"Krone"-Interview

Haben Sie’s geschafft, Frau Oberhauser?

Österreich
18.07.2015 16:30
Nach sieben Chemotherapien zieht die Gesundheitsministerin Bilanz: über ihre Freitage im AKH, Momente des Zweifelns und den Kraftplatz Facebook.

Turracher Höhe! Sabine Oberhauser lässt sich in den Sessel ihres Büros fallen und atmet tief durch. Es ist ihr letzter Arbeitstag vor einem Urlaub in Kärnten. Sieben Chemotherapien hat die an Krebs erkrankte Ministerin in den letzten vier Monaten hinter sich gebracht. "We can do it!" und "Herrin der Lage", steht auf Schildern an der Wand. Im "Krone"-Interview spricht sie über ihre Ängste und Hoffnungen.

"Krone": Frau Minister, Sie haben auf Facebook geschrieben: "Die letzte Chemo ist Geschichte, ich danke euch allen fürs Mitzittern, Beten, Kraftschicken, Aufheitern. Ihr habt mir so toll über diese Zeit geholfen." Können 5.000 virtuelle Freunde einem wirklich helfen?
Sabine Oberhauser: Ja, weil das Menschen sind, die Schritte mit einem gehen. Menschen, die vielleicht selber krank sind und dieselben Erfahrungen gemacht haben. Menschen, die mich immer wieder auch zum Lachen gebracht haben. Vor allem haben sie mir eines klargemacht: Ich bin nicht allein mit meinem Schicksal. Wenn einen die Diagnose Krebs trifft, dann denkt man im ersten Moment: Warum trifft das gerade mich? Was habe ich falsch gemacht? Aber dann merkt man: Es geht ganz vielen Menschen genauso.

"Krone": Sie sind sehr offensiv mit der Krankheit umgegangen. Motto: Man kann sich auch mit Glatze zeigen lassen und man kann weiterarbeiten wie bisher. Glauben Sie nicht, dass das bei vielen Krebspatienten einen Druck aufgebaut hat?
Oberhauser: Das hoffe ich nicht. Eine Kollegin von der Krebshilfe meinte, dass viele Frauen sich Sorgen machen wegen des Haarverlustes bei einer Chemotherapie und dass mein Umgang damit etwas ins Rollen gebracht habe. Was das Weiterarbeiten betrifft, ist meine Position aber sehr isoliert, nicht vergleichbar mit vielen anderen Berufen. Mir haben viele Menschen geschrieben, dass sie sich einen Wiedereinstieg in den Beruf wünschen, bei dem sie weniger Leistung bringen müssen. Wir diskutieren die Frage des Teilzeitkrankenstandes gerade mit den Sozialpartnern.

"Krone": Fühlen Sie sich jetzt viel stärker oder viel schwächer als vor der Chemotherapie?
Oberhauser: Ich denke mir, dass es jetzt nichts mehr gibt, was mich noch mehr schwächen kann, denn es ist vorbei. Insofern fühle ich mich stark.

"Krone": Haben Sie es geschafft?
Oberhauser: Die Blutwerte sind gut. Ich will es nicht verschreien. Aber was menschenmöglich ist, habe ich getan. Den Rest entscheidet das Schicksal.

"Krone": Was waren die schlimmsten Momente während der letzten vier Monate?
Oberhauser: Das waren meine Freitage im AKH, ich habe diesen Tag sehr bewusst ausgesucht, weil ich dann am Wochenende Zeit hatte, mich zu erholen. Ich war wie erschlagen und habe nur geschlafen. Dazu kommt die Übelkeit. Alles schmeckt irgendwie nach Seifenlauge. Aber das sind alles Dinge, die man aushalten kann.

"Krone": Was war schwer auszuhalten?
Oberhauser: Die Müdigkeit, das Nasenbluten, das Zahnfleischbluten. Zu sehen, wie begrenzt die eigene Leistungsfähigkeit ist.

"Krone": Haben Sie nie die Kräfte verlassen?
Oberhauser: Oh doch, oft habe ich gesagt: Ich will nicht mehr. Aber dann hat mein Mann gemeint: Das machen wir jetzt auch noch! Mein Mann hat mich einst nach einem Feuerunfall auf einem Campingplatz gesund gepflegt. Er steht auch das mit mir durch.

"Krone": Sie strahlen sehr viel Optimismus aus und sind bekannt für Ihr Lachen. Woher nehmen Sie diese Energie?
Oberhauser: Von meinen Morgenspaziergängen mit meinem Hund "Felix". Eineinhalb Stunden, zwischen fünf und acht Kilometer. Da steckt sehr viel Disziplin dahinter. Meine Stärke war es immer, mich an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel zu ziehen. Aber dann hatte ich plötzlich keine Haare mehr. Und postete folgenden Spruch: Bei Bewusstlosigkeit bitte über die Ziellinie ziehen!

"Krone": In Ihre Fotos auf Facebook haben die Menschen sehr viel hineininterpretiert: Hoffnung in den Sonnenaufgang, Leid in dunkle Wolken. Verstärkt die Natur bei Ihnen Stimmungen?
Oberhauser: Für mich hat jede Stimmung ihren Reiz. Ich mag es, wenn Nebel über dem Wasser aufzieht, das hat für mich nichts Melancholisches. Im Gegenteil. Wenn ich in der Natur bin, macht mich das ganz froh. Bei diesen Spaziergängen denke ich auch über sehr vieles nach.

"Krone": Bei unserem letzten Interview haben Sie erklärt, dass der Tumor bei Ihnen kein Wohnrecht bekomme, dass die Chemo ihn wegputzen werde. Haben Sie Angst, dass er wieder einmal anklopfen könnte?
Oberhauser: Ja. Diese Furcht ist natürlich da. Ich sage deshalb gar nicht gerne, dass das meine letzten Chemotherapien waren. Weil dann im Hinterkopf sofort der Gedanke auftaucht, dass der Tumor wiederkommen könnte.

"Krone": Wäre das ein schwerer Rückschlag für Sie?
Oberhauser: Wenn das der Fall sein sollte, muss ich mich eben wieder neu damit auseinandersetzen.

"Krone": Wie sieht die weitere Therapie jetzt aus?
Oberhauser: Regelmäßige Kontrollen. Bis April nächsten Jahres werde ich noch jeden dritten Freitag im AKH sein und mir Infusionen holen. Und ich horche in mich hinein, ob ich mich schwächer fühle, ob sich etwas verändert.

"Krone": Werden Sie eigentlich Ihre Glatze vermissen?
Oberhauser: Ja. Aber ich freue mich jetzt auch auf meine Haare und dass mir nicht mehr kalt sein wird am Kopf. Ich wollte immer Locken. Aber bis jetzt habe ich nur ein paar graue Stoppeln entdeckt.

"Krone": Woran soll man sich in 50 Jahren erinnern, wenn der Name Sabine Oberhauser fällt?
Oberhauser: (denkt kurz nach) An mein Lachen und an eine integere Person...

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele