Nichts geht weiter

Streit um Ermittlungen gegen Strasser

Österreich
24.03.2011 23:32
Die EU-Bürokratie will ihrem Ruf als lahme Ente offenbar auch bei internen Angelegenheiten gerecht werden. Um die Ermittlungen gegen den unter Korruptionsverdacht stehenden EU-Abgeordneten Ernst Strasser ist jetzt nämlich ein Streit ausgebrochen. Die Verwaltung des EU-Parlaments will die Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF nicht tätig werden lassen, weil diese angeblich nicht zuständig ist. Auf eine schiefe Optik hat indes der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser aufmerksam gemacht: Angeblich bewacht das zurzeit versiegelte Büro Strassers in Brüssel eine Firma, bei der der Ex-Innenminister bis Montag im Aufsichtsrat saß.

Schneller, als Ernst Strasser dreimal "Yeah" sagen kann, hat die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF Anfang der Woche ein Ermittlungsschnellverfahren gegen ihn eingeleitet, das am Mittwoch offiziell bestätigt wurde. Doch die Tätigkeit der Betrugsbekämpfer war jäh an die Mauern der Bürokratie gestoßen. Als OLAF-Ermittler am Dienstag die Büroräume Strassers in Brüssel besuchen wollten, verwehrte ihnen der Sicherheitsdienst des Parlaments den Zutritt.

Ex-Geldgeber Strassers als Bewacher?
Laut Ehrenhauser sollen dies Mitarbeiter der auch in Österreich tätigen Firma "G4S Security" sein, die das EU-Parlamentspräsidium mit der Versiegelung und Bewachung der Räume beauftragt hat. Mit G4S besteht ein 120 Millionen Euro schwerer Rahmenvertrag über die Gebäudebewachung in Brüssel, der aber laut Ehrenhauser vor der Auflösung steht. Strasser saß jedenfalls beim Österreich-Ableger von G4S bis Montag im Aufsichtsrat.

"Das ist so, als würde man einen Hund auf eine Wurst aufpassen lassen", erzürnt sich Ehrenhauser von der Liste Martin. Vonseiten des EU-Parlaments hieß es wiederum, dass Ehrenhausers Schilderung "ein Käse" sei. Es handle sich bei den Sicherheitskräften "um eine Wachfirma des EU-Parlaments". Diese sei von der Verwaltung beauftragt worden, niemanden in das Büro hineinzulassen.

Rücktritt erst jetzt rechtswirksam - OLAF nicht zuständig?
Dass die EU-Parlamentsverwaltung OLAF an der Durchsuchung des Strasser-Büros hinderte, hat offenbar zwei Gründe. Zum einen war eine Durchsuchung unmöglich, weil der ehemalige Innenminister rechtlich nach wie vor Abgeordneter war. Strassers Rücktritt war bis Donnerstag nämlich nur eine Ankündigung. Erst am Donnerstagvormittag unterschrieb er seinen Antrag auf freiwillige Niederlegung des Mandats in der Wiener Vertretung des EU-Parlaments und machte seinen Abtritt damit rechtskräftig, am 3. April tritt er definitiv aus dem Europaparlament aus. Strasser kam übrigens durch den Hintereingang, um der Presse zu entgehen.

Zum anderen verunmöglichte die Parlamentsdirektion aktiv eine Aufnahme von Ermittlungen, weil sie glaubt, dass OLAF gar nicht zuständig ist. In Mandatarskreisen hieß es am Donnerstag, es gebe unterschiedliche Rechtsansichten zwischen dem Europarlament und der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde. Die Aufgabe von OLAF sei es nämlich, eine falsche Verwendung von EU-Geldern zu kontrollieren, bei Strasser gehe es aber um den Vorwurf der Korruption.

Strasser verzichtet auf April-Gehalt und -Sekretariatszulage
Wie es am Donnerstag weiter aus Kreisen des Europaparlaments hieß, gab Strasser im Zuge seines Rücktrittsgesuchs auch bekannt, dass er auf sein Gehalt als EU-Abgeordneter in Höhe von rund 6.200 Euro netto im April verzichte. Strasser habe für April außerdem auf seine Sekretariatszulage in Höhe von 4.299 Euro zur Deckung der Bürokosten verzichtet, hieß es in den Kreisen weiter. Informell habe er auch angedeutet, auf weitere Zahlungen zu verzichten.

