Im Café Gutmut arbeiten gehörlose und hörende Menschen miteinander. Eine von drei gehörlosen Mitarbeitern ist Selina, die von ihrer abwechslungsreichen Tätigkeit, lustigen Missverständnissen und ihren Zukunftsplänen berichtet. Tauchen Sie außerdem in die Welt der Gebärden ein und lernen Sie einfache Wörter.
Wer in der Linzer Bischofstraße das Café Gutmut betritt, wird auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches erkennen. Die Besucher erwarten köstliche Kuchen und – natürlich – diverse Kaffeespezialitäten. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, dass hier gehörlose und hörende Menschen gemeinsam arbeiten. Auch Kunden bestellen mit Worten oder Gebärden.
Das erste österreichische Gebärdensprachcafé (eine Initiative des Konvents der Barmherzigen Brüder Linz, unterstützt vom AMS) zeigt, dass sich soziale Verantwortung und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen.
Das Arbeiten in einem solchen besonderen Betrieb macht noch dazu jede Menge Spaß, wie die 21-jährige Selina – eine von drei gehörlosen Mitarbeitern – bestätigt. Im Ausbildungsjahr lernen die gehörlosen Mitarbeiter alles, was es für die Gastronomie braucht: „Vom Servieren über Kassieren bis hin zur Zubereitung bekannter Kaffeespezialitäten. Ein Baristakurs darf dabei natürlich nicht fehlen“, erzählt Selina. Sie lebt im Mühlviertel und hat nach ihrer Ausbildung zur Köchin bewusst diesen neuen Weg eingeschlagen.
Ihr Lieblingsplatz ist an der Kaffeemaschine
„Am Anfang war ich nervös“, erinnert sie sich. „Aber gleichzeitig voll motiviert. Es hat einfach Spaß gemacht, alles zu lernen.“ Inzwischen steht sie als Profi hinter dem Tresen, bereitet Cappuccino, Chai Latte mit Hafermilch oder köstlichen Matcha zu und unterhält sich mit Stammgästen. „Mein Lieblingsplatz ist aber an der Kaffeemaschine, dort bin ich ganz in meinem Element“, so Selina.
Die Stammgäste kennt sie schon gut, findet es aber auch schön, dass viel Laufkundschaft ins „Gutmut“ kommt. „Manche wollen gleich wissen, wie man ,Kaffee’ in Gebärdensprache zeigt. Das freut mich dann richtig.“ Über die Frage, was sie hier selbst besonders gerne isst und trinkt, muss sie nicht lange nachdenken: „Den Cheesecake mit Himbeeren und den Zitronenkuchen.“ Ihre Augen strahlen und dann gebärdet sie ihr Lieblingsgetränk: Matcha.
Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine eigenständige Sprache mit eigener Grammatik, eigenem Satzbau und umfangreichem Wortschatz. Sie wurde 2005 in der österreichischen Bundesverfassung offiziell anerkannt. Innerhalb Österreichs gibt es – ähnlich wie bei gesprochenen Sprachen – regionale Unterschiede: In den Bundesländern existieren Dialekte der ÖGS, das heißt, bestimmte Gebärden unterscheiden sich je nach Region, wobei die Verständigung trotzdem meist möglich bleibt. Im Vergleich zur Deutschen Gebärdensprache (DGS) gibt es viele Unterschiede. Obwohl beide Sprachen zur Familie der deutschsprachigen Gebärdensprachen gehören und teilweise ähnliche Wurzeln haben, variieren Vokabular, Grammatik und Ausdrucksweise mitunter stark.
Viele Gäste versuchen selbst zu gebärden
Die Arbeit im Team beschreibt sie als offen, lustig und sehr unterstützend. Besonders schön sei es, wenn gerade mehrere gehörlose Kollegen im Dienst sind: „Dann wird viel gebärdet und die meisten Gäste machen einfach mit.“ Wer Gebärdensprache ausprobieren will, findet im Kasten unten ein paar einfache Wörter.
Gibt es eigentlich Missverständnisse? „Klar passieren die. Aber wir lachen dann meistens gemeinsam darüber – Kollegen wie Gäste.“ Die Kunden wissen zudem zu schätzen, dass es im Café Gutmut um mehr als Kaffee geht – nämlich auch um Teilhabe, Selbstvertrauen und Perspektiven. „Als ich zum ersten Mal hier war, wusste ich nichts von der Besonderheit des Lokals, aber ich mochte es von Anfang an. Cappuccino mit Hafermilch kann ich mittlerweile sogar gebärden“, freut sich Claudia K., die immer wieder zum Lesen, Arbeiten oder Tratschen hierher kommt.
Gebärdensprache ist alles andere als leicht. Aber ein paar Begriffe sind für jeden zu schaffen, wenn man sich bemüht und gerne Neues lernt:
Ein Ort gelebter Inklusion
„Das Café Gutmut ist ein Ort für Begegnung, gelebte Inklusion [Anmerkung: alle Menschen gehören von Anfang an gleichberechtigt dazu] und gegenseitiges Lernen. Wir möchten zeigen, dass Qualität, Gastfreundschaft und Gebärdensprache ein selbstverständliches Miteinander bilden können und Menschen in ihrem Lebensmut gestärkt werden“, so Mag. (FH) Stefanie Breiteneder, Leiterin des Gesundheitszentrums für Gehörlose und Menschen mit Hörbeeinträchtigung der Barmherzigen Brüder Linz.
Montags ist das Café geschlossen – dann wird nicht serviert, sondern gelernt, etwa gastronomisches Fachwissen oder Arbeitsorganisation. Ziel ist es, danach langfristig im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Selina weiß, wo es für sie hingehen soll: „Ich möchte später gerne in der Lebenswelt Schenkenfelden als Betreuerin arbeiten.“ Die Lebenswelt Schenkenfelden bietet mit ihrer „Arbeits- und Wohnwelt“ gehörlosen und taubblinden Menschen mit mehrfachen Behinderungen eine entwicklungsorientierte therapeutische Gemeinschaft. Ihre Zeit im Café sieht Selina als Schritt dorthin.
Was möchte sie anderen Menschen noch mitgeben? „Mutig zu sein“, sagt Selina. Mut haben, etwas Neues zu probieren. Mut, sich selbst etwas zuzutrauen. Und Mut, sich anderen mitzuteilen, auch wenn nicht alle dieselbe Sprache sprechen.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.