Patentfreies Vakzin

Afrikanische Forscher entwickeln mRNA-Impfstoff

Wissenschaft
17.12.2021 10:07

Nirgendwo auf der Welt ist die Corona-Impfquote so niedrig wie auf dem afrikanischen Kontinent. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind dort bis dato erst 102 Millionen Menschen, also 7,5 Prozent der Bevölkerung, vollständig geimpft. Ein einheimischer Impfstoff könnte dies ändern und den Verlauf der Covid-Pandemie beeinflussen. Forscher des Biotechnologieunternehmens Afrigen Biologics and Vaccines in Kapstadt in Südafrika arbeiten mit Hochdruck daran.

Sie befinden sich in einer entscheidenden Phase bei der Entwicklung von Afrikas erstem eigenem Corona-Impfstoff. Dieser soll das hochwirksame mRNA-Präparat von Moderna nachahmen und damit die Abhängigkeit von der Pharmaindustrie mindern. Nicht nur das: Afrigen will die beiden derzeit zugelassenen mRNA-Vakzine von Moderna und Biontech/Pfizer verbessern. Ziel ist ein gefriergetrockneter Impfstoff, der keine Kühllagerung erfordert.

Unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem UN Medicines Patent Pool (MPP) sowie der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (Africa CDC) will Afrigen die Verteilung von Corona-Impfstoffen so weltweit günstiger, schneller und gerechter machen. Allerdings, so die Entwickler, wird der Impfstoff erst in gut zwei Jahren marktreif sein.

Eine Art Open-Source-Technologie
Anders als traditionellen Pharma-Unternehmen geht es Afrigen nicht um Profite. Der neue Impfstoff werde nicht patentiert werden, sondern eine Art Open-Source-Technologie sein, erklärt Afrigens Geschäftsführerin Petro Terblanche (Bild unten). Die WHO werde kostenfreie Lizenzen an Entwicklungs- und Schwellenländer vergeben und damit ermöglichen, dass Produktionsstätten überall auf der Welt aufgebaut werden.

Der neue Impfstoff werde nicht patentiert werden, sondern eine Art Open-Source-Technologie sein, sagt Afrigens Geschäftsführerin Petro Terblanche. (Bild: AFP/Rodger Bosch)
Der neue Impfstoff werde nicht patentiert werden, sondern eine Art Open-Source-Technologie sein, sagt Afrigens Geschäftsführerin Petro Terblanche.

Allerdings gibt es Hürden. Zwar hat Moderna im Juli eine Verzichtserklärung für das geistige Eigentum an ihrem mRNA-Präparat abgegeben. Diese gilt jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum. „Weder von Moderna noch von Biontech/Pfizer haben wir einen Technologietransfer bekommen“, sagt Terblanche.

Erste Studie an Tieren im Jänner geplant
Somit arbeiten Afrigens Forscher mit der öffentlich zugänglichen genetischen Sequenz für den Impfstoff und mithilfe von wissenschaftlichen Beratern an der Entwicklung einer ersten vollständigen Laborprobe, die das Präparat von Moderna nachahmt. Schon im Jänner 2022 sollen erste Studien an Tieren beginnen. „Aufgrund der Verzichtserklärung können wir den Impfstoff legal bis zu klinischen Studien bringen, ohne geistiges Eigentum zu verletzen“, erklärt Terblanche.

Schon im Jänner 2022 sollen erste Studien mit dem afrikanischen mRNA-Impfstoff an Tieren beginnen. (Bild: AFP/Rodger Bosch)
Schon im Jänner 2022 sollen erste Studien mit dem afrikanischen mRNA-Impfstoff an Tieren beginnen.

Für November sei Phase I der klinischen Studie geplant. Anfang 2024 soll die Mittel marktreif sein. Die WHO hat für das ehrgeizige Projekt ein Budget von 92 Millionen Euro bereitgestellt. „Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass es nicht ausreicht und gefährlich ist, sich bei der Versorgung der Welt mit globalen öffentlichen Gütern auf ein paar wenige Firmen zu verlassen“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus im Juni über das Projekt.

Seit Monaten Kontroverse um Patentschutz
Ghebreyesus warnt seit Monaten vor einem moralischen Versagen, weil reiche Länder eigene Verträge mit Pharmafirmen machten und sich Unmengen Impfstoff gesichert hätten. Während in reichen Ländern schon Auffrischungsimpfungen gemacht würden, warteten Dutzende arme Länder immer noch auf Impfdosen. Länder hätten auf seine Appelle hin zwar Impfdosen gespendet, aber bei weitem nicht genug, so der WHO-Chef.

Bisher vergeblich setzen sich die WHO und mehr als 100 Länder in der Welthandelsorganisation (WTO) dafür ein, dass der Patentschutz für Covid-19-Produkte aufgehoben wird. Die Pharmaindustrie, die Europäische Union und andere Länder wollen das nicht. Ohne Patentschutz seien Pharmafirmen nicht zu den hohen Investitionen bereit, die Innovationen hervorbrächten, argumentieren sie. Mit patentgeschützten Impfstoffen und Medikamenten nehmen Pharmafirmen Milliardenbeträge ein.

Biontech und Moderna wollen in Afrika produzieren
Die großen Player Moderna und Biontech/Pfizer verfolgen unterdessen eigene Pläne. Moderna will bis zu 500 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 442 Mio. Euro) in den Bau einer Impfstofffabrik in Afrika investieren, um jährlich bis zu 500 Millionen Dosen mRNA-Impfstoffe herzustellen. Mögliche Standorte sind Senegal, Ruanda und Südafrika. Auch Biontech/Pfizer will in wenigen Wochen mit der Produktion seines Corona-Vakzins in Südafrika beginnen.

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