Interview & Album

Weezer: „Waren immer das Gegenteil aller anderen“

Musik
05.05.2021 08:00

Von College-Nerds zu Arbeitstieren. Weezer nutzten Mitte der 90er-Jahre das Post-Grunge-Momentum für sich, haben dann aber einige Jahre die Spur verloren. Irgendwann entschieden sich Rivers Cuomo und Co. ihren klanglichen Eklektizismus einfach in einzelne Alben zu gießen und sich damit völlig frei zu entfalten. So ist es möglich, dass im Jänner mit „OK Human“ ein Orchester-Album erschien, während das brandneue „Van Weezer“ den Metal- und Rock-Vorliegen der 80er-Jahre geschuldet ist. Warum man nur niemals dem Trend folgen sollte, erklärt uns der Frontnerd im launigen Interview.

(Bild: kmm)

„Krone“: Rivers, schön dich zu hören. Wie geht es dir und Los Angeles gerade? Verbessern sich die Dinge in punkto Corona auch schon zusehends?
Rivers Cuomo:
Es läuft wirklich gut und ich bin wahnsinnig glücklich darüber. Vor vier, fünf Monaten war es brutal, aber mittlerweile ist das halbe Land durchgeimpft und die Inzidenzzahlen sind so niedrig wie noch nie. Es ist auf jeden Fall Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Und dazu gibt’s auch noch ein neues Album von euch, nach „OK Human“ im Jänner schon das zweite in diesem Jahr. „Van Weezer“ ist ein Tribut an eure Liebe an den Heavy Metal und Hard Rock. Wie kam es zu diesem Werk?
Ein solches Album war wirklich das Allerletzte, an das ich bis vor kurzem noch gedacht hätte. Vor ein paar Jahren spielten wir einmal einen Gig und zwischen zwei Songs habe ich rein aus Lust und Laune heraus mit der Gitarre geschreddert. Das Publikum ist völlig ausgezuckt, also habe ich weitergemacht und mit beiden Händen auf der Gitarre getappt und die Leute sind noch ärger ausgerastet. (lacht) Am Ende kam aus dieser lustigen Verlegenheitslösung ein Album raus und ich glaube unsere Fans sind bereit dazu, endlich wieder richtig abzurocken.

Du warst in deinen jungen Jahren ein Metalhead und Punk-Rocker, liebtest KISS, Black Sabbath und all die anderen Größen, auf die ihr bei „Van Weezer“ referenziell eingeht. Wie sehr hat diese Musik dich selbst geprägt?
Ich bin in den 80er-Jahren aufgewachsen und wir alle bei Weezer haben das Spielen auf unseren Instrumenten durch das Covern von Metalsongs erlernt. Von Dio über Judas Priest bis hin zu Iron Maiden oder Metallica war da alles dabei. Unser Debüt, das „Blue“-Album, kam 1994 zu einer Zeit, wo alle unsere erlernten Techniken auf der Gitarre oder dem Schlagzeug schlagartig uncool waren. Wir hatten diese Fähigkeiten also, aber du hörst auf dem Debüt fast nichts davon. Wir haben dieser Zeit jetzt aber vergeben und finden, es ist die richtige Zeit, um mit harten Riffs wieder richtig loszulegen. (lacht)

Musikalisch ist „Van Weezer“ auch gar nicht so weit von eurem 2002er 80er-Rock-Werk „Maladroit“ entfernt. Ist das neue Album vielleicht eine Art Fortsetzung davon, weil „Maladroit“ nie die Aufmerksamkeit bekam, die das Album verdiente?
Ich habe das Album fast schon vergessen, aber du hast nicht Unrecht. „Maladroit“ war schon eine Rock-Hommage, aber dem Album fehlten damals die typischen Weezer-Zutaten. Die Angeberei auf den Gitarren und die dicken Riffs stachen leider nicht ganz so deutlich hervor. Die Musik war einfach nicht so klassisch an die Heavy-Metal-Riffs der 80er angelegt, wohingegen „Van Weezer“ genau die richtige Mischung aus diesen Merkmalen ist.

