Psychologe erklärt:

„Corona-Krise ist Nahrung für die Querulanten“

Salzburg
21.02.2021 08:25

Anonyme Anzeigen gegen geimpfte Bürgermeister. Menschen, die ihre Nachbarn anschwärzen, weil sie Corona-Regeln brechen. Zwei Beispiele, ein großes Thema: das augenscheinlich grassierende Denunziantentum. Gerade in Krisenzeiten fällt das Verhalten mancher Mitmenschen auf. Die „Krone“ hörte sich bei Behörden um und fragte einen Psychologen nach dem „Warum“.

Der Paragraf 178 StGB – Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten – ist Top-Thema am Gericht: Gab es in der Vergangenheit gefühlt ein oder zwei Fälle pro Jahr, finden nun schon wöchentlich Prozesse statt. Grund: Covid-19 ist meldepflichtig. 32 Strafverfahren sind zurzeit in Salzburg anhängig, 17 Strafanträge wurden bereits eingebracht. Von 54 Anzeigen wurden bei 13 die Verfahren eingestellt, neun waren von vornherein „haltlos“.

Doch wie kommen die Behörden zu Corona- und Quarantäne-Sündern? „Ein Teil betrifft Kontrollen durch die Gesundheitsbehörden oder Polizei, der andere Teil sind Hinweise aus der Bevölkerung“, sagt Barbara Fischer von der Staatsanwaltschaft. Der Zufall spiele manchmal genauso eine Rolle wie anonyme Tipps. Auch Redaktionen erhalten öfter unterschriftenlose Zettel mit Anpatz-Versuchen – die Polizei dagegen hat „nur vereinzelt“ damit zu tun, meint Hans Wolfgruber: „Solche Hinweise sind nicht immer dienlich, da Rücksprache oder Zeugenaussage nötig sind.“

Zitat Icon

Alles was uns zur Kenntnis kommt, müssen wir uns entsprechend den Gesetzen anschauen und verfolgen.

Barbara Fischer, Leiterin der Staatsanwaltschaft Salzburg

Wieso schwärzen Menschen überhaupt ihre Nachbarn an? Hat die Krise das Denunzieren und Vernadern verstärkt? Letztere Frage verneint der Psychologe Alexander Gappmaier: „Wir sind nicht als Gemeinschaft egozentrischer geworden. Vielmehr stellt ein Teil der Mitmenschen das ,Ich’ jetzt stärker in den Vordergrund, und ein anderer Teil das Soziale, das ,Wir’.“

Die Furcht oder das Ego können die Ursache sein
Dass jemand jemanden anpatzt, kann an der Persönlichkeit liegen, erklärt Gappmaier: Einerseits ist es die Furcht, selbst zu erkranken, andererseits das eigene Ego. Es gäbe eine eigene Krankheitsform: die paranoide Persönlichkeitsstörung, worunter querulatorische Personen fallen. „Diese kommt gar nicht so selten vor“, so Gappmaier. Aber: „Es muss nicht gleich bei jedem eine Störung sein.“ Querulanten beharren laut dem Experten auf ihr Recht. Sie nehmen Verschwörungen eher an und sehen diese als ihre Wahrheit. „Daher akzeptieren sie keine Argumente und leben ihr subjektives Recht aus, ohne auf das objektive zu achten.“

Auf die Corona-Krise angesprochen bemerkt der Psychologe „eine leichte Zunahme“ der Patienten. Selbst weiß er nur zu gut, was Corona bedeutet. Wochenlang war der 53-Jährige ans Spitalbett gefesselt: „Wir sollten Argumente zulassen und lösungsorientiert entscheiden.“

Zwei Fragen an Alexander Gappmaier:

Herr Gappmaier, was sind die Ursachen für das Denunzieren von Leuten?
Aus psychologischer Sicht gibt es zwei Ursachen für ein solches Verhalten: Erstens kann es an der Persönlichkeit liegen, wir Psychologen unterscheiden zwischen Akzentuierungen und Störungen. Gerade für querulatorische Persönlichkeiten kann die Krise als Nährboden dienen. Zweitens geht es um die situativen Belastungen, welche Reaktionen hervorrufen. Bei Persönlichkeiten, die unsicher-ängstlich strukturiert sind, kann es sich hochschaukeln. Leute mit querulatorischer Persönlichkeit haben eine Neigung zu ständigem Groll, zu Streitsucht, sowie eine Tendenz zu einem stark erhöhten Egozentrismus.

Warum patzen diese Leute dann andere an?
Sie brauchen das für ihr eigenes positives Befinden, es befriedigt sie. Darum kommt man auch mit Argumenten nicht an. Überhaupt lässt jede extreme Meinung schwer andere Argumente zu. Ganz schwierig ist aber die strikte Ablehnung von anderen Meinungen.

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