Hotelier Gerhard Lucian ist seit einer knappen Woche Lechs neuer Bürgermeister. Im Interview mit der „Krone“ spricht er über 100.000 Zusatz-Nächtigungen, den Ausgleich im Dorf und René Benko.
Krone: Wie war Ihr Start als Bürgermeister, das wird man ja nicht alle Tage?
Gerhard Lucian: Ich habe mich natürlich gefreut, als das Ergebnis bekannt wurde. Mein Mitbewerber Stefan Muxel und ich sitzen ja im selben Boot. Wir werden auch weiterhin zusammenarbeiten. Natürlich gab es durch die vier verschiedenen Listen Befindlichkeiten, die wird es immer geben. Ich suche aber auf jeden Fall das Gespräch - wenn möglich schon vor den Entscheidungen, damit man auch andere Ideen miteinfließen lassen kann.
Krone: Sie sind für die kommenden drei Jahre im Amt, werden Sie danach wieder kandidieren oder ist für Sie jetzt schon klar, dass dann andere weitermachen müssen?
Lucian: Es wäre falsch zu sagen, dass man nach drei Jahren auf jeden Fall aufhört. Ich glaube nicht, dass ich in diesen drei Jahren alle Aufgaben zur Zufriedenheit aller lösen werde können. Wenn weiterhin diese große Unterstützung da ist, bin ich gerne bereit, eine weitere Periode als Bürgermeister zur Verfügung zu stehen.
Krone: Das Ergebnis bei der Wahl ist bemerkenswert - mit gerade einmal fünf Stimmen waren Sie im Plus. Freuen Sie sich trotzdem über einen solchen Sieg?
Lucian: Es ist natürlich immer positiv, wenn man zum Beispiel 90 Prozent Zustimmung erhält, davon bin ich aber nie ausgegangen. Demokratie kann brutal sein, wir haben uns der Demokratie aber verpflichtet. Und daher ist eine solche knappe Mehrheit auch eine Mehrheit. Wie gesagt, Stefan Muxel und ich haben denselben Beruf, dieselbe Berufung und sitzen im selben Boot. Manch ein Wähler hat sich vielleicht auch gedacht, dass es wohl keine Rolle spielt, wen er wählt, weil beide sowieso dieselben Ziele haben. In die Wähler kann man aber natürlich nicht hineinschauen.
Krone: Vereinbart wurde, keinen Wahlkampf zu betreiben.
Lucian: Richtig, wir haben eine Wahlinformation per Postwurf verschickt. Und Stefan Muxel hat auf Facebook die Wähler entsprechend informiert. Wenn man beide Informationen betrachtet, muss man sagen, dass es ja nicht viel Unterschied gab.
Krone: Lech ist ein zumindest gespaltenes Dorf, das sieht man auch am Wahlergebnis. Wäre es nicht ein Zeichen der Versöhnung gewesen, Stefan Muxel den Vizebürgermeister-Posten anzubieten?
Lucian: Die Gemeindevertretung von Lech hat vor zwei Jahren Cornelia Rieser zur Vizebürgermeisterin gewählt. Das ist Demokratie. Nur sie selber kann nun sagen, dass sie zurücktritt - oder sie müsste sich etwas zuschulden kommen lassen, wovon ich aber nicht ausgehe. Und wenn sie nicht zurücktreten will, dann kann auch ich als Bürgermeister nichts ändern.
Krone: Die Gemeindevertretung könnte das aber doch beschließen?
Lucian: Das stimmt, dazu muss es aber auch eine Mehrheit geben.
Krone: Sie haben angekündigt, in Lech wieder eine Politik des Ausgleichs und Dialogs zu etablieren. Wie werden Sie das angehen?
Lucian: Ich werde darauf achten, bei allen möglichen Anliegen auch mit den anderen Fraktionen zu reden und deren Meinung einzuholen. Nur so kann sich die Bevölkerung wieder gehört und vertreten fühlen.
Krone: Aber sind die Gräben - vor allem zur Liste Unser Dorf - nicht schon recht tief? Braucht es da nicht mehr?
Lucian: Glaube ich nicht. Es ist ganz einfach: Wir leben in unserem Dorf zu 99 Prozent vom selben. Auch „Unser Dorf“ hat akzeptiert, dass das Gemeindezentrum nun gebaut wird. Es sind nun einmal Nägel mit Köpfen gemacht worden. Jetzt muss man die Sache gut zu Ende führen. Erinnern Sie sich an die neue Kirche von Lech, ein architektonisches Unikat, das hohes Ansehen genießt: Damals aber sind Bürger aus Protest aus der Kirche ausgetreten. Beim Haas-Haus in Wien gab es anfangs ähnlich negative Reaktionen. Architektur ist das eine, das Bild der Bevölkerung das andere.
Wenn weiterhin diese große Unterstützung da ist, bin ich gerne bereit, eine weitere Periode als Bürgermeister zur Verfügung zu stehen.
Gerhard Lucian
Krone: Was ist Ihre Vision für das Gemeindezentrum, wer soll da nun einziehen?
Lucian: In einem Gebäude wird die Verwaltung untergebracht. Jeder, der im Gemeindezentrum arbeiten kann und darf, wird dann stolz auf seinen Arbeitsplatz sein. Und im größeren Gebäude sollen in den Handelsflächen Pop Up Stores und Geschäfte, die in keiner Konkurrenz zum Bestand stehen, etabliert werden, auch ein kleines Restaurant ist geplant. Und mit dem neuen Mehrzwecksaal werden wir auch Veranstaltungen nach Lech holen, mit denen wir dann zwischen 20.000 und 100.000 Nächtigenden zusätzlich lukrieren können. Sicherlich eine recht optimistische Voraussage, aber ich bin eben Optimist.
