auch sehr viele Verhandlungen mit dem Bund geführt, kenne also Abläufe und Strukturen. Und ich traue mir die Managementaufgabe zu, eine auseinanderdriftende Gesellschaft durch Wertschätzung und Kommunikation wieder zum Dialog zu führen. Ich bin aber kein Tagträumer, ich gehe auch nicht davon aus, dass es leicht werden wird. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, die Gräben und Risse zu kitten, indem wir gegenseitig um Verständnis werben.

"Krone": Aber Hand aufs Herz: War es nicht so, dass Sie das Amt nur deswegen bekommen, weil Johanna Mikl-Leitner zurück nach Niederösterreich wollte?
Sobotka: Das war sicherlich ein Grund dafür. Man hat der Hanni Mikl-Leitner in die Hand versprochen, dass sie nach drei Jahren zurückkehren kann. Daraus sind dann fünf Jahre geworden, und ihre Halbzeit in der Regierung war ein günstiger Zeitpunkt für den Wechsel. Also ist die Wahl auf mich gefallen, der Vizekanzler hat mich vorgeschlagen und den Vorschlag auch durchgebracht.

"Krone": Haben Sie auch ein Rückkehrrecht nach Niederösterreich?
Sobotka: In dieser Form nicht. Für mich ist es ein neuer Abschnitt, eine spannende Zeit, die vor mir liegt, ich habe Herausforderungen gern. Ich frage mich: Kann ich die Erwartungen erfüllen, und dann sage ich Ja oder Nein.

"Krone": Sie waren seit 2009 Vize des mächtigen Erwin Pröll und sollten eigentlich sein Nachfolger werden. Was war das für ein Moment, wo Sie plötzlich nicht mehr Kronprinz waren?
Sobotka: Kronprinzen haben in der österreichischen Geschichte immer wieder ein Schicksal erlitten, das ich wahrlich nicht anstrebe. (Lacht) Nein, es gab bei Erwin Pröll immer eine ganze Reihe von Stellvertretern, die für mögliche Positionen qualifiziert waren. Ich habe lange an seiner Seite lernen dürfen, viele Höhen und Tiefen durchgemacht und mit ihm einen guten Weg für Niederösterreich beschritten.

"Krone": Wollen Sie gerade abstreiten, dass Sie gern Landeshauptmann geworden wären?
Sobotka: Es ist jetzt nicht zur Diskussion zu stellen, was 2018 gewesen wäre. Mein Leitspruch lautet: "Wir gehen dann über die Brücke, wenn wir davorstehen." Ich entwerfe heute keine Perspektiven für die ferne Zukunft.

"Krone": Sind Sie aufgestiegen oder weggelobt worden?
Sobotka: Da würde ich unbescheidener Weise sagen: aufgestiegen.

"Krone": Woran wird man merken, dass Sie jetzt kein Landespolitiker sind?
Sobotka: Es wird manche pointierte Formulierungen von mir so nicht mehr geben.

"Krone": Sie haben dem Finanzminister angedroht, sich bei Philippi wieder zu treffen, und eine Entscheidung Ihres Parteichefs einmal "vertrottelt" genannt.
Sobotka: Trotzdem habe ich die Verhandlungen mit Hans Jörg Schelling zu Ende gebracht. In Zukunft werde ich aber die Worte mit größerer Bedachtsamkeit wählen. Dieses Amt und die Situation, in der wir uns befinden, verlangt eine große Ernsthaftigkeit.

"Krone": Werden Sie noch ab und zu den Rat Ihrer Vorgängerin einholen?
Sobotka: Die Hanni Mikl-Leitner ist seit 24 Jahren sehr, sehr eng verbunden mit mir. Also sich Rat zu holen ist eine gute Sache, besser als gleich ins erste Fettnäpfchen zu treten. (Grinst)

"Krone": Wenn Sie sie "Hanni" nennen, wie nennt Frau Mikl-Leitner dann Sie?
Sobotka: Wolfgang. Manchmal auch Wolf.

