Emotionale Plädoyers

Tag 1 im Chorherr-Prozess: Hickhack um die Beweise

Wien
08.11.2022 14:06

Der erste Verhandlungstag im Korruptions-Prozess um den Ex-Grünpolitiker Christoph Chorherr ist abgeschlossen. Die Kernfrage: Kann die Staatsanwaltschaft belegen, dass die Spenden an seinen Verein „S2Arch“ als Schmiergeld für Flächenwidmungen zu Bauvorhaben in Wien diente? Die Verteidiger der teils prominenten Angeklagten aus der Immobilien- und Investmentbranche sind sich diesbezüglich einig.

Demonstrativ gelassen gab sich das Gros der zehn teils prominenten Angeklagten im Mega-Prozess um den Ex-Grünen Christoph Chorherr. Doch die Anspannung aller Beteiligten war im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts doch spürbar. Weil es ein Prozess ist, der richtungsgebend ist. Im Zentrum steht der langjährige Gemeinderat der Wiener Grünen, der sich gegenüber dem Schöffensenat den Vorwürfen „Missbrauch der Amtsgewalt“ und „Bestechlichkeit“ stellen muss.

Staatsanwalt: „Wir haben die nötigen Beweise“
Der 61-Jährige hatte als Planungssprecher und Mitglied des Wohnbauausschusses großen Einfluss auf Flächenwidmungen in Wien. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft leitete zum Prozessstart salopp ein, wie es in Wien unter Rot-Grün in Bezug auf Flächenwidmungen gelaufen sein soll: „Spende dem Verein vom Chorherr und du bekommst das Business Center, das Triiiple, den Heumarkt und so weiter“, so der Staatsanwalt über die großzügigen Spenden der mitangeklagten Unternehmer aus der Immobilien- und Investmentbranche an den Chorherr-Verein „S2Arch“, der Schulprojekte in Südafrika realisiert. Die Spenden seien für das Vorantreiben von Immobilienprojekten und das Herbeiführen von Gemeinderatsbeschlüssen geflossen, ist der Ankläger überzeugt. „Natürlich braucht es dafür Beweise und wir haben diese Beweise!“

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Wenn Unternehmer es für anständig halten, für eine gute Sache zu spenden, dann ist das nichts Verwerfliches.

Anwalt Richard Soyer vertritt den Hauptangeklagten Chorherr.

Chorherr wird sich nicht schuldig bekennen
Dem widerspricht Richard Soyer, der Verteidiger des Hauptangeklagten, in seinem Eröffnungsplädoyer scharf: „Christoph Chorherr wird sich nicht schuldig bekennen“, sagt er, „Mein Mandant hat sich keinesfalls vom Wohlwollen der Spender leiten lassen. Das Weltbild, das in der Anklage durchklingt, ist ein überkritisches, fast unsachliches gegenüber Chorherr“, meinte Soyer. „Wenn Unternehmer es für anständig halten, für eine gute Sache zu spenden, dann ist das nichts Verwerfliches“, sieht er nichts als Spekulationen gegenüber dem angeklagten Ex-Politiker.

Mit Chorherr auf der Anklagebank: neun hochrangige Wirtschaftstreibende aus der Immobilien- und Investmentbranche. Auf die Frage von Richter Michael Tolstiuk, was sie denn monatlich verdienen, antworteten die beschuldigten Unternehmer fast ausnahmslos: „Dazu möchte ich keine Angabe machen.“

Wirtschaftsprominenz weist Vorwürfe zurück
Als Erster nahm der Verteidiger von Immobilieninvestor Michael Tojner zu den erhobenen Vorwürfen Stellung. Tojner wird, wie acht weiteren Angeklagten, „Beitrag zum Missbrauch der Amtsgewalt“ und „Bestechung“ vorgeworfen. Laut Anklage soll er Chorherr für eine Flächenwidmung zum Mega-Projekt Heumarkt „geschmiert“ haben: „Es lief alles ordnungsgemäß ab - in einem vorbildlichen Verfahren, das über Jahre lief“, sagt Tojners Anwalt Karl Liebenwein, „Es gibt keinen einzigen Hinweis auf pflichtwidriges Verhalten von Herrn Chorherr, der nur einer von 100 Gemeinderäten war, die 2016 für dieses moderne Projekt stimmten. Es gibt auch keinen einzigen Hinweis darauf, dass im Verfahren eine Unregelmäßigkeit aufgetreten ist oder es Interventionen gab.“

