Geklagt hatten zwei Ehepaare, die an Unfruchtbarkeit leiden und künstliche Befruchtungstechniken mit gespendeten Eizellen bzw. Samen von Dritten in Anspruch nehmen wollten, um Kinder bekommen zu können. Das österreichische Recht erlaubt die künstliche Befruchtung aber nur mit Samen- und Eizellen der Ehepartner.
Die Ehepaare machten in ihrer Beschwerde geltend, dass das Verbot ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Artikel 8 der Europäische Menschenrechtskonvention verletze. Dies würde eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Paaren bedeuten, die die Anwendung medizinischer Fortpflanzungstechniken anstrebten, aber dabei nicht auf Eizellen- oder Samenspenden für die In-vitro-Befruchtung angewiesen seien.
Die Beschwerde der Ehepaare wurde im Mai 2008 beim EGMR eingebracht. In erster Instanz wurde das Verbot noch für menschenrechtswidrig erklärt. Auf Antrag der österreichischen Regierung wurde der Fall jedoch im Oktober 2010 an die Große Kammer verwiesen.
EGMR sieht keine Verletzung von Artikel 8
Der EGMR verwies in seinem Urteil am Donnerstag auf den Beurteilungsspielraum des Staates bei der gesetzlichen Regelung der künstlichen Befruchtung. In den Mitgliedsländern des Europarates sei heute ein klarer Trend zu verzeichnen, Keimzellenspenden zum Zweck der In-vitro-Befruchtung zu erlauben. Der österreichische Gesetzgeber habe "sorgsam abgewogen und sich um eine Vereinbarung der gesellschaftlichen Realitäten mit seiner grundsätzlichen Herangehensweise bemüht", befanden die Straßburger Richter. Darüber hinaus sei es nach österreichischem Recht nicht verboten, im Ausland eine künstlichen Befruchtung unter Verwendung von in Österreich verbotenen Methoden vornehmen zu lassen.
Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass Österreich seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat, weder in Hinblick auf das Verbot von Eizellenspenden zum Zweck der künstlichen Befruchtung, noch in Hinblick auf das Verbot von Samenspenden für die In-vitro-Befruchtung. Folglich lag im Fall der Beschwerdeführer keine Verletzung von Artikel 8 vor, hieß es im Urteil, das von der Großen Kammer mit 17 Richtern gefällt wurde.
Gynäkologen ortet "Sauerei", Bischof "erleichtert"
"Dieses Urteil ist eine Sauerei", ärgerte sich der Wiener medizinische Co-Vater des ersten österreichischen "Retortenbabys", der Gynäkologe Wilfried Feichtinger, am Donnerstag. Bei der Urteilsfindung hätten sich konservative Kräfte durchgesetzt und gegen die Menschlichkeit entschieden, gab sich Feichtinger überzeugt. "Das ist ein dumme Entscheidung, die nicht im Sinne der Betroffenen und der Menschenrechte gefällt wurde", entrüstete sich der Gynäkologe.
"Sehr erleichtert" wiederum zeigte sich der St. Pöltener Diözesanbischof Klaus Küng. "Diese Entscheidung achtet das natürliche Bedürfnis eines jeden Menschen, zu wissen, wer sein leiblicher Vater und seine leibliche Mutter ist", sagte der in der Bischofskonferenz für Familienfragen und Bioethik zuständige Bischof.
Auswirkungen auch auf Rechtslage in Deutschland?
Der Ausgang des Verfahrens könnte auch Auswirkungen auf Deutschland haben. Im Gegensatz zur Samenspende ist die Eizellenspende auch in Deutschland nicht erlaubt. Gegen die Entscheidung der Großen Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs sind keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich.
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