Trucker-Mangel

Droht im Ländle ein britisches Fiasko?

Vorarlberg
03.10.2021 06:30

Schlägereien an der Tankstelle, leere Regale in den Supermärkten - der Mangel an Lkw-Fahrern hat für Großbritannien massive Folgen. In Vorarlberg gibt es zwar noch keine Versorgungsengpässe, doch auch bei uns stehen viele Lkw still. Und die Lage dürfte sich weiter verschärfen.

Kilometerlange Autoschlangen vor Tankstellen, vielerorts geht bereits zu Mittag der Sprit aus, nicht selten sind Raufereien die Folge. In den Supermärkten stehen ganze Regalreihen leer, gewisse Waren sind gar nicht mehr erhältlich - in Großbritannien gehört der Mangel derzeit zum Alltag.

Die Insel ist zwar weit weg, doch auch im Ländle ist nicht alles eitel Wonne. „Die Situation ist zwar noch nicht so dramatisch, es geht aber in die gleiche Richtung“, berichtet Michael Zimmermann, Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte „Transport und Verkehr“. Auch in Vorarlberg würden bereits bis zu 500 Lkw stillstehen, weil die Fahrer fehlen. „Wenn wir auf die nächsten fünf Jahre blicken, sind auch bei uns Engpässe und Probleme zu erwarten“, zeichnet er ein düsteres Zukunftsbild.

Die Zahlen sind dramatisch: Österreichweit fehlen derzeit rund 8000 Lkw-Fahrer. In den kommenden Jahren wird die Branche laut Erhebungen der Wirtschaftskammer weitere 15 bis 20 Prozent der Mitarbeiter durch Pensionierungen verlieren. Spätestens dann dürften mehr als 20.000 Fahrer fehlen. „Vor allem im regionalen Verkehr besteht ein akuter Mangel. Und die internationalen Transporte wurden ja ohnehin schon fast gänzlich von osteuropäischen Firmen übernommen“, sagt Zimmermann.

Nachwuchssorgen
Ein großes Problem sei neben der Rekrutierung die Nachwuchsausbildung. „Wir versuchen selbst, Lehrlinge zum Berufskraftfahrer auszubilden. Leider ist es schwierig, junge Menschen dafür zu begeistern. Heutzutage machen einfach viel zu wenige Jugendliche den Lkw-Führerschein.“ Der Mangel an Nachwuchs liegt aber auch daran, dass in Vorarlberg lediglich fünf Unternehmen Lehrlinge zum Berufskraftfahrer ausbilden. Bei der Firma Bischof, wo Zimmermann als Geschäftsführer tätig ist, schließen jährlich zwei bis drei Jugendliche die Lehre ab. „Die insgesamt rund zehn Lehrlinge pro Jahrgang, die wir in Vorarlberg schulen, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Laut Zimmermann könne der Weisheit letzter Schluss nicht darin liegen, auf Ostkräfte zu setzen. „Auch dort wächst die Wirtschaft und es gibt immer mehr gut bezahlte Arbeitsplätze.“

Das sieht Reinhard Stemmer von der zuständigen Gewerkschaft vida ähnlich. Er befürchtet zudem, dass mit ausländischen Fahrern das Lohndumping weiter forciert würde. Generell stelle sich die Frage, inwieweit das jahrelange Anwerben von Billigarbeitskräften die Misere mitverschuldet habe. Dass die angebotenen Stellen nicht ganz den Vorstellungen potenzieller Fahrer entsprechen, zeigt auch ein Blick auf die AMS-Zahlen: Aktuell sind österreichweit 1662 offene Stellen gemeldet - dem gegenüber stehen 1759 Fahrer, die einen Job suchen. Stemmer und Zimmermann sind sich jedenfalls einig, dass Handlungsbedarf besteht: „Wir wollen und müssen ein attraktiver Arbeitgeber sein“, stellt Zimmermann klar. „Wir versuchen zum Beispiel, neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Fahrer entgegenkommen - Stichwort Work-Life-Balance.“

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Die Situation in Vorarlberg ist zwar noch nicht so dramatisch, es geht aber in die gleiche Richtung wie in Großbritannien. Aktuell stehen bei uns bis zu 500 Lkw aufgrund fehlender Fahrer still. Wenn wir auf die nächsten fünf Jahre blicken, sind auch bei uns Engpässe und Probleme zu erwarten. Aufgrund von Pensionierungen dürften in Österreich bald 20.000 Lkw-Fahrer fehlen.

Michael Zimmermann

Bezahlung zu niedrig
Stemmer begrüßt diesen Ansatz, verweist aber zugleich darauf, dass an mehreren Schrauben gedreht werden müsse: „Vor allem braucht es ein anständiges Grundgehalt. Fahrer müssen ohne Zulagen von ihrem Gehalt leben können.“ Die Gewerkschaft fordert eine Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 2000 Euro. „Und es müssen alle Stunden korrekt ausbezahlt werden - leider gibt es immer wieder fehlerhafte Abrechnungen.“

Die Arbeitsbedingungen seien ebenfalls zwingend zu verbessern: „Wir fordern, dass die Asfinag einen Cent pro gefahrenem Lkw-Kilometer in Form einer Sozialmaut in den Ausbau der Sozialinfrastruktur investiert. Es kann nicht sein, dass Lkw-Fahrer ihre Bedürfnisse während der vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht zufriedenstellend abdecken könnten, weil es an einer finanziell erschwinglichen Infrastruktur mangelt.“

Dass die Branche ein Imageproblem hat, muss auch Zimmermann mit Bedauern feststellen: „Jeder braucht uns, aber keiner will uns“, verweist er auf die aktuelle Klima- und Umweltschutzdebatte. Dabei sei man sehr darum bemüht, mittels neuester Technologien die Schadstoff-Emissionen zu verringern. Doch leider gäbe es bislang noch keine praktikable Alternative zum Verbrennungsmotor. Und Fakt sei ebenfalls, dass nicht alle Gütertransporte auf die Schiene verlagert werden können: „Für die letzte Meile - also die Lieferung zum Supermarkt oder zur Tankstelle - wird es auch in Zukunft den Lkw brauchen.“

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