Sterbehilfe

„Sarco“ soll Tod auf Knopfdruck ermöglichen

Elektronik
08.12.2021 06:00

Mit einer „Sarco“ genannten Kapsel aus dem 3D-Drucker möchte die australische Non-Profit Organisation Exit International die sogenannte Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr revolutionieren. Eine Zulassung für die Schweiz hat die „Selbsttötungsmaschine“ bereits erhalten.

Erfunden hat den „Sarco“ der australische Aktivist, Autor und ehemalige Arzt Philip Nitschke, der nach dem kurzfristigen Sterbehilfegesetz „Rights of the Terminally Ill Act“ 1996 in Australien als erster Arzt weltweit bei dem Suizid schwerstkranker Patienten assistierte. Mit seinem „Sarco“ will er die Sterbehilfe nun revolutionieren, indem er sie unabhängig von Ärzten und dem Einsatz von rezeptpflichtigen Substanzen macht, wie er im Interview mit swissinfo.ch erläutert.

Die im 3D-Verfahren gedruckte Kapsel soll sich demnach an jeden beliebigen Ort bringen lassen, um dann von der Person, die sterben möchte, von innen aktiviert zu werden. Nach der Beantwortung einer Reihe von Fragen, für die sich die Person „alle Zeit der Welt“ nehmen könne, wird der Innenraum auf Knopfdruck mit Stickstoff geflutet, während der Sauerstoffgehalt von 21 auf ein Prozent reduziert wird.

„Die Person fühlt sich ein wenig desorientiert und kann sich auch leicht euphorisch fühlen, bevor sie das Bewusstsein verliert. Der ganze Vorgang dauert etwa 30 Sekunden. Der Tod tritt durch Hypoxie und Hypokapnie ein, also durch einen Mangel an Sauerstoff bzw. Kohlendioxid. Es gibt keine Panik, kein Erstickungsgefühl“, wird Nitschke zitiert.

Freischaltung nach Online-Test
Im Gegensatz zur derzeit gängigen Methode der Beihilfe zum Selbstmord, bei der ein oder mehrere Ärzte flüssiges Natrium-Pentobarbital verschreiben und die geistige Fähigkeit der Person bestätigen, soll der „Sarco“ laut Nitschke „jede Art von psychiatrischer Begutachtung aus dem Prozess herausnehmen und der Person die Möglichkeit geben, die Methode selbst zu steuern.“

Ziel des 74-Jährigen ist es, ein Screening-System mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln, das die geistige Leistungsfähigkeit der Person feststellt. „Natürlich gibt es eine Menge Skepsis, vor allem vonseiten der Psychiatrie. Aber unsere ursprüngliche konzeptionelle Idee ist, dass die Person einen Online-Test macht und danach einen Code erhält, um Zugang zu ,Sarco‘ zu erhalten“, so Nitschke gegenüber swissinfo.ch.

Ebenfalls noch in Entwicklung befindet sich eine Kamera, die die Zustimmung der Person im Inneren des „Sarco“ zum assistierten Selbstmord aufzeichnet und es dieser zugleich ermöglicht, mit der Außenwelt zu kommunizieren. 2022 soll ein dritter „Sarco“, der nach der Herstellung von zwei Prototypen derzeit in den Niederlanden gedruckt wird, dann in der Schweiz einsatzbereit sein.

Unterschiedliche Formen der Sterbehilfe
Gemeinhin werden vier Formen der Sterbehilfe unterschieden. Die aktive Sterbehilfe wird auch als „Tötung auf Verlangen“ bezeichnet. Dabei führt eine Person den Tod eines Menschen auf dessen ausdrücklichen Wunsch aktiv herbei. Von ihr zu unterscheiden ist die assistierte Sterbehilfe, auch „Beihilfe zur Selbsttötung“ genannt. Dabei stellt ein Helfer die Mittel zur Verfügung, die Selbsttötung führt der Patient alleine durch. 

Mit indirekter Sterbehilfe bezeichnet man den Einsatz von Medikamenten, die den Zustand eines geschwächten Patienten kurzfristig verbessern, aber die Lebensdauer verkürzen, etwa durch starke Schmerzmittel. Passive Sterbehilfe bedeutet die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen auf Wunsch des Patienten (künstliche Beatmung oder Ernährung). Statt „passiver Sterbehilfe“ wird auch von „Behandlungsabbruch“ gesprochen.

Sterbeverfügungsgesetz passierte Justizausschuss
In Österreich passierte am Dienstag die Regierungsvorlage zum sogenannten Sterbeverfügungsgesetz mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS den Justizausschuss. Damit ist der Weg für den Nationalrats- und Bundesratsbeschluss im Dezember und das Inkrafttreten mit Jahresbeginn 2022 frei. Notwendig wurde das Gesetz, weil der Verfassungsgerichtshof das bisherige ausnahmslose Verbot der Hilfe zur Selbsttötung für verfassungswidrig erklärt hat.

Wäre bis zum Jahresende nichts geschehen, so wäre die Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr schlicht erlaubt gewesen. Konservative Organisationen und Religionsgemeinschaften hatten auf eine rechtliche Absicherung gedrängt, damit es nicht zu Missbrauch kommt. Weiter aufrecht bleibt das Verbot der aktiven Sterbehilfe.

Assistierter Suizid für Schwerkranke
Das neue Sterbeverfügungsgesetz regelt nun, unter welchen Voraussetzungen in Zukunft assistierter Suizid möglich sein soll. Schwer oder unheilbar Kranke, die volljährig und entscheidungsfähig sind, erhalten demnach die Möglichkeit dafür. Voraussetzung ist, dass die Sterbewilligen von einem Arzt aufgeklärt und die Krankheit festgestellt wird. Zudem muss die Entscheidungsfähigkeit von einem zweiten Arzt bestätigt werden. Nach einer Frist von zwölf Wochen (bei Personen, die nur eine sehr geringe Zeit zu leben haben, sind es zwei Wochen) kann beim Notar oder Patientenanwalt eine sogenannte Sterbeverfügung errichtet werden, mit der man Zugang zu einem letalen Präparat erhält.

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