Filzmaier analysiert

Was Bundespräsidenten (nicht) anstellen können

Politik
11.09.2022 12:00

In vier Wochen wählen wir den Bundespräsidenten. Die Kandidaten stehen fest. Eine Frau steht nicht zur Auswahl. Die meisten Herausforderer von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wollen starke Männer sein. Hilft es uns, wenn ein Präsident seinen Machtspielraum ausreizt?

1. Der Bundespräsident ernennt den Kanzler und auf dessen Vorschlag die Minister. Formal darf er jeden österreichischen Staatsbürger, der - oder die - erwachsen ist und nicht zu einer höheren Haftstrafe verurteilt wurde, zum Regierungsmitglied machen. Was aber, wenn ein Präsident theoretisch nur Extremisten, Spinner oder Hallodris seiner Gesinnung in der Regierung haben will? Diese Regierung wird einfach mit einem Misstrauensvotum der Abgeordneten im Nationalrat sofort wieder abberufen. Also sollte da kein Präsidentschaftskandidat Machtfantasien haben.

2. Der Bundespräsident kann die Bundesregierung entlassen, was viele Kandidaten gerne betonen. Ja eh. Nur was dann? Der Präsident veranlasst so keine unmittelbaren Neuwahlen, sondern müsste eine neue Regierung finden, welche die Nationalratsmehrheit hinter sich hat. Oft wären das dieselben Leute aus denselben Parteien. Sonst tritt Punkt eins in Kraft. Schlimmstenfalls hätten wir bei einem verantwortungslosen Präsidenten Regierungswechsel im Wochenrhythmus.

3. Der Bundespräsident könnte den Nationalrat auflösen. Gibt ihm das nicht die Macht, Neuwahlen zu erzwingen? Nein. Das tut es nicht. Weil der Präsident für so eine Auflösung den entsprechenden Vorschlag der Regierung braucht. Was diese normalerweise nicht tun wird.

4. Der Bundespräsident wäre in der Lage, die Regierung zu entlassen, in Sekundenschnelle Vertrauensleute - zum Beispiel seine Büromitarbeiter - als neue Regierung zu ernennen, welche ihm ebenso schnell die Nationalratsauflösung vorschlägt, um der eigenen Abberufung im Parlament zuvorzukommen. Das wäre aber am Rande des Versuchs eines Staatsstreiches.

5. Der Bundespräsident vertritt die Republik Österreich nach außen sowie unterzeichnet Staatsverträge und Ernennungen. Die Landeshauptleute werden von ihm angelobt. Was passiert, wenn ein Präsident sich dem verweigert, weil ihm Vertragsinhalte oder Personen nicht passen? Dann blockiert er vieles bis alles, ohne etwas zu erreichen. Er kann nicht selber neue Verträge machen oder statt dem X einfach den Y zum Länderchef, Offizier oder sonstigen Jobinhaber machen.

6. Der Bundespräsident beurkundet Gesetze und prüft deren verfassungsmäßiges Zustandekommen. Damit ist gemeint, dass er alle formalen Regeln im Gesetzgebungsprozess prüft. Beispielsweise, ob parlamentarische Abstimmungsregeln und Fristen eingehalten werden. Für die inhaltliche Prüfung, ob ein Gesetz verfassungskonform ist, haben wir den Verfassungsgerichtshof. Kein Präsident ist gut beraten, besser als dieser sein zu wollen.

7. Der Bundespräsident kann sich weigern, Gesetze zu unterschreiben, weil ihm deren Inhalt nicht passt. Niemand kann ihn dazu zwingen. Es würde aber zur staatlichen Handlungsunfähigkeit führen, falls ein Präsident derart stur ist. Das Bundesfinanzgesetz etwa ermächtigt den Staat, Steuergeld einzunehmen und es auszugeben. Präsidenten haben das Recht auf ihre Meinung, wo im Budget zu viel oder zu wenig Geld drinnen steckt. Durch pure Unterschriftsverweigerungen würden sie freilich auch die Zahlung von neuen Sozialleistungen oder Pensionserhöhungen blockieren.

Filzmaier analysiert

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz. Für die „Krone“ analysiert er Österreichs aktuelle Innenpolitik.

8. Der Bundespräsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Demzufolge könnte ein Möchtegernpräsident wollen, dass unsere Soldaten irgendwo einmarschieren. Oder dass sie Ausländer mit Waffengewalt am Schulbesuch hindern. Oder am Busfahren. Oder er lässt das demokratisch gewählte Parlament besetzen. All das ist Quatsch. Der Präsident hat ein Informationsrecht über militärische Sachen sowie macht Einberufungen und Angelobungen. Den Rest erledigt gemäß Wehrgesetz der oder die Verteidigungsministerin. Ein Präsident, der befehlen will, ist fehl am Platz.

9. Der Bundespräsident hat ein Notverordnungsrecht. Er kann Dinge anschaffen, während sonst nur das Parlament Gesetze beschließt oder ein Minister auf deren Basis Verordnungen erlässt. Gedacht ist das, falls die Parlamentsabgeordneten sich aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder auch Krankheitsfällen in einer Pandemie nicht treffen können. Doch bedarf jede Notverordnung des Vorschlags und der Gegenzeichnung durch die Bundesregierung sowie darf sie keine langfristigen Budgetauswirkungen haben. Kein Präsident kann zum Diktator werden.

10. Jeder Bundespräsident muss sich daher diplomatisch und im Zusammenspiel mit Parlament, Regierung und Gerichtsbarkeit um Stabilität bemühen. Markiert er den starken Mann, führt das zu Blockaden oder Chaos. Die Moral von der Geschichte ist, dass alle Kandidaten im bevorstehenden Intensivwahlkampf sprachlich mehrere Gänge zurückschalten sollten.

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