Bald live in Wien

In Flames: Die Kunst, es allen recht zu machen

Wien
23.11.2022 06:01

Wie viele Metalbands pendeln auch die Schweden von In Flames zwischen der puristischen Erwartungshaltung ihrer frühen Fans und dem bandinternen Wunsch nach Progession. Mit dem 2023 erscheinenden Album „Foregone“ hofft man wieder auf einen Spagat zwischen den beiden Polen, vorher kommt man noch mit At The Gates in den Wiener Gasometer. Gitarrist Björn Gelotte erklärt uns im Gespräch, dass er die Meinungen aller Parteien gut nachvollziehen kann.

Im Metal-Segment ist es ein bisschen ein Kreuz mit den Erfolgen und der Authentizität. Puristen und Liebhaber des Ursprungs einer Band trauern meist verzweifelt den alten Zeiten nach. Die Chartplatzierungen und ausverkauften Hallen der größeren Konzerte sprechen eine andere Sprache. Davon können auch die Schweden von In Flames ein Lied singen. Hierzulande ganze sieben Mal am Nova Rock und auch sonst regelmäßig am Start, kreuzt man mit den befreundeten Landsmännern von At The Gates am 2. Dezember wieder einmal in die Hauptstadt, um im Wiener Gasometer für Stimmung zu sorgen. Mit an Bord Klassiker aus der gesamten Schaffensphase der mittlerweile mehr als 30 Jahre andauernden Karriere und auch ein paar neue Songs des im Februar 2023 erscheinenden 14. Studioalbums „Foregone“, das sich stilistisch eher den letzten Jahren annähert und der alten Fan-Garde mühelos durch die Gehörgänge durchrutschen wird.

Von Schweden in die weite Welt
Mit Sänger Anders Fridén und Gitarrist Björn Gelotte sind nur noch zwei Alt-Mitglieder an Bord, ansonsten hat sich das Korsett der Band in den letzten Jahren kräftig gewandelt. Aus den schwedischen Melodic-Death-Metal-Legenden, die in den späten 90er- und frühen 00er-Jahren zu den allergrößten Extreme-Metal-Bands Skandinaviens zählten (neben Children Of Bodom und noch vor dem Aufstieg von Amon Amarth), wurde in den letzten Jahren eine internationale Gespanschaft. Bassist Bryce Paul Newman, Drummer Tanner Wayne und Gitarrist Chris Broderick sind aus den USA - letzteren kennt der Metal-Connaisseur sehr gut von seiner jahrelangen Mitarbeit bei Megadeth und Jag Panzer. Der massive Wechsel auf der Besetzungscouch wurde teils knapp vor, teils kurz nach dem Höhepunkt der Pandemie vollzogen. Mit den frisch kehrenden Besen versuchen In Flames das Feeling der alten Tage wiederzugewinnen.

Dass man in der Szene mit stilistischen Wechseln polarisiert und es nicht jedem rechtmachen kann, ist Gelotte im „Krone“-Interview bewusst. „Ich kann nicht machen, was andere wollen, sondern muss in erster Linie selbst mit meiner Musik glücklich sein. Ansonsten könnte ich ja in einer Coverband spielen. Es gibt auf dieser Welt genug Musik für alle. Wenn dir unsere neuen Songs nicht gefallen, dann zieh doch weiter und hör dir andere Alben an. Ich habe damit wirklich kein Problem.“ Auf der aktuellen Tour greifen In Flames aber auch auf ganz frühe „Lunar Strain“- und „The Jester Race“-Zeiten zurück, spielen vom 2019er-Album „I, The Mask“, das in Österreich ihr erstes Nummer-eins-Werk war, dafür überraschenderweise nur einen Song. „Wir haben einen großen Songkatalog und viele Jahre Erfahrung. Als ich der Band beitrat, war ich 19, mittlerweile bin ich 47 und ein alter Sack. Wir wollen uns nicht mit den eigenen Erfahrungen und unserer eigenen Jugend vergleichen.“

Im Kern dieselben
Die Progressivität in der Musik ging künstlerisch mal besser und mal schlechter über die Bühne. Die nicht ganz friktionsfreie Trennung vom letzten verbliebenen Gründungsmitglied Jesper Strömblad vor mittlerweile zwölf Jahren hat In Flames aber definitiv Death-Metal-Anteile gekostet und Metalcore- und Alternative-Metal-Anteile gebracht. „Wir sehen uns aber schon immer noch als melodische Metalband und wollen das auch bleiben“, bekräftigt Gelotte, „wenn wir auf die Meinung all unserer Fans Rücksicht nehmen würden, dann würde es aufgrund der Vielfalt niemals mehr ein neues Album geben. Ich finde, wir haben uns im Kern nicht so stark verändert, wie das von außen wahrgenommen wird. Die Melodien waren uns immer das Wichtigste, und die klingen so wie damals.“

Gelotte selbst ist seit mittlerweile 27 Jahren Teil der immer noch erfolgreichen Band, die zwar in den Charts reüssiert, aber die ganz großen Hallen nicht mehr so massiv füllt, wie es noch vor zehn bis 15 Jahren der Fall war. „Man darf nie vergessen, dass sich in unseren Anfängen kein Mensch für uns interessiert hat. Wir verkauften keine Alben, hatten kaum Zuseher bei Konzerten und es gab Monate ohne eine einzige Interviewanfrage. Ich bin ausgebildeter Elektriker und machte mir nie Sorgen um die Zukunft. Müsste ich heute in einem Haus etwas richten, würde es aber wohl abbrennen“, lacht er. Am Ende erreichte Gelotte mit In Flames eine florierende Karriere und ist rückblickend über alle Schritte froh. „Alles, was wir je gemacht haben, führte genau dazu, dass wir sind, wo wir sind. Natürlich hätten wir vieles besser und geschickter angehen können, aber ohne Fehler wären keine Verbesserungen möglich gewesen. Reue kommt in meinem Leben nicht vor, die kostet viel zu viel Energie.“

Akustische Bibel
Obwohl At The Gates auf dieser Tour im Vorprogramm von In Flames spielen, ist Gelotte deklarierter Fan seiner guten Freunde. Deren 1995 veröffentlichtes Album „Slaughter Of The Soul“, die vielleicht perfekte Mischung aus skandinavischem Melodic Death Metal und Metalcore, war längere Zeit seine akustische Bibel. „Das Album war damals das Coolste, das wir alle gehört hatten. Wir waren hin und weg und haben uns sofort dasselbe Studio und denselben Produzenten gesichert. Nur hatten wir nicht dasselbe Budget“, fügt Gelotte schmunzelnd hinzu. „Für alle schwedischen Metalbands war ,Slaughter Of The Soul‘ die Benchmark. Sie hatten damals sieben Wochen Zeit für ihre Aufnahme, wir für unser Album ganze elf Tage. Wen wundert es, dass wir ihr Level nie erreichen konnten?“ Heute sind die Verhältnisse ohnehin umgedreht und - hoffentlich - alle miteinander versöhnt.

Live im Gasometer
Am 2. Dezember spielen In Flames mit At The Gates, Imminence und Orbit Culture im Wiener Gasometer und präsentieren dabei nicht nur ein buntes Potpourri aus fast drei Dekaden voller Alben, sondern auch schon ein paar neue Songs des kommenden Albums „Foregone“. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos für das Metal-Highlight in der Adventzeit.

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