Der Albumtitel wurde von dir entschieden, als Gitarrengott Eddie Van Halen letzten Herbst im Alter von 65 tragisch verstarb. Wie groß war der Schock für dich als Musiker und Fan?
Sein Tod war jetzt kein großer Schock, denn man wusste seit längerer Zeit, dass er gesundheitlich absolut nicht mehr auf der Höhe war. Es fühlt sich nie gut an, wenn jemand verstirbt, den du selbst lange bewundert hast. Wir haben 2019 aber auch Ric Ocasek verloren, der zwischenzeitlich bei den Cars sang, drei unserer Alben produzierte und immer ein sehr großer Einfluss für die Band war.

Am Beginn des Songs „The End Of The Game“ hört man ein Van-Halen-Riff und auch ansonsten klaut ihr mit großer Liebe und Ehrerbietung immer wieder von den Großen. War das ein persönlicher Wunsch, um den eigenen gebührend Helden zu huldigen?
Das Album war im Prinzip schon fertig, als Eddie verstarb. Wir hatten davor nicht speziell Van Halen im Kopf, sondern wollten uns an all diesen 80er-Rock-Bands orientieren. Das Drumfill am Beginn von „I Need Some Of That“ ist Quiet Riots „Metal Health“ nachempfunden und das „Crazy Train“-Riff von Randy Rhoads leitet „Blue Dream“ ein. Wir haben uns über alles aus dieser Ära gefreut.

Ein klassischer Sprung zurück in die eigene Jugend also.
Kann man so sagen. Es hat so unglaublich viel Spaß gemacht, denn von dort komme ich und da habe ich alles gelernt, was ich heute auf der Bühne so aufführe. Es war zeitweise etwas deprimierend, dass wir diese Riffs so viele Jahre versteckt haben und es ist wie ein Befreiungsschlag, all das nun vor unseren Fans rauslassen zu können. Ich bin schon extrem aufgeregt, wenn es endlich wieder auf die Bühne geht.

Gibt es eine zusammenhängende Geschichte auf „Van Weezer“?
Es ist definitiv kein Konzeptalbum. Ich müsste die Texte noch einmal analysieren, aber es geht wohl um die großen Themen. Das Album ist sehr fröhlich und es geht um Veränderungen und das Ende der Welt, aber nicht apokalyptisch, sondern sehr leichtfüßig. (lacht) Nostalgie ist auch ein wichtiges Thema.

Dauernd zurückzuschauen ist ja eine ambivalente Sache. Bist du jemand, der gerne in die Vergangenheit blickt?
Nicht so richtig. Ich will mich vor allem nicht wiederholen. Wenn ich bemerkte, dass neue Songs ein Thema oder eine Melodie von früher aufgreifen oder zu ähnlich werden, dann verwerfe ich diese Idee sofort. Rund um das „Red“-Album 2008 und kurz davor habe ich viele Songs geschrieben, in denen ich auf meine Kindheit und Jugend zurückgeschaut habe. 2010 auf „Hurley“ haben wir dann den Song „Memories“ veröffentlicht und da sagte ich mir: „Das war es jetzt aber. Keine Songs mehr über Erinnerungen und die alten Zeiten“. (lacht) Auf „Van Weezer“ gibt es nur mehr leichte Spuren in diese Richtung, ansonsten habe ich mich ganz gut davon gelöst.

Rivers, dein Musikgeschmack reicht von den Beach Boys bis Eminem, von Nirvana bis zu Orchestern und von Musical zu Miley Cyrus. Du magst im Prinzip alles, was für dich gut klingt und einen Wert hat. Erschwert das für dich als Musiker selbst zu komponieren, weil du derartig bunt denkst und hörst?
Für viele Jahre war es ein bisschen wie ein Fluch, weil ich nie wirklich herausfand, wie ich ein Album machen könnte, dass alles, was ich an Musik liebe, verinnerlichen würde. Das führte zu ein paar konfusen Alben, um es so zu sagen. Vor ein paar Jahren bin ich draufgekommen, dass jedes Album eine großartige Version eines bestimmten Genres sein sollte. Wenn ich einen Song schreibe, der nicht auf das Grundkonzept passt, dann fange ich mit diesem Song einfach ein neues Album an. (lacht) So haben wir seit einigen Jahren zunehmend thematisch orientierte, einzigartige Alben, die immer öfter erscheinen. „Van Weezer“ entstand zur gleichen Zeit wie „OK Human“, wo es um Orchester und das Piano geht und man überhaupt keine Gitarre hört. Ich habe jeden Tag komponiert und je nach Gefühl schrieb ich einen Song für dieses oder jenes Album. Nur war ich dieses Mal mit allem zufrieden und endete nicht mit einem Album, das wieder zwischen allen Stühlen stand.

