Insekten-„Tsunami“

Lautes Spektakel: Washington vor Zikaden-Invasion

Wissenschaft
25.04.2021 13:35

Für Insektenhasser ist es ein Horrorszenario. Alle anderen Bewohner rund um die US-Hauptstadt Washington können sich auf ein ebenso seltenes wie lautes biologisches Spektakel einstellen: Alle 17 Jahre schlüpft im Osten der USA eine bestimmte Zikaden-Art, die Brut X (römisch Zehn) genannt wird und für ihren Lärmpegel berüchtigt ist. In diesem Frühjahr ist es wieder so weit.

Bald werden Milliarden Insekten der Gattung Magicicada die Bäume bevölkern und die männlichen Tiere werden mit ohrenbetäubendem Zirpen um eine Partnerin für die Fortpflanzung werben. Ihre Überlebensstrategie ist ebenso brutal wie effektiv.

Bei 18 Grad kriechen die Insekten aus der Erde
Wenn sich der Boden auf etwa 18 Grad erwärmt, kriechen die Zikaden aus der Erde, in die sie sich als sogenannte Nymphen (ähnlich der Larven bei anderen Insekten) vor 17 Jahren eingegraben haben. Damals regierte in den USA George W. Bush als Präsident und Griechenland wurde Fußball-Europameister. Frische Löcher im Waldboden zeugen bereits davon, dass zumindest eine Vorhut der Zikaden bereits unterwegs ist.

„Sie klettern auf das Erste, was sie finden können, und häuten sich zu einem Erwachsenen mit weichem, weißem, geflügeltem Körper“, erklären Insektenforscher der Universität des US-Bundesstaates Maryland, der an Washington angrenzt. „Es dauert etwa vier bis sechs Tage, bis ihr Außenskelett ausgehärtet ist. Dann fliegen sie in die Baumkronen, um sich zu paaren.“

Zirpen der Männchen ist 90 Dezibel laut
Das Zikaden-Epizentrum soll in diesem Jahr rund um Washington liegen. Experten erwarten zum Höhepunkt Mitte Mai einen „Tsunami“ von Milliarden der Insekten, die dann in 15 Bundesstaaten im Osten der USA in den Bäumen sitzen. Im Schnitt sollen auf die Fläche von etwas mehr als einem halben Fußballfeld eineinhalb Millionen Zikaden kommen. In den Bäumen beginnen die männlichen Zikaden mit ihrer vibrierenden Membran ihr lautstarkes Zirpen, das Weibchen anlocken soll und Lärmpegel von 90 Dezibel und mehr erreichen kann - vergleichbar mit dem eines Benzin-Rasenmähers.

Apropos Rasenmäher: Die „den faszinierendsten Insekten der Welt“ gewidmete Website „Cicada Mania“ warnt davor, Rasenmäher anzuwerfen - weil die Insekten das Geräusch mit dem Zirpen ihrer Artgenossen verwechseln können. „Sie werden verwirrt und landen auf den Menschen, die die Geräte benutzen“, schreiben die Zikaden-Fans. Ihr Profi-Tipp: „Mähen Sie Ihren Rasen in den frühen Morgenstunden oder in der Abenddämmerung, wenn die Zikaden weniger aktiv sind.“ Noch ein Tipp: Vorsicht unter Bäumen, von denen die „Honigtau“ oder „Zikadenregen“ genannten Ausscheidungen der Insekten fallen können.

17-Jahre-Rhythmus für Forscher ein Rätsel
Warum die Brut-X-Zikaden ausgerechnet alle 17 Jahre aus der Erde kriechen, gibt Wissenschaftlern Rätsel auf - andere Zikaden-Arten erscheinen alle 13 Jahre, wiederum andere jährlich. Der lange Zeitraum erschwert es ihren natürlichen Feinden jedenfalls, sich auf ihren Zyklus einzustellen. Das heißt nicht, dass nicht etliche Brut-X-Zikaden gefressen werden - auch von Haustieren. Ihre Überlebensstrategie basiert auf dem massenhaften Auftreten.

„Zikaden sind ein Thanksgiving-ähnliches Fest für Wildtiere“, schreibt die „Washington Post“ über die bevorstehende Invasion. „Wenn sie auftauchen, fressen sich Vögel, Eichhörnchen, Streifenhörnchen, Stinktiere, Ameisen, Waschbären, Schlangen, Frösche und Opossums etwa eine Woche lang satt, bis sie in ein Fresskoma fallen.“ Irgendwann haben sich die natürlichen Feinde überfressen. Was von der Brut X dann noch übrig ist, pflanzt sich fort.

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