Bergkrone-Blog:

Hike&Fly: Wie das Paragleiten nach Österreich kam

Bergkrone
17.06.2022 15:36

„Wir fliegen!“ Drei Tage lang waren wir am Übungshang, haben das Aufziehen des Schirms gelernt, das Starten, aber auch, wie man einen Start wieder abbrechen kann, sollte etwas nicht passen. Für unsere Fluglehrer ist klar: „Ihr seid bereit für den ersten Höhenflug!“ Am Übungshang kamen Christoph und ich auch auf das Thema, wie das Paragleiten entstanden ist. „Frag mal Pepi“, sagte, darauf angesprochen unsere Flugschulchefin Maggie Grabner. Pepi wer? Maggie: „Josef ,Pepi‘ Gasteiger war mein Trainer, als ich in der Nationalmannschaft war und ist einer der Pioniere der Gleitschirmfliegerei in Österreich.“

Josef Gasteigers Telefonnummer rauszufinden ist kinderleicht, gilt der heute 83-Jährige als einer der besten Gleitschirm-Notfallretter-Produzenten Europas. Und der gebürtige Osttiroler, der heute in Kössen in Tirol lebt, nimmt sich sofort die Zeit, um mir zu berichten, wie das Paragleiten nach Österreich gekommen ist. „Es war im Jahr 1985 und ich war damals in der Schweiz, um Curling zu spielen. Während einer Spielpause beobachtete ich einen Mann, der mit einem Gleitschirm und Skiern an den Füßen von einem Berggipfel flog. So etwas hatte ich zuvor noch nicht gesehen.“ Pepi, der damals bereits ein erfahrener Drachenflieger war, rannte sofort zu dem Mann. „Er war Skilehrer und erzählte mir, dass er nach getaner Arbeit mit seinem Paragleiter nach Hause flog. Ich wollte das auch. Der freundliche Schweizer sagte zu mir, dass ich tags darauf einfach nach dem Liftbetrieb im Skigebiet sein sollte. Er hatte einen Schirm für mich. Wir sind schließlich mit der letzten Bahn hinaufgefahren, der Mann legte für mich den Schirm aus und erklärte mir die Steuerung: Rechts ist rechts, links ist links. Dann sind wir zusammen rausgeflogen. Es war unglaublich.“

Der Skilehrer sagte, dass er seinen Gleitschirm bei einem Hersteller in der Schweizer Stadt Villeneuve gekauft hat. „Ich bin sofort dorthin gefahren und habe mir gleich die Generalvertretung für ganz Österreich gesichert. Die Auflage war es, pro Jahr 100 Schirme zu verkaufen. Und gleich vorweg. Alleine im ersten Jahr waren es mehr als 600.“

Denn zurück in Österreich hat Pepi, der seit 1978 bereits erfolgreich eine Drachenflug-Schule in Sillian betrieb, alle seine Freunde und Kollegen angerufen und gesagt: „Ich habe etwas Neues! Es gibt einen Gleitschirm, mit dem kann man, wie mit einem Drachen starten und fliegen.“ Um das zu demonstrieren, lud Pepi seine Kollegen zu sich nach Sillian ein, doch allen war die Anreise dafür zu weit, deshalb fuhr er nach Kössen in Tirol. Dort wurde der Osttiroler aber nicht gerade willkommen geheißen: „Mit so einem Fetzen kommst du mir nicht auf den Berg!“, sagte damals ein Drachen-Flugschulbetreiber zu Pepi. Trotzdem ist er geflogen. „Meine Kollegen waren begeistert und wollten das auch“, erinnert sich der 83-Jährige: „Ich sagte ihnen nur, kommt nach Sillian und ich bringe euch das Gleitschirmfliegen bei.“

Pepi Gasteiger war damit einer der ersten Paragleiter Österreichs. „Doch schon bald hat mich jemand bei der BH Lienz angezeigt, weil ich mit einem nicht zugelassenen Fluggerät unterwegs war. Das hat mich damals 300 Schilling, umgerechnet etwa 20 Euro, gekostet.“

In Europa waren die Franzosen die Ersten, die von den Bergen rund um Grenoble abhoben. „Die hatten damals umgebaute Fallschirme und mussten zum Start eine steile Felswand hinunterspringen, um zu fliegen. Die Schirme waren damals noch nicht so ausgereift, wie heute. Das waren für mich alles Selbstmörder, denn es gehört sehr viel Mut dazu, eine senkrechte Bergwand hinunterzuspringen.“

In Österreich verkaufte Pepi Gasteiger die Gleitschirme vor allem an Bergsteiger. „Das Erfolgserlebnis beim Bergsteigen ist ja das Raufgehen und nicht das Hinuntersteigen. Alle Bergsteiger und Wanderer in Osttirol, Südtirol und Oberkärnten wollten damals meine Gleitschirme. Doch die Schirme waren so schlecht, dass viele nach dem Start kaum über die Bäume kamen. Als ich mit dem Gleitschirmfliegen anfing, hatte ich Erfahrung im Drachenfliegen, aber die Bergsteiger hatten keine Ahnung. Sie sind auch bei jedem Wetter gestartet. Es gab sehr viele Unfälle. Auch die Ausbildung kann man nicht mit dem heutigen Standard vergleichen; sie dauerte etwa drei Tagen. Das Fliegen selbst ist schnell erlernt, aber man sollte sich auch mit der Wetterkunde beschäftigen, um zu wissen, wann man fliegen kann und wann nicht. Die Fluganfänger waren damals oft wilde Hunde, die sich einfach einen Schirm kauften und runterflogen. Die ersten Jahre war Paragleiten wirklich ein gefährlicher Sport.“ Doch die Entwicklung der Ausrüstung ging sprunghaft weiter. „Es gab viele Hersteller und auch solche, die überhaupt keine Ahnung hatten. Zu mir kamen Maurer, Lehrer, Bäcker und Elektriker, die sich einen Schirm kauften, zu Hause den Stoff auftrennten und wenige Wochen später plötzlich Gleitschirm-Produzenten waren.“

Pepi Gasteiger organisierte in Sillian auch die erste österreichische Meisterschaft in Gleitschirmfliegen: „Die habe ich natürlich gewonnen, obwohl ich hinter zwei Schweizern nur Dritter, jedoch damit bester Österreicher wurde.“ Denn am Start waren hauptsächlich Piloten aus der Schweiz und Frankreich. Dreimal hat Gasteiger auch die deutsche Meisterschaft in Osttirol organisiert, weil die Deutschen zu Hause noch nicht fliegen durften.

Inzwischen hat sich das Paragleiten und die Ausrüstung stark weiter entwickelt und wurde immer sicherer. 1995 hat Josef Gasteiger seine Flugschule Hochpustertal in Sillian verkauft, die heute noch als Flugschule „Blue Sky“ weitergeführt wird. Mit 83 Jahren hebt der gebürtige Osttiroler natürlich immer noch regelmäßig ab und macht mit seinen Rettungsschirmen die Fliegerei noch sicherer.

Und Christoph und ich, wir freuen uns schon auf unseren ersten Höhenflug - vielleicht dürfen wir ja auch einmal neben Pepi Gasteiger fliegen - dem Pionier des Gleitschirmfliegens in Österreich.

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