Um das Wetter oder die Luftqualität vorherzusagen, nutzen herkömmliche Prognose-Systeme die Rechenleistung von Supercomputern, und sie verarbeiten riesige Datenmengen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) kann das schneller und effizienter gehen
Das zeigen Forscher unter Beteiligung von Johannes Brandstetter (Uni Linz) mit dem Microsoft-Modell „Aurora“. Dazu passend: Heute erscheint das Buch „Was kann künstliche Intelligenz?“ von KI-Pionier Sepp Hochreiter.
Bereits im Juni 2024 präsentierte Microsoft das Modell „Aurora“ als ein KI-Werkzeug zur präzisen Vorhersage von Wetterverhältnissen und atmosphärischen Prozessen. Nun wurde sein Können im renommierten Journal „Nature“ vorgestellt. Das Projekt habe gezeigt, „dass man bei der Vorhersage von wichtigen Wetterphänomenen menschliche Systeme übertreffen kann“, sagte Brandstetter. Mit ihm könnte der Mensch künftig noch besser auf Extremereignisse reagieren.
KI-Modell Physik beigebracht
Brandstetter war im Rahmen seiner früheren Forschungstätigkeit in Amsterdam (Niederlande), mit Anbindung an die Microsoft-Forschungsgruppe „AI for Science“, ein Ideenlieferant für das Projekt. Damals habe man gesehen, „dass KI-Modelle wie ChatGPT immer größer und erfolgreicher wurden. Gleichzeitig hat man sich ihrer Fähigkeit in den Naturwissenschaften noch nicht bedient“. Doch: „Menschen tun nichts lieber als Daten zu sammeln“, so der Physiker, etwa in Bezug auf das Wetter. So habe man die damaligen Möglichkeiten der großen KI-Modelle nutzen „und ihnen Physik beibringen wollen“.
Man hat das Modell auf allgemeine Daten trainiert, also quasi physikalisches Wissen hineingepumpt, und so einen Rohdiamanten geschaffen.
Johannes Brandstetter, Uni Linz
„Aurora“ ist ein „Foundation Model“ für Erdsysteme: „Man hat das Modell auf allgemeine Daten trainiert, also quasi physikalisches Wissen hineingepumpt, und so einen Rohdiamanten geschaffen“, erläuterte der Forscher vom Linzer Institut für Machine Learning. Das System wurde mehr als eine Million Stunden lang mit verschiedenen geophysikalischen Daten trainiert. In einer zweiten Phase schliffen die Forschenden ihren Diamanten für verschiedene Anwendungen zurecht: „Aurora“ wurde auf verschiedene Fragestellungen angewendet.
Fünf-Tages-Prognose von Luftqualität und Hurrikans
So lässt sich mit dem KI-Tool etwa fünf Tage im Voraus für jeden Ort auf der Welt die Luftqualität voraussagen – oder auch die Entwicklung tropischer Wirbelstürme und ihrer potenziell zerstörerischen Bahnen. Zehn-Tages-Prognosen sind möglich für Meeresströmungen oder auch das Wetter in hochauflösender Form. Die Berechnungen benötigen „weniger als eine Minute“: „Im Gegensatz zu den herkömmlichen numerischen Systemen, die oft mit vielen Personen über Jahre aufgebaut wurden, kann ein KI-Modell wie Aurora zudem in nur wenigen Wochen auf eine gewisse Anwendung zugeschnitten werden“, strich Brandstetter hervor.
Es ist nicht das erste KI-Modell zur Wettervorhersage. 2023 wurde bereits „Pangu-Weather“ vom IT-Konzern Huawei vorgestellt – „ein Durchbruch“, wie es im Paper heißt – aber mit einer heute vergleichsweise geringeren Auflösung. In einem „Nature“-Begleitvideo erläutert Paris Perdikaris von der University of Pennsylvania (USA), man habe sich mit „Aurora“ der grundlegenden Herausforderung gestellt, sehr verlässliche, akkurate und für jeden zugängliche Vorhersage-Tools zu entwickeln, die geringe rechnergestützte Ressourcen benötigen. Nur auf Basis von historischen Daten trainiert, „konnte das Modell alle Hurrikans im Jahr 2023 akkurater vorhersagen als alle operationalen Vorhersage-Zentren“, so der Hauptautor. Die hohe Auflösung des KI-Modells bei Wetterdaten zeige auch neues Potenzial, Stürme und Extremereignisse sehr lokal akkurat zu erkennen.
Großes Potenzial
In den nächsten fünf bis zehn Jahren sei es der „Heilige Gral“, Systeme zu bauen, die direkt mit den von Fernerkundungssystemen wie z.B. Satelliten und Wetterstationen gelieferten Observationsdaten, also quasi den Rohdaten, arbeiten und diese nutzen, um hochauflösende Vorhersagen zu jedem Ort zu bekommen, den man möchte, so Perdikaris.
Kollege Brandstetter sieht auch in den Ingenieurwissenschaften großes Potenzial, die großen KI-Modelle zur datengetriebenen Vorhersage zu nutzen. So gründete er 2024 in Linz das Start-up „Emmi AI“. Hier geht es um die Entwicklung KI-gestützter Simulationsmodelle für industrielle Anwendungen, etwa zur Berechnung von Windkanälen oder von chemischen Prozessen.
Buch über Nutzen der KI
„Was kann künstliche Intelligenz?“ – dieser Frage geht auch ein prominenter Linzer Kollege Brandstetters in einer Neuerscheinung (ecoWing) nach: der KI-Pionier Sepp Hochreiter. Der Entwickler der „LSTM-Technologie“ (Long Short-Term Memory), eine der Grundlagen für KI-Systeme, spürt darin den Anfängen nach - jenen des Forschungsfeldes wie auch seiner eigenen Faszination. Aber auch der Rolle von KI in und für die Gesellschaft. Er ordnet KI-Skepsis und europäische Herausforderungen in diesem Bereich ein – um nicht letztlich auch die Frage zu beantworten, warum wir die KI brauchen.
„Wie können wir Krebs heilen? Wie können wir den Klimawandel aufhalten?“ das seien Fragen, „auf die wir uns konzentrieren sollten“. KI sei für ihn kein bloßes „Helferlein“ hin zu mehr Bequemlichkeit, für das Schreiben von E-Mails etc. „Nein, KI hat das Potenzial, die wirklich großen Probleme der Menschheit anzugehen“, so der Autor, sie könne eben etwa helfen, hochkomplexe Systeme zu analysieren, Szenarien zu modellieren und Lösungen zu finden, „die unsere intellektuellen Fähigkeiten weit übersteigen“. Das etwa 200-seitige populärwissenschaftliche Buch liefert damit nicht nur eine bloße Einordnung, sondern ist wohl auch eine Einladung für eine gemeinsame Vision, wo es mit KI und Mensch hingehen könnte.
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