Bond-Flair in Matera, Sundowner in Polignano, Märchenarchitektur in Alberobello und ehrliche Begegnungen in Tricarico: Zwischen Apulien und Basilikata zeigt sich Italien in all seinen Facetten.
Wenn in Matera die Sonne langsam untergeht und sich das Licht golden auf die Sassi – so nennt man hier die uralten Felsenwohnungen – legt, beginnt eine der romantischsten Stunden Italiens. Ich spaziere durch das Viertel Sasso Caveoso, über grobes Kopfsteinpflaster, vorbei an bröckelnden Mauern, aus denen Licht dringt. Ein Gitarrist spielt am Rand der Piazza San Pietro Caveoso, und irgendwo lacht ein junges Paar, das sich auf die Stufen gesetzt hat. Es riecht nach warmem Brot und ein wenig nach Mystik.
Matera ist eine der ältesten dauerhaft besiedelten Städte Europas. Gefundene Besiedlungsspuren reichen bis ins 10. Jahrtausend v. Chr. zurück. Die Stadt liegt in einer Schlucht entlang der Gravina und wurde über Wasserzisternen wie den „Palombaro Lungo“ unter der Piazza Vittorio Veneto mit Wasser versorgt. Heute prägen urige Restaurants und Hotels mit typischen Felsgewölben das Stadtbild – viele davon in ehemaligen Höhlen. Wer anreist: Von Bari fahren Busse und Züge direkt in die Sassi.
Die Höhlenstadt in der Basilikata ist UNESCO-Weltkulturerbe, und das schon seit 1993. Bei Nacht verwandelt sie sich in ein einziges Lichtermeer. Sie zählt zu den ältesten durchgehend bewohnten Orten der Welt. Menschen lebten hier schon in der Jungsteinzeit – in Höhlen, die heute zu schicken Boutique- und Designhotels umgebaut wurden. Zum Beispiel im Sextantio Le Grotte della Civita, wo das Frühstück in einer ehemaligen Kapelle serviert wird. Mehr „autentico“ geht nicht.
Wo die Felsen enden, beginnt das Klare Blau
Weiter geht’s nach Polignano a Mare, den Supermodel-Ort Apuliens. Oben die Altstadt auf Felsen, darunter das türkisgrüne Wasser der Adria. Wer über die Brücke der Via Traiana schaut, erkennt rasch, warum Instagram den Ort liebt. Aber Polignano ist mehr als ein hübsches Gesicht. In der Altstadt gibt es den Vicolo della Poesia – eine Gasse, in der Verse und Zitate auf Stufen und Wänden prangen. Kleine Botschaften über das Leben und die Liebe, die man beim Schlendern entdeckt.
Das passt, denn schließlich stammt Domenico Modugno (1928-1994) von hier, der mit „Volare“ Musikgeschichte schrieb. Und „fliegen“ kann man in Polignano noch immer – zumindest wer den Mut zu einem Klippensprung ins Meer hat. Oder man schaut lieber zu, mit Aperol Spritz in der Hand, etwa in der Fly Lounge Bar, wo der Sonnenuntergang wie ein Dessert serviert wird.
Polignano a Mare gilt als eine der schönsten Küstenstädte Apuliens. Die Altstadt liegt spektakulär auf 20 bis 25 Meter hohen Kalkklippen und ist über das mittelalterliche Stadttor Arco Marchesale erreichbar. In den Gassen findet man nicht nur Panoramablicke. Kulinarisch bekannt ist Polignano auch für sein cremiges Espresso-Eis beim Traditionscafé „Il Super Mago del Gelo“. Unterhalb der Altstadt liegen zudem zahlreiche Meereshöhlen, die bei Bootstouren zugänglich sind. Anreise: Mit dem Regionalzug ab dem Hauptbahnhof von Bari in 35 Minuten – Bahnhofsnähe zur Altstadt inklusive.
Der berühmte Cala Porto ist jener kleine Kiesstrand im Herzen der Stadt, eingerahmt von hohen Klippen und Altstadtbalkonen – ein echtes Postkartenmotiv. Das merkt man auch: tagsüber Handtuch an Handtuch und Stimmengewirr in allen Sprachen. Schön? Ja. Entspannt? Eher weniger.
