Bilder eines Amazon-Lagers inmitten eines Elendsviertels im mexikanischen Tijuana sorgen derzeit in den USA und darüber hinaus für Aufregung. Grund: Der weltgrößte Online-Händler soll dort für US-Kunden bestimmte Waren aus China zerlegen bzw. umverpacken, um sie dann unter Umgehung der ansonsten fälligen Zollkosten in die USA zu transportieren.
„Das wertvollste Unternehmen der Welt, dessen Besitzer zum Spaß ins Weltall geflogen ist, entwickelt eine Anlage in einem Slum in Tijuana, nutzt superausgebeutete Arbeitskräfte und eine Klausel, um Waren steuer- und kontrollfrei einzuführen, um sein Einzelhandelsmonopol auszuweiten, während die Arbeitnehmer 60-Stunden-Wochen, obligatorische Überstunden und bestrafende Megaschichten leisten? Das ist Kapitalismus“, schreibt Charmaine Chua auf Twitter - und sorgt damit für mächtig Wirbel.
p.s. the minimum wage in Mexico is $9USD per day.
— Charmaine Chua (@CharmaineSChua) September 7, 2021
So, yeah: the most valuable company on the planet, whose owner went to space for kicks, developing a facility on top of a slum in TJ, making use of superexploited labor & a USMCA clause to import goods tax & inspection free.. 9/
..in order to expand its retail monopoly, while workers work 60 hour work weeks, on mandatory overtime, on punishing megacycle shifts? This Amazon boosters laud for creating jobs, but that will destroy more stable jobs than it could ever create? This is capitalism, alright. 10/10 pic.twitter.com/FpGIvV2etR
— Charmaine Chua (@CharmaineSChua) September 7, 2021
Zoll-Schlupfloch
Chua ist Assistenzprofessorin an der Fakultät für Global Studies an der University of California in Santa Barbara. In einer Reihe von Tweets berichtet sie unter Berufung auf Recherchen des Doktoranden Spencer Potiker, wie Amazon - moralisch zwar fragwürdig, aber ansonsten ganz legal - Zollkosten in Millionenhöhe umgeht, indem der Online-Händler aus den USA in China bestellte Ware zunächst in einem Verteilzentrum im mexikanischen Tijuana „umverpackt“.
Die Waren werden demnach dort auf Päckchen und teils sogar Tragetaschen verteilt, deren Wert jeweils unter 800 Dollar liegt - die seit einem 2016 zwischen beiden Ländern geschlossenen Handelsabkommen geltende Zollfreigrenze für die Einfuhr von Waren aus Mexiko in die USA. Anschließend würden die Waren in das nur 24 Minuten entfernte Amazon-Zentrum Otay Mesa im kalifornischen San Diego über die US-Grenze gebracht, wo sie dann wieder zusammengeführt und versandt würden.
The new Tijuana DC is not there to serve the local market. It will employ superexploited Mexican labor to dissemble goods for import across the border. It's 24 minutes away from Amazon's new Otay Mesa FC in San Diego county - the largest warehouse in the US at 3.3 mill sq ft. 5/ pic.twitter.com/rfNAavKG6o
— Charmaine Chua (@CharmaineSChua) September 7, 2021
Direkteinfuhr aufgrund von Strafzöllen zu teuer
Hintergrund sei, so Chua, dass der direkte Handel zwischen den beiden Ländern durch die von Ex-US-Präsident Donald Trump auferlegten Strafzölle für Waren aus China für E-Commerce-Unternehmen zu teuer geworden sei. „Das neue Werk in Tijuana ist nicht dazu da, den lokalen Markt zu bedienen. Es wird superausgebeutete mexikanische Arbeitskräfte beschäftigen, um Waren für den Import über die Grenze zu zerlegen“, kritisiert Chua.
Amazon verweist auf Arbeitsplätze
Gegenüber amazon-watchblog.de erklärte ein Amazon-Sprecher, dass das Unternehmen in Mexiko mehr als 15.000 Arbeitsplätze, davon 250 in Tijuana, geschaffen habe. Dies seien „gute Jobs mit wettbewerbsfähigen Gehältern und Zusatzleistungen“, die den Gebieten helfen würden, „zu wachsen und eine bessere Zukunft aufzubauen“.
Dem hält Chua dagegen: „Amazon wird von den Befürwortern für die Schaffung von Arbeitsplätzen gelobt, wird aber mehr stabile Arbeitsplätze vernichten, als es jemals schaffen könnte? Das ist Kapitalismus, alles klar.“
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