Der enorme Mehrwert des Heumarkt-Projektes für die Wiener Öffentlichkeit - vom Eislaufplatz bis zur Turnhalle - sei die alleinige Grundlage für die Beschlussfassung der Flächenwidmung im Gemeinderat gewesen und keinesfalls die Spenden an den Chorherr-Verein. Tojner beantragt einen Freispruch.

„Ein hochseriöses Projekt“
Michael Rami, Anwalt des angeklagten Wilhelm Hemetsberger, skizziert es ähnlich. Auf einer Geburtstagsfeier im Jahr 2008, lange vor dem angeklagten Zeitraum, erfuhr sein Mandant erstmals vom Verein „S2Arch“: „Herr Hemetsberger war von dem Projekt restlos begeistert, reiste 2009 erstmals nach Südafrika und wurde so zum langjährigen Spender. Das Projekt ist hochseriös und das Lebensprojekt meines Mandanten“, sieht Rami keinerlei Beweise für einen Vorteil für den Investmentberater durch die Spenden. „Das ist doch absurd“, kritisiert er die Anklage und plädiert - wie alle zehn Angeklagte - auf Freispruch.

Wess kritisiert „undifferenzierte Anklage“
„Sie müssen sich jede Konstellation gesondert ansehen und beurteilen“, appelliert Norbert Wess, Anwalt des angeklagten Erwin Soravia, an die Laienrichter. Er räumt auch ein, „dass es in der Anklageschrift nachweislich falsche und unscharfe Schilderungen gibt. Christoph Chorherr war weder Planungsstadtrat noch amtsführendes Mitglied der Wiener Stadtregierung, wie es dort fälschlicherweise steht.“ Die Spenden an das Schulprojekt in Südafrika hätten mit den Bauprojekten „Triiiple“ und „Danube Flats“, auf die die Anklage Bezug nimmt, absolut nichts zu tun. „Spekulieren können wir an der Börse, aber nicht im Gerichtssaal“, kritisiert auch Verteidiger Oliver Scherbaum die Anklage seines Mandaten trotz fehlender Beweise.

Viel Aufmerksamkeit für Rene Benko
Besonders viele Augenpaare sind am Dienstag auf Immobilien-Jongleur Rene Benko gerichtet. Der 45-Jährige ist angeklagt in Zusammenhang mit einer Signa-Spende in der Höhe von 100.000 Euro vom 15. November 2011. Die Besonderheit bei Benko: Laut Anklage wäre im Falle seiner Verurteilung auf ein Urteil des Landesgerichts für Strafsachen von August 2013, in dem er zu einer mittlerweile getilgten bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt wurde, Bedacht zu nehmen.

Bei einem Schuldspruch würde er nur eine Zusatzstrafe bekommen. Verteidiger Stefan Prochaska: „Das ist eine Anklage, wie ich sie in meiner 30-jährigen Tätigkeit als Anwalt noch nie gesehen habe“, richtet er sich in seinem Plädoyer zum Staatsanwalt, „Sie enthält keinen einzigen Beweis gegen meinen Mandanten.“ Im Schwurgerichtssaal wurden zeitgleich Zetteln mit einer Timeline verteilt, die zeigen sollen, dass die Spende in keinerlei Zusammenhang mit dem in der Anklageschrift genannten Bauprojekt „Hauptbahnhof Business Center“ stehen kann.

Fortsetzung am 14. November
Insgesamt geht es am „Landl“ um Spenden in der Höhe von 1,6 Millionen Euro, die in den Chorherr-Verein flossen. Bis zu einem Urteil wird es noch Wochen dauern. Es drohen teils empfindliche Haftstrafen. Allerdings nur, wenn die WKStA die angekündigten Beweise auch liefern kann. Der Prozess wird am 14. November fortgesetzt.

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