Leichte Verbesserungen, aber keine großen Erfolge: In der Steiermark bleibt die Kinderbetreuung vor allem am Land und an Randzeiten eine Herausforderung, wie der neue Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer zeigt. Die Leidtragenden sind Familien und die Wirtschaft.
Die Zahlen sind das eine. Die Schicksale und Tränen von verzweifelten Eltern das andere. Bernadette Pöcheim, Frauen-Referatsleiterin bei der Arbeiterkammer Steiermark, und Cordula Schlamadinger von der Kinderdrehscheibe können davon ein Lied singen. „Wir haben Frauen, die ihren Job kündigen, weil sie keine Betreuung für ihr Kind finden, und dann von Sozialhilfe leben müssen, und Eltern, die ihr Kind plötzlich nach zwei Jahren aus dem Kindergarten nehmen müssen, weil sie ein zweites Kind bekommen und nicht mehr erwerbstätig sind.“
Die Realität der Kinderbetreuung stellen sich viele Jungeltern anders vor, sagt Pöcheim. „Viele entscheiden sich deswegen gegen ein zweites Kind.“ Erst am Montag veröffentlichte die Statistik Austria den Beweis dafür: Mit 1,28 Kindern pro Frau ist die steirische Geburtenrate auf einem historischen Tief.
Neuer Betreuungsatlas zeigt Veränderungen
Die Arbeiterkammer hat am Dienstag ebenso neue Zahlen vorgestellt – den Kinderbetreuungsatlas 2025. Seit 2014 erhebt man die Qualität der Kinderbetreuung im Bundesland. Dabei wird jede Gemeinde kategorisiert (siehe Grafik). Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.
Hat sich das Angebot verbessert?
Ja und nein. 72 Gemeinden (25,3 Prozent) fallen heuer in die Kategorie 1A, 2024 waren es 73. Nur in diesen Gemeinden ist es möglich, dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten. Mehr als die Hälfte der steirischen Kommunen, nämlich 154, fallen in die Kategorie A. In 15 Gemeinden gibt es noch immer gar keine Betreuung für unter 3-Jährige (2024: 19), in 42 Gemeinden hat der Kindergarten nur halbtags offen. „Weil dort viele Eltern auspendeln, geht sich nicht einmal eine Teilzeitarbeit aus“, sagt Bernadette Pöcheim. Während 13 Gemeinden aufgewertet wurden, stürzten 14 ab. „Das hängt mit Schließzeiten zusammen, weil die Träger mit Personalmangel zu kämpfen haben.“
Was ändert sich bei Betreuungsformen?
Die Zahl der Gemeinden mit Kinderkrippen wächst kontinuierlich und liegt jetzt bei 182. Tageseltern nehmen ab, dafür nehmen Gemeindetageseltern zu. „Das ist für kleine Kommunen eine gute Möglichkeit“, sagt Pöcheim.
Gibt es genügend Kapazitäten?
Das erhebt die Arbeiterkammer nicht. In den Beratungen sehe man aber täglich Familien, die keinen Platz bekommen. Ein Grund dafür ist, dass jedes Jahr fast 1600 Plätze wegfallen, weil die Gruppen bis 2027 auf 20 Kinder gesenkt werden, um die Qualität zu verbessern. Dazu kamen 2025 aber nur 713 Plätze (31 Gruppen). „In Städten mit Zuzug – wie Graz – führt das zu großen Problemen.“
Was fordert die AK?
Einen „Masterplan“ des Landes mit konkreter Bedarfserhebung und einen Rechtsanspruch für jedes Kind, sagt AK-Präsident Josef Pesserl: „Wenn Eltern ihren Job aufgeben, ist das für die Familie, ihre Pension und für die Unternehmen eine Katastrophe.“
Was sagen die Arbeitgeber?
Nicht nur die Arbeiterkammer, auch die steirische Industriellenvereinigung sieht die mangelnde Kinderbetreuung als Problem. „In der Steiermark wird die Familiengründung erschwert“, sagt Hella Riedl-Rabensteiner, Co-Vorsitzende der Jungen Industrie. „Kinderbetreuung ist eine kluge Investition in die Zukunft. Jeder investierte Euro in der Elementarpädagogik kommt achtfach zurück.“
Was sagt die Politik?
Die Oppositionsparteien im Landtag fordern die Regierung zum Handeln auf. „Weniger als 40 Prozent der Kinderkrippen- und Kindergartengruppen im ländlichen Raum sind ganztägig. Chancengleichheit darf keine Frage der Postleitzahl sein!“, kritisiert Veronika Nitsche, Bildungssprecherin der Grünen. „Ich erwarte mir ein klares Bekenntnis von Blau-Schwarz, dass weiter in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert wird“, sagt SPÖ-Chef Max Lercher.
KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler: „Wir brauchen endlich eine Gesamtstrategie mit klaren Zielen, verbindlichen Standards und ausreichender Finanzierung, damit Kinderbildung nicht vom Wohnort oder Einkommen der Eltern abhängt.“ Philipp Pointner von den Grazer Neos fordert , dass die Stadt 20 Millionen Euro an Bundesgeldern „für den Ausbau der Grazer Kinderkrippen und Kindergärten verwendet“.
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