Ehrenhauser hatte von dem Politiker am Mittwoch verlangt, nach seinem Ausscheiden aus dem EU-Parlament auf seine Ansprüche auf Übergangsgeld und Ruhegehalt zu verzichten. "Die einzige logische Konsequenz kann für Strasser aber nur bedeuten, auf sämtliche Vergütungen als EU-Abgeordneter zu verzichten", so Ehrenhauser. Die EU-Abgeordneten haben nach Niederlegung ihres Mandates Anrecht auf eine sechsmonatige Fortzahlung ihres Gehalts zu Hundert Prozent. Außerdem stehen ihnen weiter für die Dauer von drei Monaten 50 Prozent der Sekretariatszulage zu.

Weitere Funktionen zurückgelegt
Einer anderen Forderung, er möge als Präsident des Niederösterreichischen Hilfswerks zurücktreten, kam Strasser ebenfalls nach. Er habe die Funktion selbst zur Verfügung gestellt, ebenso jene als Vizepräsident des Hilfswerks Österreich, hieß es am Mittwochnachmittag im Anschluss an eine außerordentliche Präsidiumssitzung der Landesorganisation. Interimistischer Nachfolger wird der Zweite Präsident des NÖ-Landtages, Herbert Nowohradsky.

Nicht mehr zurücktreten konnte Strasser von einer anderen Funktion, nämlich der im Beirat der Österreichischen Staatsdruckerei. Dort war er von 2008 bis 2010 Mitglied, der Beirat wurde aber 2010 aufgelöst, teilte die Staatsdruckerei am Mittwoch mit. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky hatte zuvor kritisiert, dass Strasser "nach wie vor" in diesem Beirat sitze und den Verdacht geäußert, "dass er dafür auch Geld kassiert". Laut Staatsdruckerei übten die Beiräte ihre Funktionen allerdings unentgeltlich aus.

ÖVP-Türen für Strasser verschließen sich
Bei Strassers (Noch-)Parteikollegen deutet indes alles darauf hin, dass die Türen für den abgetretenen EU-Mandatar, der seine Parteimitgliedschaft vorerst nur "ruhend" gestellt hat, wohl für immer verschlossen bleiben. Sowohl ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf als auch Ex-EU-Kommissar Franz Fischler machten am Mittwoch klar, dass sie für Strasser keinen Platz mehr in ihrer Partei sehen. Kopf erklärte, Strasser könnte "selbstverständlich" auch noch aus der Partei ausgeschlossen werden. "Aber das Ruhendstellen ist gleichbedeutend damit, keine Rechte und Pflichten eines Parteimitglieds zu haben, also auch keine Wahlrechte und ähnliche Dinge. Und ich glaube, das ist die konsequente, saubere Lösung in einem laufenden Verfahren, in das er verwickelt ist." Er gehe davon aus, dass Strassers Mitgliedschaft nicht mehr aufleben wird.

Fischler sieht durch die Causa nicht nur einen Schaden für die ÖVP, sondern für die Politik insgesamt. "Das schadet der Demokratie und das schadet Österreich als Land", denn damit werde Österreich als Land gesehen, "wo man es mit dem Code of Conduct (Verhaltenskodex, Anm.) nicht so genau nimmt", so Fischler. Letztlich entstehe dadurch auch ein Schaden für die Wirtschaft. Daher denke er, dass es notwendig wäre, in Österreich klare Regeln "für alle Parlamente" zu schaffen. "Es braucht eine Art Verhaltenscode und eine Einrichtung, die dafür sorgt, dass das transparent gemacht wird", sagte Fischler.

Anti-Korruptions-Enquete im Nationalrat
Die Causa Strasser hat auch eine erneute Diskussion um die Transparenz bei den österreichischen Abgeordneten entfacht. Nationalratspräsidentin Prammer möchte noch diese Woche in der Präsidiale eine von ihr gewünschte Enquete zum Thema Korruptionsvermeidung auf den Weg bringen. Es brauche eine "klare Trennung zwischen Politik und Lobbying", sagte ihr Sprecher am Mittwoch. In diesem Sinne könne man auch das Unvereinbarkeitsgesetz hinterfragen, erneut die Offenlegung von Nebeneinkünften debattieren - Dutzende Mandatare haben Nebenjobs - sowie prüfen, ob die Anti-Korruptions-Regeln im Strafgesetzbuch "möglicherweise zu präzisieren" seien. Die Enquete sollte tunlichst noch im Frühling stattfinden, wünscht sich Prammer.

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