Nach Derby-Abbruch

Austria-Torhüter: “Rapid-Fans hätten mich getötet”

Fußball
23.05.2011 10:06
Am Sonntag ist das 297. Wiener Derby nach heftigen Randalen beim Stand von 0:2 abgebrochen worden. Der Platzsturm samt Raketenbeschuss des violetten Fansektors offenbarte ein Gewaltpotential, das Betreuer, Spieler und auch die meisten Fans schlichtweg schockierte. Austrias Tormann Heinz Lindner, der in der zweiten Halbzeit direkt vor dem Rapid-Sektor spielen hätte müssen, zeigte sich daher erleichtert über den Abbruch (siehe Video): "Die Rapid-Fans hätten mich getötet!"

Der 20-jährige Torhüter bedankte sich deshalb nach dem Spiel auch bei seinem Kapitän Roland Linz, der vor Beginn die Platzwahl gewonnen hatte und somit verhinderte, dass Lindner bereits in der ersten Halbzeit vor dem Fan-Block von Rapid das Tor hüten musste. Aber nicht nur die Austrianer waren nach dem Spiel über den Platzsturm - zu sehen u.a. auf dem zwölfminütigen Video des Austria-Fanklubs "Hornets06" (siehe Infobox) und auf Dutzenden weiterenAmateur-Aufnahmen im Internet - schockiert.

Marek: "Die machen uns das Leben schwer"
Rapids Klubservice-Leiter Andreas Marek, der seit Jahren in engem Kontakt mit den Fans steht, gab sich nach den beschämenden Vorfällen zerknirscht. "Wir haben uns bisher immer mit der besten Fan-Arbeit gerühmt. Scheinbar war es aber nicht die beste", sagte der Niederösterreicher. Sein Verein hat offensichtlich mit einer veränderten Struktur der grün-weißen Fan-Szene zu kämpfen. "Wir haben neue Gruppierungen bei uns, die machen uns das Leben schwer. Das ist eine Situation, mit der wir noch nicht umgehen können", erklärte Marek und gab zu: "Im Moment weiß ich nicht genau, wie es weitergehen soll."

Abstimmung in der Infobox: Wie können Klubs Hooligans unter Kontrolle bringen?

Noch am Sonntagabend stellte Rapid seinen "Problem-Fans" via Pressemitteilung die Rute ins Fenster. "Dieser rabenschwarze Tag bringt mit sich, dass ab der neuen Saison in Sachen Fanpolitik des Vereins ein neuer Weg eingeschlagen wird, damit solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden können." Wie der neue Weg aussehen soll, ließ Marek aber vorerst offen. "Wenn ich sagen würde, wir müssen komplett umdenken, müssen wir auch sagen, was wir in der Vergangenheit erreicht haben", meinte er in Anspielung auf die stark gestiegenen Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren. "Tatsache ist, dass wir in den letzten Jahren sehr viele schöne Erlebnisse mit unseren Fans hatten. Aber heute ist etwas passiert, was wir uns nie vorgestellt hätten, dass es passiert."

"Heute ist eine Grenze überschritten worden"
Einige der Randalierer sind Marek persönlich bekannt. "Natürlich kenne ich viele von ihnen. Da geht es um unheimlich frustrierte Leute. Das wird es immer geben, dass die Leute Dampf ablassen. Aber heute ist eine Grenze überschritten worden." Ein Versagen in der Fan-Arbeit wollte sich der 48-Jährige nicht vorwerfen lassen. "Jetzt werden wieder alle kommen und sagen, wir haben zu viel durchgehen lassen. Es ist leicht, auf jemanden hinzutreten, wenn er am Boden liegt", sagte der Klubservice-Leiter, dessen Verein in den vergangenen Wochen vier Stadionverbote wegen Verstöße gegen das Pyrotechnik-Gesetz ausgesprochen hatte. "Aber was heute passiert ist, ist eine andere Liga", betonte Marek.

Deswegen will Präsident Rudolf Edlinger mit aller Härte gegen die Randalierer vorgehen. "Die Rädelsführer werden das Hanappi-Stadion nicht mehr von innen sehen. Wir haben viele identifiziert, gegen die wird vorgegangen", kündigte der ehemalige Finanzminister an und sprach von unentschuldbaren und erschütterten Ereignissen. "Mit Fußball-Fantum hat das nichts zu tun, wenn man vermummt im Stadion ist." Der 71-Jährige wollte jedoch nicht alle Schlachtenbummler über einen Kamm scheren. "95 Prozent der Fans auf der Westtribüne sind obengeblieben."

Edlinger: "Weiß nicht, was wir uns vorwerfen können"
Den Ankündigungen des Platzsturms in diversen Internet-Foren hatte Edlinger offenbar keinen allzu großen Glauben geschenkt. "Gerüchte gab es schon vor vielen Spielen. Drohung ist das eine, Realisierung das andere." Von Klubseite sei im Derby-Vorfeld alles unternommen worden, um die Sicherheit zu gewährleisten. "Ich weiß nicht, was wir uns vorwerfen können. Wir haben alles getan, was wir im Vorfeld machen konnten, hatten eine entsprechende Zahl von Sicherheitskräften."

Edlinger kann sich nun auf harte Sanktionen der Bundesliga wie etwa eine hohe Geldstrafe und Spiele hinter verschlossenen Stadiontoren gefasst machen. "Finanziell wird es verkraftbar sein, aber imagemäßig ist ein längerfristiger Schaden", meinte der Klubchef. "Vom Image her" sei es sein schlimmster Tag als Rapid-Chef gewesen.

Zukünftig Derbys nur mehr im Happel-Stadion?
Aufgrund der Ausschreitungen könnten die Wiener Derbys künftig ausschließlich im wesentlich leichter zu sichernden Happel-Stadion über die Bühne gehen. "In Zukunft wird's nur noch das Happel-Stadion geben", vermutete Marek. Edlinger könnte sich mit dieser Lösung anfreunden. "Wenn die Liga meint, das Derby ist ein Risikospiel, haben wir nichts dagegen, dieses Match nur noch im Happel-Stadion zu spielen."

Auch Austrias Wirtschaftsvorstand Markus Kraetschmer rechnet für die Zukunft mit dem Happel-Oval als Derby-Austragungsstätte. "Dass diese Diskussion jetzt losgeht, ist logisch. Das kommt aber nicht von den Klubs, sondern von der Exekutive." Vonseiten der Polizei scheinen jedoch weitere Duelle zwischen Grün-Weiß und Violett im Hanappi-Stadion bzw. in der Generali Arena möglich. "Wir werden nicht darauf drängen, dass jedes Derby im Happel-Stadion gespielt werden muss. Das Hanappi-Stadion ist grundsätzlich ein sicheres Stadion, es kommt eben darauf an, wie sich die Fans verhalten", sagte Oberst Fritz Schwarz, der Einsatzleiter der Exekutive im Skandal-Derby.

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(Bild: KMM)



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