"Krone": Härter als mit den verschärften Asylgesetzen kann man in der Flüchtlingsfrage eigentlich nicht mehr agieren. Wie wird sich Wolfgang Sobotka da positionieren?
Sobotka: In der Sache trage ich die Regierungslinie nicht nur voll mit, sondern werde diese auch weiterentwickeln. Ich würde es auch nicht als Härte bezeichnen, sondern als Konsequenz. Unsere Landsleute erwarten das. Nach außen hin muss Österreich klar Haltung zeigen. Ich weiß nicht, ob Sie die Bücher der Deutsch-Türkin Necla Kelek gelesen haben. Sie hat schon vor Jahren die Permissivität der deutschen Gesellschaft beklagt. Zwangshochzeiten und Parallelgesellschaften: Es war ein Fehler, das mitten in Europa zuzulassen.

"Krone": Also sind Sie für Höchstgrenzen, einen Zaun am Brenner und schärfere Kontrollen?
Sobotka: Ich glaube, dass es all diese Konsequenzen ganz klar braucht. Ich werde am Samstag die Landeshauptleute von Südtirol und Tirol treffen, und Mittwoch nächster Woche wird es eine Grenzmanagement-Brenner-Konferenz mit allen Details geben. Transparent alle Beteiligten zu informieren und ein klares Bekenntnis zu unseren Maßnahmen zu erreichen, das ist dabei mein Ziel.

"Krone": Wird Österreich Ungarn?
Sobotka: Ein Zaun ist keine geschlossene Grenze. Aber wir stellen sicher, dass alle, die in unser Land kommen, registriert werden, dass wir ermitteln, woher sie kommen, welche Qualifikationen sie haben und wie wir sie verteilen. Solange die EU nicht in der Lage ist, ihre Schengen-Außengebiete zu sichern, ist das ein Gebot der Stunde.

"Krone": 400 Menschen sollen im Mittelmeer ertrunken sein, tut Ihnen so etwas weh?
Sobotka: Ja sehr! Da sind 400 arme Seelen auf eine falsche Fährte nach Europa gelockt worden. Wir können diese Schlepperkriminalität nur verhindern, indem wir Asylanträge in einer geordneten Art und Weise, durch ein klares Management, entgegennehmen. Weil dann machen sich diese Menschen erst gar nicht auf die gefährliche Reise.

"Krone": 90.000 Menschen haben es 2015 nach Österreich geschafft. Was passiert mit jenen, die nicht asylberechtigt sind?
Sobotka: Gerne gebe ich Ihnen ein paar Zahlen: Von 35.000 bisher abgeschlossenen Asylverfahren waren 40 Prozent positiv. 13.150 Anträge auf Asyl wurden abgelehnt. 8355 Menschen mussten unser Land bereits verlassen, 5152 davon freiwillig, 3203 zwangsweise.

"Krone": Und die restlichen 4795 tauchen unter?
Sobotka: Viele nutzen die Möglichkeit, beim Bundesverwaltungsgericht zu berufen.

"Krone": Soll man Geld zahlen, damit die Menschen zurückgehen?
Sobotka: Wir haben die größten Erfolge, wenn wir die Leute zur freiwilligen Rückführung bewegen können. Also man nimmt Geld in die Hand und schickt sie retour. Diese Initiativen soll man verstärken. Noch zielführender sind Kampagnen in den betreffenden Ländern. Dann lässt man es erst gar nicht so weit kommen.

"Krone": Würden Sie sagen, dass 90.000 Asylanträge pro Jahr ein Notstand sind?
Sobotka: Ich sehe keinen Staatsnotstand, aber es braucht Maßnahmen, damit eben kein Notstand entstehen kann. Denn wir müssen ja die Menschen, die schon da sind, auch integrieren. Und den Menschen Sicherheit garantieren. Fahren Sie einmal in Wien mit der U6. Wenn Leute am Abend eine U-Bahn-Linie meiden, dann ist das für mich ein Alarmsignal.

