Für „Normalos“ eh egal

Fragen und Antworten zum EU-Verbrenner-Aus-Aus

Motor
18.12.2025 06:10

Die EU will dem Verbrenner in Neuwagen ein Weiterleben nach 2035 ermöglichen. Knüpft das aber an Bedingungen und weitere Pläne zur CO2-Reduzierung, etwa für Firmenflotten. Die wichtigsten Punkte in der Übersicht.

Ist das Verbrenner-Aus nun vom Tisch?
Zunächst einmal handelt es sich bei den EU-Plänen nur um Vorschläge. Diese müssen noch von den Mitgliedsstaaten angenommen werden – und dafür sind wohl noch längere und – angesichts der ersten Reaktionen aus der deutschen Autoindustrie – komplizierte Verhandlungen nötig, in deren Verlauf sich noch Details oder wichtige Punkte ändern könnten. Auch ein komplettes Scheitern der Vorschläge ist möglich, dann bliebe es beim bisher geplanten „Verbrenner-Verbot“. Werden sie angenommen, weicht der Bann allerdings auf: Auch nach 2035 könnten dann noch Neuwagen als Benziner, Diesel und in sämtlichen Hybrid-Spielarten verkauft werden.

Welche Verbrenner dürften nach 2035 noch verkauft werden?
Die EU-Kommission spricht explizit von allen aktuell gängigen Varianten: „Plug-in-Hybride, Range Extender, Mild-Hybride und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor“. Der Hebel der Regulation ist auch kein technischer, sondern er läuft über den CO2-Ausstoß. Dürfen die in der EU verkauften Neuwagen jedes Herstellers nach aktuellem Stand ab 2035 gar kein CO2 mehr ausstoßen, darf nach den neuen Plänen zumindest ein Teil weiterhin Klimagase in die Luft pusten. Anstelle der 100-prozentigen Reduzierung ist auf Flottenebene nur noch eine 90-prozentige nötig, die Differenz soll in der Gesamt-Klimabilanz der Branche durch die Verwendung von grünem Stahl und synthetischem Sprit ausgeglichen werden. Wie das genau funktionieren soll und bilanziell gerechnet wird, ist allerdings noch vollkommen offen. 

Was heißt das konkret für den deutschen Autokäufer?
Im Detail lassen die Pläne noch viele Fragen offen. Klar ist aber, dass Verbrenner nur eine Minderheit an den Pkw-Neuzulassungen stellen können. Weil die Zahl der möglichen Benziner- und Diesel-Verkäufe beschränkt ist, wird die Industrie wohl auf Angebotsseite strategisch vorgehen – und ihr CO2-Budget im kaufkräftigen Westen der Union vor allem für margenstarke Luxus-Sportwagen einsetzen. Im Osten, wo die E-Auto-Infrastruktur zumindest aktuell noch hinterherhinkt und die Autokauf-Budgets kleiner sind, könnten auch größere Mengen an Volumenfahrzeugen mit Benzinantrieb erhältlich bleiben. Für den Normalo-Autofahrer hierzulande wäre es demnach vergleichsweise egal, ob das „Verbrennerverbot“ bleibt oder aufgeweicht wird.

Wie sollen E-Autos günstiger werden?
Um den Einstieg in der E-Mobilität zu erleichtern, soll eine neue Fahrzeugklasse etabliert werden. Bei diesen „M1e“- oder „Kei Car“-Autos soll es sich um Fahrzeuge mit einer Länge von maximal 4,20 Metern handeln – also mehr oder weniger klassische Kleinwagen. Kostenvorteile sollen offenbar vor allem durch laxere Vorgaben bei der Sicherheitsausstattung entstehen – beispielsweise durch ein Festschreiben aktueller Standards für einen längeren Zeitraum. Aber auch hier gilt: Details sind weitgehend noch unklar. 

Was ist mit E-Fuels?
Das EU-Paket sieht vor, „fortschrittliche“ Biokraftstoffe und E-Fuels zu fördern. Dass der Designer-Sprit eine große Rolle im europäischen Pkw-Verkehr spielen wird, bleibt mangels Verfügbarkeit, Kosten und Problemen bei der Sicherstellung der Nachhaltigkeit seiner Ausgangsprodukte zweifelhaft. Die von der deutschen FDP vor einigen Jahren ins Spiel gebrachten „E-Fuel-Only“-Autos („CNF-Fahrzeuge“) spielen in den Vorschlägen keine Rolle mehr – wohl auch, weil eine sinnvolle und betrugssichere technische Umsetzung nur schwer möglich wäre.