Krone: Gibt es schon konkrete Ideen, welche Veranstaltungen das sein könnten?
Lucian: Auf jeden Fall die schon bestehenden wie das Philosophicum, das Medicinicum oder die Arlberg Classic Rally.
Krone: Nochmal zu den Handelsflächen: Bei der Planung des Gemeindezentrums hat man mit bestimmten Mieteinnahmen gerechnet, wie sieht nun das Konzept aus?
Lucian: Am besten wäre es, einen Generalmieter zu haben, der dann alles Weitere organisiert. Danach sieht es derzeit auch aus. Wir haben eine neue Anfrage bekommen, die aber noch nicht genau ausgearbeitet ist. Sollte das klappen, sind auch die Einnahmen in der kalkulierten Höhe garantiert.
Krone: Das heißt, es gibt ein Angebot von einer Art Generalmieter?
Lucian: Wir schauen uns das jetzt gerade genau an, die Verhandlungen haben noch nicht einmal angefangen.
Krone: Eine ähnliche Situation gab es schon einmal, damals waren René Benko und das KaDeWe im Spiel. Können Sie ausschließen, dass er doch noch zum Zug kommen wird?
Lucian: Momentan kann ich es ausschließen. Ich habe auch kein Angebot erhalten. Aber selbst wenn noch eines kommen sollte, wird das dann in der Gemeindevertretung diskutiert und nicht von mir allein entschieden. Damit ist es dann demokratisch abgesichert. Aber ich denke nicht, dass sich ein Unternehmer dieser Größe diesbezüglich noch einmal in die Höhle des Löwen wagt.
Wir haben eine Anfrage bekommen, die aber noch nicht ausgearbeitet ist. Sollte das klappen, sind die Einnahmen in der kalkulierten Höhe garantiert.
Gerhard Lucian
Krone: Haben Sie jemals mit René Benko über das Gemeindezentrum diskutiert?
Lucian: Nein, nie. René Benko war einmal kurz im Restaurant. Ich habe „Grüß Gott“ gesagt - und das war’s. Da gibt es andere, die mehr über René Benko wissen.
Krone: Wenn das Gemeindezentrum dann bezogen ist, werden andere Immobilien wie das Gemeindeamt frei. Was ist damit geplant?
Lucian: Dort, wo Lech Zürs Tourismus untergebracht ist, ist diese auch zuständig. Aus dem Gemeindeamt könnte ein Restaurant oder Hotel werden, das ist noch nicht entschieden. Die Gemeinde soll jedenfalls Eigentümerin der Immobilien bleiben, damit man nicht alles damit machen kann. Ein Investorenmodell mit Appartements zum Verhökern wird es sicher nicht werden.
Krone: Zum Tourismus, derzeit wird das Heli-Skiing heiß diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
Lucian: Das polarisiert natürlich, aber so viele Heli-Skiing-Flüge werden gar nicht durchgeführt. Bei Rettungseinsätzen, beim Lawinendienst und für die Hütten des Alpenvereins wird viel mehr geflogen. Jede Tourismusdestination sucht sich Einzelstellungsmerkmale, Heli-Skiing ist für Lech ein solches, wenn auch nur ein kleines. Unsere Konkurrenten sind nicht in Österreich, sondern zum Beispiel St. Moritz oder Aspen, dort ist Heli-Skiing ein Bestandteil des Angebotes.
Manch ein Wähler hat sich vielleicht auch gedacht, dass es wohl keine Rolle spielt, wen er wählt, weil beide sowieso dieselben Ziele haben.
Gerhard Lucian
Krone: Es wird immer schwieriger, junge Menschen in Lech und Zürs zu halten. Was lässt sich da machen?
Lucian: Die schulische Ausbildung ist das eine, die Erziehung das andere. Wenn ich natürlich meinen Kindern jahrein jahraus vorsage, dass alles so schlecht ist, muss man sich nicht wundern, wenn die Kinder später dieselbe Meinung vertreten. Mein Sohn zum Beispiel freut sich - hoffentlich jeden Tag - hier im Betrieb zu arbeiten. Wir haben so eine schöne Natur, können hier gut wirtschaften. Das Einzige, was immer schwieriger wird, sind die zunehmenden behördlichen Auflagen. Zudem sollte jeder Bürger von den Gemeindevertretern und den Gemeindemitarbeitern wertschätzend behandelt werden. So hebt sich auch wieder die Stimmung in der Bevölkerung und die Abwanderungen lassen sich bremsen.
Krone: Lech hat sich immer wieder etwas mit Öffentlichkeit schwer getan. Oft hieß es: Was in Lech passiert, soll in Lech bleiben. Ist das ein Motto, das Sie in die Zukunft führen wollen oder soll das der Vergangenheit angehören?
Lucian: Durch die vier Listen ist das ja gegeben. Und über den Livestream der Gemeindevertretersitzungen sind wir offen, es kann jeder zuschauen. Zwar bekommen nur die Lecher einen Zugang, aber der kann ja auch weitergegeben werden. Die Stadt Bludenz überträgt ihre Gemeindevertretersitzungen auf einem Youtube-Kanal. Wenn das Ganze gut vorbereitet ist, warum nicht?
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