Die Datenschutzorganisation Noyb hat am Dienstag bei der österreichischen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen das auf Gesichtserkennung spezialisierte US-Unternehmen Clearview AI eingereicht. Grund dafür ist eine aufgebaute Datenbank mit Milliarden von Bildern von Menschen aus dem Netz, die seit Jahren an Strafverfolgungsbehörden und andere staatliche Akteure verkauft werden.
Dies verstoße gegen die Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO), so Noyb. „Gesichtserkennung ist extrem invasiv“, sagte Noyb-Gründer Max Schrems. „Sie ermöglicht die Massenüberwachung und sofortige Identifizierung von Millionen Menschen“, so der Datenschutzaktivist weiter. Clearview AI habe eine globale Datenbank mit Fotos und Biometriedaten von völlig unschuldigen Personen aufgebaut. „Diese Technologie untergräbt die Idee einer freien Gesellschaft, in der Überwachung Ausnahme statt die Regel ist.“
Clearview AI gibt selbst an, schon mehr als 60 Milliarden Bilder gesammelt zu haben. Kunden laden ein Bild hoch und erhalten dann weitere Bilder derselben Person – einschließlich Links zu Quellen, den Namen der entsprechenden Subseite einer Website und andere Metadaten.
„Spuckt Behörden ins Gesicht“
Nach Angaben von Noyb haben bereits EU-Datenschutzbehörden aus Frankreich, Griechenland, Italien und den Niederlanden Geldstrafen in der Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro gegen das US-Unternehmen verhängt – „wegen illegalen Praktiken“. Auch in Österreich seien mehrere Verarbeitungsverbote ausgesprochen worden.
Allerdings: „Clearview scheint die Grundrechte der EU einfach zu ignorieren und spuckt den Behörden ins Gesicht“, sagte Schrems weiter. Einzig im Vereinigten Königreich habe das US-Unternehmen Berufung gegen die Entscheidung und Geldstrafe der Datenschutzbehörde ICO eingelegt. Eine finale Gerichtsentscheidung stehe noch aus. „Bis heute haben die EU-Datenschutzbehörden keine Möglichkeit gefunden, ihre Geldstrafen und Verbote gegen das US-Unternehmen durchzusetzen“, beklagt Noyb. So werde geltendes Recht ignoriert.
Maßnahmen gegen Führungskräfte möglich
Noyb weist aber auch darauf hin, dass sich das EU-Recht nicht auf Verwaltungsstrafen unter der DSGVO beschränkt. Die EU-Mitgliedstaaten könnten laut Artikel 84 der EU-Grundverordnung auch strafrechtliche Sanktionen in Betracht ziehen. „Österreich hat eine solche Bestimmung für bestimmte Verstöße gegen die DSGVO in § 63 des nationalen Datenschutzgesetzes verankert“, erklärt der Verein.
„Im Gegensatz zu DSGVO-Verstößen sind im Falle von strafrechtlichen Verstößen auch Maßnahmen gegen Führungskräfte möglich. Außerdem kann das gesamte Spektrum strafrechtlicher Verfahren samt EU-weiter Maßnahmen angewandt werden.“
Die Strafanzeige bei der österreichischen Staatsanwaltschaft könnte „relevante“ Führungskräfte von Clearview AI im Erfolgsfall persönlich haftbar machen und zu Freiheitsstrafen führen. Dies gelte „insbesondere, wenn sie nach Europa reisen“, schreibt Noyb. Schrems: „Wir betreiben grenzüberschreitende Strafverfahren wegen gestohlener Fahrräder. Wir gehen daher davon aus, dass die Staatsanwaltschaft tätig wird, wenn die personenbezogenen Daten von Milliarden von Menschen gestohlen wurden.“
Durch „New York Times“-Artikel bekannt geworden
Ursprünglich hatte Clearview AI versucht, weitgehend unbemerkt zu agieren. Im Jänner 2020 wurde das Unternehmen aber durch einen Artikel der „New York Times“ bekannt. Daraus ging hervor, dass das Unternehmen in den USA bereits mit Behörden wie dem FBI und dem Heimatschutzministerium zusammenarbeitet. Der Gründer Hoan Ton-That räumte damals gegenüber der Zeitung ein, dass Clearview AI mit dem Sammeln von Nutzerfotos gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook und anderen Online-Netzwerken verstößt.
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