Was ist für gewerbliche Fahrzeuge vorgesehen?
Als eine Art Gegengewicht zu den generellen CO2-Vorgaben für Verbrenner, die den E-Auto-Hochlauf tendenziell ausbremsen könnten, plant die EU E-Auto-Quoten für große Dienstwagenflotten. Je nach Wirtschaftskraft des Marktes sollen sie unterschiedlich hoch ausfallen. 

Welche Auswirkungen hat die Dienstwagen-Regulierung für Privatkunden?
Aus neuen Dienstwagen werden nach zwei bis drei Jahren günstigere Gebrauchtwagen. Die Kommission setzt darauf, dass so das E-Auto auch den Privatmarkt erobert. Nicht ganz unwahrscheinlich, denn in Europa werden fast zwei von drei Neuwagen von Gewerbekunden gekauft. Sind sie fast nur noch elektrisch, wird auch das Angebot für hochwertigere Fahrzeuge aus zweiter Hand schnell fast komplett elektrisch. Verbrenner würden dann möglicherweise bald nur noch beim „Fähnchenhändler“ zu haben sein. 

Wie reagiert die deutsche Autoindustrie auf die Pläne?
Der Branchenverband VDA ist nicht nur „enttäuscht“, sondern nennt das Gesamtpaket sogar „fatal“. Die dort postulierte Technologieoffenheit sei nicht mehr als ein Lippenbekenntnis, heißt es in einem Statement von Verbandspräsidentin Hildegard Müller. Was nach mehr Offenheit aussehe, sei mit so vielfältigen Hürden versehen, dass es drohe in der Praxis wirkungslos zu bleiben. Dabei kritisiert Müller neben einem Zuwachs an Bürokratie besonders, dass die Autoindustrie bei der CO2-Reduzierung an Bedingungen gebunden werden, die sie selbst nicht beeinflussen kann.

Weder die Verfügbarkeit von grünem Stahl noch von grünem Kraftstoff ist aus ihrer Sicht mittelfristig sicher und planbar. Die E-Autoquoten für Flotten nennt Müller „völlig realitätsfremd“. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss der Verband noch auf den Fortgang der Diskussionen und ihr Ergebnis nehmen kann. Mit den bisherigen Vorschlägen zufrieden ist man in der Berliner Branchenvertretung auf jeden Fall nicht. 

Möchte die Autoindustrie prinzipiell beim Verbrenner bleiben?
Nein, die großen Hersteller haben bereits viel Geld in die Umstellung investiert. Die Aussicht, die Verbrenner-Produktion noch eine Weile weiter laufen zu lassen, dürfte in manchen Fällen vielleicht einen gewissen Charme haben. Aber längst nicht für alle. Zu den öffentlich prominent auftretenden Unterstützern der E-Mobilität zählt etwa Michael Lohscheller, deutscher Chef des schwedisch-chinesischen E-Autoherstellers Polestar. 

Der ehemalige Opel-Chef war schon vor den Veröffentlichungen der EU-Pläne gegen eine Aufweichung der CO2-Pläne: „Ein 2035 gebautes Auto mit Verbrennungsmotor könnte auch zwanzig Jahre später noch die Umwelt verschmutzen. Die Abkehr von einem klaren 100-prozentigen Null-Emissions-Ziel hin zu einem 90-prozentigen Ziel mag gering erscheinen, aber wenn wir jetzt einen Rückzieher machen, schaden wir nicht nur dem Klima. Wir schaden auch der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Die Elektrifizierung wird in den kommenden Jahrzehnten für langfristigen Wohlstand und Arbeitsplätze sorgen. Eine Kehrtwende würde das Gegenteil bewirken.“ 

Was sagen die Umweltverbände?
Auch die sind unzufrieden. Die Kehrtwende beim CO2-Ziel für 2035 sende ein verwirrendes Signal an die europäische Automobilindustrie und die Verbraucher, so der europäische Umweltschutz-Dachverband „Transport & Environment“, der weitere Verzögerungen beim Hochlauf der E-Mobilität befürchtet. Die Entscheidung wird seiner Einschätzung nach Investitionen von der E-Mobilität abziehen, obwohl europäische Hersteller dringenden Aufholbedarf gegenüber chinesischen Herstellern haben. Die Elektrifizierungsziele für Flotten begrüßt der Verband jedoch. Insgesamt herrschen Befürchtungen vor, dass die Kommission mit der Rücknahme des 100-Prozent-Ziels „Pandoras Büchse“ geöffnet hat – und die Befürworter einer noch weitergehenden Aufweichung nun Morgenluft wittern.

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