Lügenregister

Fukushima: Tepco gesteht erstmals Verharmlosung

Ausland
12.10.2012 16:28
Mehr als anderthalb Jahre nach dem Atomunglück von Fukushima hat die Betreibergesellschaft Tepco erstmals die bewusste Verharmlosung der Gefahren eingeräumt und sein Lügenregister veröffentlicht. Das Unternehmen Tokyo Electric Power Company erklärte am Freitag in einem Bericht über eine Strategie zur "fundamentalen Reform" des Energiekonzerns, die Sicherheitsrisiken heruntergespielt zu haben, um eine Schließung des Atomkraftwerks zu vermeiden.

"Es gab eine latente Angst vor einer Schließung", heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht "Strategie für die fundamentale Reform der Tepco Atomenergie-Organisation".

Demnach sah sich Tepco in einer Zwickmühle: Wären vor dem Unglück weitreichende Sicherheitsmaßnahmen angeordnet worden, so hätte dies den Eindruck erweckt, die Tepco-Atomkraftwerke seien nicht sicher. Die katastrophale Folgerung dieser Logik: Man nahm die Missstände untätig zu Kenntnis.

Kein Material, keinen Notplan, kein Know-how
In dem Bericht listet Tepco nun erstmals sein Lügenregister auf. Zu den Verfehlungen im Vorfeld der Katastrophe zählte vor allem Schlampigkeit in Sachen Sicherheitsprotokolle, Ausrüstung und Krisenkommunikationspläne. So gibt Tepco zu, dass man sich nicht um Notstromaggregate und Reservepumpen gekümmert habe. Nach dem Tsunami war zunächst schlicht kein Equipment vor Ort.

Auch gab es keine Kommunikationsrichtlinien oder eine eindeutige Befehlskette, weshalb nach der Flutwelle die Konzernleitung und die Behörden widersprüchliche Kommandos und Strategien an die Einsatzkräfte ausgaben. Bei den ohnehin nur halb durchdachten Sicherheitsprotokollen gab es kein Szenario für Notfälle in mehreren Reaktoren gleichzeitig. In der Betriebsmannschaft von Fukushima wurde an technisch hochversiertem Personal gespart, sprich: Es waren zu wenige Ingenieure vor Ort, deren Know-how über den Normalbetrieb eines Atomkraftwerks hinausreichte.

U-Ausschuss stellte fest, dass das Unglück vermeidbar war
Der Report ist zwar bemerkenswert, weil Tepco darin erstmals nicht mehr die Realität verweigert. Andererseits stand der Energiekonzern mit dem Rücken zur Wand: Ein von der Regierung eingesetzter Untersuchungsausschuss hatte das Unglück Anfang Juli in lückenloser Argumentation als vermeidbar und deshalb als "von Menschen verursachte Katastrophe" dargestellt. Das Atomkraftwerk sei vor dem Tsunami "verwundbar" gewesen. Tepco, aber auch die Regierung, hätten die tatsächlichen Gefahren nicht wahrgenommen, weil sie dem "Mythos der atomaren Sicherheit" geglaubt hätten.

Das Erdbeben und der nachfolgende Tsunami vom 11. März 2011 führten in Fukushima zur Kernschmelze, große Gebiete wurden radioaktiv verseucht. Tepco hatte den beinahe 15 Meter hohen Tsunami, der nach einem Erdbeben der Stärke 9 über das Kraftwerk hereinbrach, in den vergangenen Monaten immer wieder als "unvorhersehbar" bezeichnet. Inzwischen beschloss die Regierung in Tokio, bis zum Jahr 2040 aus der Atomkraft auszusteigen.

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