Weiter Krise in Rom

Italiens Regierungschef Draghi zurückgetreten

Ausland
21.07.2022 10:28

Das Politdrama in Rom geht in die nächste Runde: Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist am Donnerstagvormittag erneut zurückgetreten, weil er keine Möglichkeit zum Weiterregieren sieht. Draghi wurde von Präsident Sergio Mattarella vorerst mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut.

Der seit Februar 2021 als Premier amtierende frühere Chef der Europäischen Zentralbank trat vor einer in der Abgeordnetenkammer geplanten Vertrauensabstimmung zurück. „Vor dem Hintergrund der Abstimmung gestern Abend im Senat, bitte ich die Sitzung zu unterbrechen, weil ich mich zum Präsidenten der Republik begeben werde, um ihm meinen Entschluss mitzuteilen“, hatte er zuvor in der Abgeordnetenkammer erklärt. Dort hatte es vor Beginn der Sitzung langen Applaus für ihn gegeben (siehe Video oben).

(Bild: LaPresse via AP)

Unklar ist, ob Neuwahlen folgen
Präsident Mattarella wird im Laufe des Tages die Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Alberti Casellati und Roberto Fico treffen. Noch unklar ist, ob er das Parlament auflöst und Neuwahlen ausschreibt, die am 25. September, oder am 2. Oktober stattfinden könnten.

Draghi hatte zwar am Mittwoch das Vertrauensvotum im Senat gewonnen, jedoch nicht mit der von ihm erwünschten breiten Mehrheit, denn die drei Regierungsparteien Lega, Forza Italia und die Fünf-Sterne-Bewegung stimmten nicht mit ab.

Draghi konnte in den vergangenen Monaten mehrere Punkte seines Regierungsprogramms umsetzen. Zu seinen Erfolgen zählen die Anti-Corona-Impfkampagne, die zu einer Impfquote von fast 90 Prozent der Bevölkerung führte, und die 200 Milliarden Euro, die Italien aus dem EU-Wiederaufbauprogramm „Next Generation“ erhält. Kein Land bekommt mehr Geld aus dem EU-Hilfstopf. Auch mit Stützungsmaßnahmen für die von der Energiekrise und Inflation geplagten italienischen Familien und Unternehmen punktete Draghi bei den Italienern. Mit seiner Kampagne für eine europäische Gas-Preisobergrenze erntete Draghi auch in Brüssel viel Konsens.

Vom Retter der Nation zum Sündenbock
Premier Draghi, der vor 17 Monaten eine groß gefeierte Einheitsregierung zur Bewältigung der Pandemie und der Wirtschaftskrise auf die Beine gestellt hatte, muss das Handtuch werfen. Mit seiner Diskretion und seiner Ernsthaftigkeit erntete „Mr. Euro“ in seinen langen Jahren als EZB-Präsident viel Lob. 

Im Umgang mit den turbulenten Parteien in Rom ist der 74-Jährige jedoch gescheitert. Zu kompromisslos trat der angesehene Wirtschaftsexperte im Umgang mit den streitsüchtigen Gruppierungen seiner breiten Koalition auf, die im Laufe der Monate immer mehr zerbröselt ist.

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