„Das ist ein Tollhaus“
Orbán will Direktwahl des EU-Parlaments abschaffen
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wünscht sich die Zeit vor 1979 zurück, als das EU-Parlament noch nicht direkt von den EU-Bürgern gewählt wurde. „Wir sollten erwägen, zum früheren System zurückzukehren, bei dem die nationalen Parlamente ihre Vertreter in das Europäische Parlament entsenden, anstatt Direktwahlen durchzuführen“, erklärt der rechtskonservative Regierungschef in einem Gespräch mit Altkanzler Wolfgang Schüssel, das nun in Auszügen veröffentlicht worden ist.
„Einer der Gründe für unsere Schwäche ist, dass das Europäische Parlament heute nicht funktioniert. Es ist ein Tollhaus“, begründet Orbán in der „Presse am Sonntag“ seinen Vorschlag. Der ungarische Regierungschef sprach sich im gemeinsamen Interview mit Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel dafür aus, dass die „Initiative“ in der Europäischen Union von den Mitgliedsstaaten ausgehen solle, „was bedeutet, dass der Rat aktiver, entschlossener und stärker dazu bereit sein sollte, politische Maßnahmen zu ergreifen“. Die EU-Kommission sollte nach Orbáns Ansicht vielmehr ein durch die Mitgliedsstaaten geleitetes Organ sein und nicht politisch agieren.
Westbalkan als eine der Prioritäten es ungarischen Ratsvorsitzes
Befragt zu den Prioritäten des ungarischen Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2024 nennt Orbán die EU-Erweiterung um die westlichen Balkanländer als „unsere oberste Priorität“. „Wenn wir Serbien nicht so schnell wie möglich integrieren, werden wir es verlieren. Serbien hat andere Möglichkeiten. Es hat gerade ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen.“ Ungarn werde auch daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern. Zur Ukraine sagt er: „Wir werden unser Bestes tun, um zumindest einen Waffenstillstand zu erreichen und eine Situation zu schaffen, in der wir verhandeln können.“
„Keine Gefahr, dass Russland ein NATO-Mitglied angreift“
Diesbezüglich legt Orbán seine bekannten Standpunkte dar. So verbietet sich der 60-Jährige einen von Schüssel gemachten Vergleich mit dem Ungarn-Aufstand des Jahres 1956. „Sie verteidigen Europa nicht, im Gegensatz zu Ungarn damals. Die Ukraine bietet uns Europäern keine zusätzliche Sicherheit, denn die meisten von uns sind bereits Mitglied der NATO, die viel stärker ist als Russland. Es besteht keine Gefahr, dass Russland ein NATO-Mitglied angreift“, erklärt Orbán.
Ukraine sollte „Pufferzone“ zwischen Russland und Westen sein
Russland werde niemals ein EU- und NATO-Mitglied wie die Ukraine vor seiner Haustür akzeptieren. Daher sei heute die „beste Perspektive“ für das Kriegsland, eine „Pufferzone zwischen Russland und dem Westen“ zu bilden. „Wenn das nicht gelingt, wird die Ukraine ihr Land verlieren“, prophezeit Orbán. Das von der „Presse am Sonntag“ auszugsweise publizierte Gespräch fand für das neue englischsprachige Debattenmagazin „European Voices“ statt, das am Donnerstag erstmals erscheint.
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