Hitzige Debatte

Am Wolf scheiden sich nach wie vor die Geister

Vorarlberg
11.04.2022 10:00

Noch vor Beginn der Alpsaison in Vorarlberg hat der „böse Wolf“ die Diskussionen um Herdenschutz und eine Lockerung des Jagdgesetzes neu entfacht. Die Rückkehr des Beutegreifers polarisiert.

Kaum ein Wildtier weckt so starke Emotionen wie der Wolf. Bei seiner Rückkehr in unsere Gefilde gehen die Meinungen auseinander. Für die einen ist er Repräsentant der ursprünglichen Natur und Teil der Artenvielfalt. Andere sehen ihn als Bedrohung, vor allem für die Landwirtschaft. 2009 sind zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder mehrere Wölfe in Österreich nachgewiesen worden. Bis 2015 blieb die Zahl der jährlich festgestellten Individuen unter zehn. Im Jahr darauf etablierte sich das erste und immer noch einzige reproduzierende Rudel am Truppenübungsplatz Allensteig (Niederösterreich). Nach Zahlen des World Wildlife Fund (WWF) von 2021 leben in ganz Österreich derzeit etwa 40 Tiere in freier Wildbahn.

Auch in Vorarlberg wurde Isegrim bereits gesichtet: im nördlichen Bregenzerwald an der Grenze zum Allgäu und südwestlich im Rätikongebiet. Die Experten gehen aktuell von vier Tieren aus, wobei es sich meist um Durchwanderer handeln dürfte. Die Zahl könnte in den kommenden Jahren allerdings steigen, da die Populationen in Italien, Deutschland und der Schweiz wachsen.

Angst um Nutztiere
Sorge bereitet diese Entwicklung vor allem den Verantwortlichen der Landwirtschaftskammer. Die Präsenz von Wölfen sowie deren „ungebremste Vermehrung“ bedrohe die extensive Weidetierhaltung und Alpkultur, ist LK-Präsident Josef Moosbrugger überzeugt. Zahlreiche Nutztiere verbringen den Sommer in den heimischen Bergen. Der Wolf ist ein Beutegreifer und unterscheidet bekanntlich nicht zwischen Nutz- und Wildtier.

Kürzlich wurde von der Kammer ein Austausch zum Thema Wolfspräsenz und Herdenschutz organisiert. Einer der Referenten war der Agraringenieur Peter Küchler. Er ist Direktor des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums in Graubünden. In der Schweiz gibt es bereits seit 2012 mehrere Wolfsrudel. Küchler sieht eine große Diskrepanz, wenn es um die Koexistenz mit dem Raubtier geht. „Auf der einen Seite steht die Meinung, dass ein Zusammenleben im alpwirtschaftlich genutzten Raum nicht möglich ist. Auf der anderen Seite werden Aspekte wie Artenvielfalt und Artenschutz angeführt. Fakt ist, dass die Rückkehr des Wolfes Schaden und Aufwand bedeutet, die es ohne ihn nicht gäbe.“

Zitat Icon

Zum Glück ist die Scheu vor dem Menschen in der DNA des Wolfes angelegt. Diese Scheu gilt es zu bestätigen – und zwar mittels gezielter Abschüsse. Nur dann ist eine Koexistenz möglich.

Peter Küchler, Agraringenieur aus der Schweiz

Erfahrungen aus dem Alpsommer 2021 hätten gezeigt, dass manche Tiere ein neues Verhalten an den Tag legen würden - etwa Angriffe auf Großvieh und geschicktes Umgehen der Herdenschutzhunde. Dies zeige, wie hochintelligent und anpassungsfähig der Wolf sei. Küchler ist überzeugt davon, dass es eine rigorosere Vorgehensweise brauche: „Herdenschutz ist ein Teil der Lösung, der andere ist die Regulation.“ Der Wolf in der Schweiz lerne, dass Herdenschutzmaßnahmen keine Gefahr darstellen, sondern lediglich Hindernisse seien - „und als Opportunist überwindet er diese.“

Regulation durch Abschuss
250 Nutztiere wurden 2020 in Graubünden vom Wolf gerissen - für Küchler ein klarer Beleg dafür, dass Herdenschutzmaßnahmen nicht immer wirksam sind. Man müsse darüber hinaus dem Raubtier vermitteln, dass die Anwesenheit des Menschen eine Gefahr bedeute: „Zum Glück ist die Scheu vor dem Menschen in der DNA des Wolfes angelegt. Diese Scheu gilt es zu bestätigen“, plädiert Küchler für eine Regulation durch Abschuss. Dafür müsste aber erst der rechtliche Rahmen geschaffen werden: Erst 2020 haben die Eidgenossen mehrheitlich gegen eine Lockerung des Wolfschutzes gestimmt. Küchler erklärt sich das Wahlergebnis damit, dass vor allem die urbane Bevölkerung wenig Verständnis für die Sorgen der Landwirtschaft habe: „Bücherwissen hat sich gegenüber der Praxiserfahrung im Herdenschutz durchgesetzt.“Moosbrugger sieht das ähnlich und spricht sich ebenfalls für eine Lockerung des strengen Schutzes aus. Zudem erwartet er sich von der Politik „situationsangepasste Lösungen, um die Land-, Freizeit-, und Tourismuswirtschaft unter einen Hut zu bringen“.

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