Niemals Trends zu folgen, immer das zu machen, was man gerade will und sich einen Dreck um den Markt zu scheren - ist das eines der wichtigsten Geheimnisse eures Erfolgs, der schon fast 30 Jahre andauert?
Möglicherweise. Seit ich in der High School war habe ich darauf geachtet, dass ich nicht so bin wie die anderen Kids. Wenn also gerade ausgewaschene Jeans in waren, habe ich mich bewusst in schöne und neue geworfen. (lacht) Als wir mit Weezer in den kleinen Clubs loslegten, wollte jeder in einer Grunge-Band sein. Lange, verwaschene Haare, Tattoos, Nasenringe - das war der Style, der damals salonfähig war. Was haben wir gemacht? Uns die Haare geschnitten, einen schönen Pulli angezogen und den Scheitel gezogen. Wir wollten immer das Gegenteil von allen anderen sein und so waren wir eben die Nerds.

Mit Rock- und Metalmusik lässt sich bei der jungen Generation keine große Karriere mehr bilden. Zumindest hat man das Gefühl, wenn man sich heute die US-Charts ansieht. Wie siehst du die Lage bei der durch Verstärker gejagte Gitarrenmusik im Mainstream bestellt?
Ich will einfach die Musik machen, die ich liebe und selbst gerne höre. Nimm doch Mozart als Beispiel heran. Er komponierte die wahrscheinlich beste Musik, die es zu dieser Zeit gab, aber keinen Menschen hat das interessiert. Hunderte Jahre später liegen ihm die Menschen zu Füßen und viele sehen Mozart als Vorbild. Keinen interessiert es heute mehr, dass er 1775 total out war. (lacht) Man muss einfach die Einstellung adaptieren. Ich mag zeitlose, großartige Musik. Wenn die erst irgendwann später verstanden wird, ist das für mich auch okay.

Du hast letztes Jahr rund 2600 Soundfiles aus deinem enormen Archiv zur Verfügung gestellt. Warst du dabei von Neil Young inspiriert, der sein Online-Archiv in regelmäßigen Abständen auffettet und für die Fans zugänglich macht?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Neil Young das praktiziert, aber ich finde es gut, dass er das macht. Ich habe mich für so einen Web-Programmier-Kurs angemeldet und erst dadurch kam die Sache ins Rollen. So kamen diese Demos zum Vorschein und ich dachte mir, dass ich sie ja an die Leute verkaufen könnte, die das wirklich interessiert. Das war mit der Software möglich, die für meinen Webstore in mein Leben kann. Es war eine einmalige Möglichkeit und alle waren darüber glücklich. Es gibt Pakete, wo ungefähr 1000 Demos für neun US-Dollar zum Verkauf stehen. Die Leute freuen sich darüber, teilen diesen Besitz im Internet und geben mir Feedback. Es sind also nicht nur Dateien aus den Untiefen meiner Vergangenheit, sie bringen den Leuten wirklich Spaß und das ist schön.

2022 sollte es endlich mit eurem Österreich-Auftritt klappen, wenn ihr mit Green Day und Fall Out Boy ins Happel-Stadion nach Wien kommt. „Van Weezer“ ist dafür ja das perfekte Album.
Wir werden sicher einige Songs von „Van Weezer“ spielen, aber wir waren so lange nicht mehr bei euch, dass wir lieber einen bunten Querschnitt spielen. Viele Fans haben uns vielleicht noch nie gesehen und niemals unsere Songs live gehört, also gehen wir gerne zurück bis zum Debütalbum. Wir wollen sichergehen, dass all die großen Songs der letzten Dekaden ihren Platz im Liveset haben.

Und das nächste Projekt wird von euch bereits aktiv beackert…
Ja, es nennt sich „Seasons“. Dabei sollen vier Alben entstehen, die die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter repräsentieren. Viel mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen.

Live in Wien
Die „Hella Mega Tour“ musste zwar schon ein zweites Mal verschoben werden, aber Weezer sollten mit Green Day und Fall Out Boy nun am 19. Juni 2022 im Wiener Ernst-Happel-Stadion für Furore sorgen. Ein Hingehen lohnt sich gewiss, waren Weezer zuletzt doch 2005 in Österreich zugegen. Karten und weitere Infos gibt es unter www.oeticket.com

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