Wo man auch hinschaut, überall fehlt Personal. Wo sind die Arbeitskräfte nur alle hin? Die „Krone“ hat das Trendforscher Franz Kühmayer gefragt. Seine Antworten sollten die Alarmglocken schrillen lassen.
„Krone": Herr Kühmayer, in nahezu jeder Branche wird händeringend Personal gesucht. Wird sich die Lage in der nächsten Zeit entspannen?
Franz Kühmayer: Aktuell sind in Österreich laut AMS etwa 120.000 Stellen unbesetzt. Die Situation wird uns lange begleiten und in vielen Bereichen eher noch schlimmer werden.
Woran liegt das?
Zum einen an der Demografie: Wir werden älter und leben länger. Bis 2050 sinkt die Anzahl der Menschen im Erwerbsalter um 300.000, gleichzeitig steigt die Anzahl der Menschen über 65 um eine Million. Und zum anderen ist der Wunsch nach Flexibilisierung stärker. Quer durch alle Berufe würden Arbeitnehmer gerne um 2,6 Stunden kürzer pro Woche arbeiten. Dritter Faktor ist die Technologie: Diese kommt nicht rasch genug, Pflegeroboter und autonome Lkw sind noch Zukunftsmusik.
Wir befinden uns mitten in der Teuerung. Drängt diese die Menschen nicht in Jobs?
Die allseits beliebte Work-Life-Balance wird sich nicht mehr jeder leisten können. Wenn aber mit dem Einkommen kein Auskommen zu finden ist (z. B. Sozialberufe, Tourismus, Handel), werden diese Branchen auch weiterhin kein Personal finden.
...der Beschäftigten im öffentlichen Dienst - der größte Arbeitgeber in Österreich - gehen bis 2034 in Ruhestand. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Menschen im Erwerbsalter.
Welche Bereiche sind künftig besonders vom Personalmangel betroffen?
Vor allem der öffentliche Dienst - der größte Arbeitgeber in Österreich - hier gehen bis 2034 45 Prozent der Beschäftigten in Pension.
Welche Auswirkungen hat der Arbeitskräftemangel auf die Bevölkerung?
Wir sprechen hier von einem Multiplikator-Effekt: Fehlen in Schlüsselbereichen Arbeitskräfte (z. B. Pflege, Kinderbetreuung), führt dies sofort auch zu nachteiligen Folgen in anderen Bereichen. Als Konsequenz müssen bei der Arbeitszeit Abstriche zugunsten der Sorgearbeit gemacht werden. Zudem ist der Personalmangel ein Wachstumshemmnis, zum Beispiel braucht die Energiewende viele gut qualifizierte Mitarbeiter.
Welchen Stellenwert hat Bildung bei der Jobsuche?
Bildung ist ein wichtiger Faktor für Beschäftigung. Aber: Bildung ist nicht nur Studium. Lehre hat ein Image-Problem, Betriebe haben Probleme, gute Lehrlinge zu bekommen.
Wie wichtig ist der Faktor Gehalt in Zukunft?
Sehr wichtig. Wenn ich mit meinem Gehalt die Miete nicht stemmen kann, werde ich den Beruf bald wechseln.
Bisher haben Sie nur negative Folgen beschrieben, gibt es auch positive?
Ja. Bei vielen freien Stellen hat der Arbeitnehmer eine bessere Machtposition. Arbeitgeber müssen sich um Mitarbeiter bemühen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.