Rede vor Millionären

Romney beschimpft vor versteckter Kamera US-Wähler

Ausland
18.09.2012 09:01
So haben die Wähler Mitt Romney noch nicht gehört: Der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner schmäht vor einer illustren Runde an Millionären jene "47 Prozent der Menschen", die im November für Barack Obama stimmen würden. Vor versteckter Kamera stellt der ehemalige Investment-Unternehmer die halbe amerikanische Wählerschaft als Schmarotzer hin und erklärt, warum er sich um "die" nicht zu kümmern brauche.

Obamas Zielgruppe seien Leute, "die keine Einkommensteuern zahlen". In den Umfragen liegt der Präsident derzeit bei 47 Prozent, und "in den USA zahlen 47 Prozent der Leute keine Einkommensteuern", suggeriert Romney eine Übereinstimmung der beiden Gruppen.

Obamas Wähler würden sich als "Opfer" sehen und von der Regierung abhängig sein, ja sogar Anspruch darauf erheben, von der Regierung versorgt zu werden. "Sie glauben, sie haben ein Recht auf eine Krankenversicherung, auf Essen und auf eine Wohnung", ätzt Romney bei dem Treffen mit betuchten Spendern. Diese Leute würden für Obama stimmen, "komme, was wolle". 

Es werde daher "nicht mein Job sein, mich um diese Leute zu kümmern", sagt Romney vor seinen Spendern. "Ich werde sie niemals überzeugen können, persönlich Verantwortung zu übernehmen und sich selbst um ihr Leben zu kümmern."

"Ich muss Millionen von Dollars auftreiben"
In der Öffentlichkeit würde der Republikaner solche Sätze freilich nicht fallen lassen. Das Treffen fand in einem Dinnersaal hinter verschlossenen Türen statt, ein Romney-Kritiker schaffte es dennoch hinein und filmte mit versteckter Kamera mit. Ein "Best of" an Romney-Sagern wurde am Montag vom Onlinemagazin "Mother Jones" veröffentlicht und sorgt seither für Furore.

"Ganz ehrlich: Ich muss Millionen von Dollars auftreiben", erklärt Romney einem Spender auf die Frage, wie man helfen könnte. Er sei nämlich entweder knapp hinter oder gleichauf mit dem Präsidenten. Bei Frauen punkte er ganz gut, jedoch bei hispanischen und schwarzen Wählern sei noch viel Arbeit nötig. "Wenn meine Großeltern Mexikaner gewesen wären, hätte ich bessere Chancen." Aber sein Vater habe leider nur eine Zeit lang in Mexiko gelebt.

Vergleich mit chinesischen Fabriksarbeiterinnen
In Bezug auf Obamas Wähler holt Romney zu einer Anekdote aus: Er habe einmal mit Investoren eine Fabrik in China besucht, in der 20.000 Frauen gearbeitet hätten. "Alle zwischen 18 und 22. Sie sparten sich etwas zusammen, um vielleicht einmal heiraten zu können", sagt Romney und erzählt von den Schlafräumen, in denen die Frauen zu zwölft geschlafen hätten: "Und sie hatten nur ein winziges Badezimmer am Ende von zehn solchen Zimmern." 

Die Fabrik sei mit Stacheldraht eingezäunt gewesen, "damit keiner rein kann", so groß sei der Andrang der Chinesen auf Arbeit. "Und mein Geschäftspartner meinte zu mir: 'Wenn du in Amerika geboren bist, sind 95 Prozent der Arbeit für ein gutes Leben schon getan." Obamas Wähler würden dies nicht schätzen, "sie glauben, wir sollen alle mit dem Silberlöffel im Mund zur Welt kommen".

Romney: Antworten "aus dem Stegreif"
Zerknirscht räumte Romney noch am Montagabend ein, dass er sich "nicht elegant" ausgedrückt habe. Er habe "aus dem Steigreif" auf eine Frage geantwortet. An den Aussagen hielt der frühere Finanzinvestor und Gouverneur von Massachusetts aber fest: Obama sei attraktiv für Leute, die keine Steuern zahlen.

Die heimlichen Aufnahmen spielen Obamas Wahlkampfteam in die Hände, das Romney als abgehobenen Multimillionär zu brandmarken versucht, der sich nicht um die Sorgen der Mittelschicht und Arbeitnehmerschaft schere. Obamas Wahlkampfmanager Jim Messina nannte die Äußerungen "schockierend". Es sei schwer, den USA als Präsident zu dienen, "wenn man die Hälfte der Nation geringschätzend abgeschrieben hat", erklärte Messina.

Obama hängt Romney in Umfragen ab
Es sind dies nicht die ersten Ausrutscher des Republikaners. Romneys unverblümte Wählerschelte folgte auf eine Serie von Schnitzern, die den Herausforderer im Kampf um das Weiße Haus zurückgeworfen haben. Lange hatte es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Obama und Romney bis zum 6. November ausgesehen. Im Sommer war das Rennen um das Weiße Haus noch eine enge Angelegenheit, leichte Vorsprünge für Obama in den Erhebungen lagen innerhalb der statistischen Fehlerquote.

Doch 50 Tage vor dem Urnengang liegt der Präsident in landesweiten Umfragen sowie in mehreren möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaaten spürbar vorn. Seit dem Parteitag der Demokraten ist der Präsident im Aufwind, Demoskopen sehen ihn vier, fünf, sogar sechs Prozentpunkte vor Romney. Auch die besonders umkämpften Bundesstaaten Ohio und Florida neigen derzeit Obama zu.

Interner Streit und PR-Patzer bei Republikanern
Die Abgesänge einiger US-Kommentatoren auf Romney scheinen zwar verfrüht, immerhin stehen im Oktober noch drei TV-Debatten an. Doch der Wahlkampf des Republikaners verläuft alles andere als geschmeidig: Ende Juli stolperte er bei einer Reise nach Großbritannien, Israel und Polen über das internationale Parkett, auch beim Republikaner-Parteitag Ende August konnte Romney nicht überzeugen. Das Online-Magazin "Politico" berichtete, dass Romneys Wahlkampfteam zerstritten und die wichtige Parteitagsrede kurz vor Schluss noch einmal komplett umgeworfen worden sei. Konservative Meinungsführer wie das "Wall Street Journal" beklagten, der Kandidat bleibe Einzelheiten zu seinen politischen Plänen schuldig.

Romney, der seinen Wahlkampf auf die schwache Wirtschaft zugeschnitten hat, konnte von der hohen Arbeitslosigkeit ebenso wenig profitieren wie zuletzt von den antiamerikanischen Protesten in der muslimischen Welt gegen ein in den USA produziertes Mohammed-Schmähvideo. In einer vorschnellen Erklärung hatte der Republikaner Obama Führungsschwäche vorgeworfen - doch selbst Parteifreunde tadelten Romney, er hätte angesichts der Attacken auf die US-Vertretungen in Kairo und Bengasi doch besser mitfühlende Worte wählen sollen.

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