Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (69) erwartet keine baldige Deeskalation des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Ganz im Gegenteil, müsse sich Europa gegen diese große Bedrohung für alle effektiv verteidigen. Der Kreml betreibt unterdessen wieder einmal Täter-Opfer-Umkehr …
Nach den gemeinsamen Friedensbemühungen der EU, Großbritanniens und der USA kommt der CDU-Politiker nun zu dem Schluss, dass diese nicht erfolgreich gewesen seien: „Ich habe mir allerdings auch von Anfang an keine Illusionen gemacht, dass das sehr schnell gehen könnte.“ Russland habe im Augenblick offensichtlich kein Interesse, zu einer Feuerpause zu kommen. „Das heißt in der Konsequenz, dass die Ukraine sich weiter verteidigen muss und dass wir unsere Anstrengungen eher noch verstärken müssen, damit die Ukraine sich verteidigen kann“, erklärte Deutschlands Bundeskanzler nach einem Gespräch mit dem finnischen Regierungschef Petteri Orpo in der Stadt Turku.
Wenn man in die Geschichte schaue, gingen Kriege in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer Seite oder beider Seiten zu Ende, führte der CDU-Politiker aus. „Davon sind wir in diesem Krieg offensichtlich noch weit entfernt.“
Es wird die politische Ordnung von Grund auf infrage gestellt, die wir uns mit Russland nach 1990 gemeinsam gegeben haben.
Friedrich Merz
Bild: AP/The Associated Press
„Wir werden bedroht“
Er rechne deswegen damit, „dass wir uns möglicherweise auf eine längere Dauer noch einzustellen haben“, warnte der Kanzler. Dies ändere aber nichts an der Entschlossenheit, die Ukraine zu unterstützen. Es gehe nicht allein um deren territoriale Integrität. „Es wird die politische Ordnung von Grund auf infrage gestellt, die wir uns mit Russland nach 1990 gemeinsam gegeben haben“, erklärt Merz. „Wir werden bedroht, und dagegen verteidigen wir uns.“
Aufhebung der Reichweitenbeschränkungen
Die von Merz zuvor angekündigte Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz deutscher Waffen gegen russisches Territorium im Ukraine-Krieg sorgt unterdessen für Kritik beim Koalitionspartner SPD. Der sozialdemokratische Außenpolitiker Ralf Stegner nannte den Schritt „nicht hilfreich“. Alles, was den Krieg ausweite, sei falsch, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag. „Ich finde es vielmehr richtig, die diplomatischen Bemühungen zu verstärken.“
Merz hatte am Montag in Berlin erklärt, dass für die von Deutschland an die Ukraine gelieferten Waffen keine Beschränkungen mehr gelten, was die Reichweite und damit den Einsatz gegen russisches Territorium anbelangt. Die Äußerung bedeutet einen Kurswechsel gegenüber seinem Vorgänger, dem SPD-Politiker Olaf Scholz. Dieser hatte sich – anders als wichtige Bündnispartner wie Großbritannien und Frankreich – gegen eine generelle Aufhebung der Einsatzbeschränkungen ausgesprochen.
Inwieweit Merz seine Äußerungen mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt hat, blieb zunächst offen. Vizekanzler Lars Klingbeil widersprach jedenfalls dem Eindruck, dass es einen Kurswechsel gebe. „Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat“, so der SPD-Politiker bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Putin und türkischer Außenminister sprachen über „Frieden“
In der russischen Hauptstadt sind unterdessen Gespräche mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan zur Beendigung der Kampfhandlungen über die Bühne gegangen. Thema seien auch die Entwicklungen seit den direkten Verhandlungen zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation in Istanbul am 16. Mai gewesen, verlautete am Dienstag aus dem türkischen Außenministerium. Zudem seien bilaterale Wirtschafts- und Energiefragen besprochen worden.
Fidan hält sich zu einem zweitägigen Besuch in der russischen Hauptstadt auf. Dort kam er am Montag mit Putin und auch mit Russlands Chefunterhändler Wladimir Medinski zusammen. Am Dienstag trifft Fidan noch seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Zwar gibt es für künftige Gespräche zwischen Russland und der Ukraine noch keine Einigung über Zeitplan und Ort. Die Türkei, die NATO-Mitglied ist, hat sich aber als Vermittler angeboten und wiederholt erklärt, sie könne erneut die Gespräche ausrichten.
Russland: Ukraine will Friedensgespräche verhindern
Das russische Verteidigungsministerium wirft unterdessen der Ukraine vor, mit Hilfe Europas Friedensgespräche verhindern zu wollen. Die Führung in Kiew habe mit Unterstützung einiger europäischer Länder eine Reihe „provokativer Schritte“ unternommen, um die von Russland initiierten direkten Friedensgespräche zu verhindern, wetterte die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Ministerium.
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