"Krone": Sind Sie für die derzeitige Mindestsicherung?
Sobotka: Es war für mich nie eine Frage, dass die Mindestsicherung ein wichtiges Instrument der Sozialpolitik ist. Mindestsicherung sollen alle bekommen, die es brauchen. Bei Flüchtlingen soll sie an Deutsch- und Wertekurse geknüpft sein. Ich wäre auch für Gutscheine anstelle der Barauszahlung, weil viele Mindestsicherungsbezieher das Geld in ihre Heimatländer schicken, statt es für ihre Qualifikation und Integration zu verwenden. Und ab einem gewissen Zeitpunkt sollte der Staat auch eine Gegenleistung einfordern. Das muss dann allerdings für alle Mindestsicherungsbezieher gelten. Wer Geld vom Staat bekommt, soll dem Staat auch etwas zurückgeben.

"Krone": Herr Sobotka, Sie sollen für Ihre Wutausbrüche bekannt sein, wann hatten Sie denn zuletzt einen? Und warum?
Sobotka: Mir ist jetzt keiner geläufig. (Fragt seine Pressesprecherin, die ihm Rosen streut.) Aber wenn etwas bewusst torpediert wird, kann ich schon einmal temperamentvoller oder auch unwirsch werden.

"Krone": In drei Tagen wird ein möglicher neuer Bundespräsident gewählt. Was passiert, wenn es weder der rote noch der schwarze Kandidat in die Stichwahl schafft?
Sobotka: Ich bin ein großer Optimist. Andreas Khol hat bei allen Auftritten eine sehr gute Figur gemacht, er hat die Chance, in die Stichwahl zu kommen.

"Krone": Ganz im Ernst?
Sobotka: Sonst würde ich nicht mehr für ihn laufen. 25 Prozent seiner Stimmen werden aus Niederösterreich kommen, bei einem Anteil der Bevölkerung von 20 Prozent ist das schon sehr beachtlich.

"Krone": Könnte es zu Neuwahlen kommen?
Sobotka: Ich bin kein Augur. Mein Verständnis ist es, dass die Regierung für eine Legislaturperiode gewählt ist. Also nein.

"Krone": Sie sind in zweiter Ehe verheiratet, Ihre erste Frau ist gestorben. Ist das ein Thema, über das Sie sprechen?
Sobotka: Durchaus. Meine erste Frau ist an Krebs gestorben. Damals hatte ich noch eine vierjährige Tochter und war darum sehr froh, wieder eine Frau gefunden zu haben, die einen Politiker überhaupt noch nimmt.

"Krone": Patchworkfamilie, acht Kinder. Was sind Sie für ein Vater?
Sobotka: Einer, der gerne die Zeit mit den Kindern nutzt, wenn er da ist, statt dann auch noch irgendwelche Maßnahmen zu setzen. Wir haben das klar aufgeteilt: Ich mache die Gartenarbeit, meine Frau übernimmt die Erziehungsaufgaben.

"Krone": Patriarch?
Sobotka: Gar nicht. Meine Familie ist viel zu quirlig, die würde keinen Patriarchen akzeptieren.

Zur Person:
Geboren am 5. Jänner 1956 in Waidhofen an der Ybbs, Niederösterreich. Sobotka studiert Geschichte, Violoncello und Musikpädagogik sowie Dirigieren und arbeitet als Lehrer und Stadtarchivar. 1982 beginnt er seine politische Karriere als ÖVP-Gemeinderat in Waidhofen. 1992 holt ihn Erwin Pröll in die niederösterreichische Volkspartei. 1996 bis 1998 ist er Bürgermeister von Waidhofen, dann wechselt er als Finanzlandesrat nach St. Pölten. Seit 2009 war er Landeshauptmannstellvertreter, am 21. April 2016 folgt er Johanna Mikl-Leitner als Innenminister nach. Privat ist er Hobbygärtner und Patchwork-Vater von insgesamt acht Kindern.

Video: Sobotka zum Kennenlernen bei Fischer in der Hofburg

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