Wer es entspannter mag, sollte sich Richtung Süden aufmachen: zum Spiaggia di Lamaforca nahe dem alten Wachturm Torre Pozzella. Dort verstecken sich mehrere kleine abgeschiedene Buchten, oft nur über Trampelpfade erreichbar. Kaum Menschen, glasklares Wasser, Felsen und kleine Sandstrände, auf denen man Handtuch und Gedanken ausbreiten kann. Die Stimmung? 100 Prozent „estate italiana“, italienischer Sommer pur.
Alberobello beherbergt über 1000 Trulli – trogartige Rundhäuser mit konischen steinernen Dächern. Sie wurden ursprünglich ohne Mörtel gebaut, um bei Steuerkontrollen schnell abgebaut werden zu können. Viele Dächer sind mit weißen Symbolen bemalt: christliche Zeichen, Herzen, Sonnen oder magische Symbole, die Schutz bringen oder Glück anziehen sollen. Der bekannteste Bau, der zweistöckige Trullo Sovrano, ist heute das Stadtmuseum.
Wer nach dem Schwimmen nicht gleich wieder zurück ins Auto will, bleibt einfach und schlendert zur nahe gelegenen „FraMari Nature & Beachbar“. Auf Felsplatten stehen Liegestühle, aus den Lautsprechern chillt Musik, und der hausgemachte Mojito kommt mit Minze aus dem Garten. Kein Filter nötig. Nur Sonneund Zeit.
Alberobello wirkt auf den ersten Blick ein wenig wie eine Filmkulisse von „Der Hobbit“. Hunderte weiß gekalkte Trulli, runde Häuser mit kegelförmigen Dächern, stehen dort eng aneinandergeschmiegt. Der Legende nach wurden sie gebaut, um steuerlich als temporäre Bauten zu gelten – schnell abbaubar, um der Grundsteuer zu entgehen. Clever, oder wie man hier sagt: „furbo“.
So wie überall in Süditalien sieht man sie auch hier an vielen Ecken: Pumi – jene kleinen Glücksknospen aus Ton oder Porzellan, die aussehen wie eine Mischung aus Artischocke und geschlossener Rose. Sie stehen auf Balkonen, Türmchen und Türpfosten – und ganz besonders in Souvenirgeschäften. „Den hier kauf ich für meine Schwiegermutter“, höre ich einen Deutsch-Italiener neben mir. Ich grinse, denke erst an Touri-Kitsch. Er merkt es und winkt ab: „Nein, das ist bei uns Tradition.“
Vom Besuchertrubel ins stille Herz der Basilikata
Fernab vom Trubel liegt Tricarico, hoch oben in der Lucania, wie die Basilikata historisch genannt wird. Die engen Gassen des 4000-Seelen-Orts sind das Gegenteil von laut und sprechen eine ganz eigene Sprache. Zu Ferragosto, dem italienischen Mariä Himmelfahrt, findet auf der Piazza Garibaldi ein zweitägiges Fest statt. In der Luft liegen Musik und Gelächter. Während sich Kinder um Eis streiten, sitzen die Dorfältesten auf Steinbänken und mustern mich Fremden neugierig, fast skeptisch.
Idealer Ausgangspunkt für eine Rundreise durch Apulien und die Basilikata ist der Flughafen Bari (BRI). Von Wien und Salzburg aus gibt es in der Hauptsaison (April bis Oktober) Direktflüge – unter anderem Austrian Airlines, Ryanair und Wizz Air. Alternativ: Brindisi, etwas weiter südlich, ebenfalls gut angebunden. Für die Weiterreise empfiehlt sich vor Ort ein Mietwagen, um neben größeren Städten auch abgelegenere Strände oder kleine Ortschaften wie Tricarico besuchen zu können.
ALLGEMEINE AUSKÜNFTE:
Italienische Zentrale für Tourismus ENIT:
www.enit.it, www.talia.it/en
Plötzlich steht einer von ihnen auf, kommt zu mir rüber und sagt einfach: „Birra?“ – Bier? Ich nicke. Er holt zwei Flaschen, reicht mir eine und prostet mir zu. Auch die anderen winken, lachen, nicken. Die Skepsis ist verflogen. Und in genau diesem Moment, mit einem kalten Bier in der Hand und Lichterketten über dem Kopf, weiß ich: Man reist vielleicht wegen der schönen Orte, doch bleiben will man am Ende wegen der Menschen.
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