Ab Juli 2011 in Kraft

“RWR-Card”: Wie Zuwanderung künftig funktioniert

Österreich
09.12.2010 13:04
Im November 2008 schrieb sich die damals neue rot-schwarze Koalition eine "Rot-Weiß-Rot-Card" ins Regierungsprogramm. Zwei Jahre später ist die österreichische Version der US-"Green Card" für die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten endlich auf Schiene. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Innenministerin Maria Fekter stellten das "kriteriengeleitete System" am Donnerstag offiziell vor. Und so soll Zuwanderung künftig funktionieren:

Die Karte(n)
Das "starre Quotensystem", das keine Rücksicht auf Qualifikation nehme, "wird durch ein kriteriengesteuertes System ersetzt", sagte Innenministerin Fekter bei der Präsentation. Qualifizierte Zuwanderer aus EU-Drittstaaten sollen die RWR-Card, die ab Juni 2011 eingeführt werden soll, in erster Linie mit einem Jobangebot und nach Erfüllung bestimmter Kriterien erhalten. Für bestimmte Spitzenkräfte wird es auch ein "Jobsucher-Visum" geben, das ein halbes Jahr gilt.

Die RWR-Card gilt auf ein Jahr befristet und muss verlängert bzw. in eine "Rot-Weiß-Rot-Card plus", die dann ein, drei oder fünf Jahre gilt, umgewandelt werden. Die normale Karte berechtigt laut dem Gesetzesentwurf "zur Niederlassung und zur Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber". Nach einem Jahr und mindestens zehn Monaten durchgängiger Beschäftigung wird eine "Rot-Weiß-Rot-Card plus" ausgestellt. Sie berechtigt dann "zur Niederlassung und zum unbeschränkten Arbeitsmarktzugang".

Drei Personengruppen
Um eine RWR-Card können sich drei Personengruppen bewerben:

  • Hochqualifizierte Migranten: zum Beispiel Manager, Mediziner, Forscher oder IT-Spezialisten 
  • Qualifizierte Migranten mit Mangelberufen: zum Beispiel Pfleger, Fräser, Dreher bzw. je nach Arbeitsmarktlage, was derzeit auch "gut ausgebildete Köche" mit einschließt. Als Mangelberufe gelten generell Berufe, für die pro gemeldete offene Stelle höchstens 1,5 Arbeitslose vorgemerkt sind. 
  • "Sonstige Schlüsselkräfte", die nicht durch im Inland Arbeitsuchende abgedeckt werden können. Hierfür muss aber ein sogenanntes Ersatzkraftverfahren durchlaufen werden. Sie werden die größte Gruppe an RWR-Bewerbern darstellen. Als Beispiel wurde ein Disponent im Transportwesen mit ukrainischen Sprachkenntnissen genannt. Das ist zwar kein Mangelberuf, in Österreich aber praktisch unauffindbar.

Sowohl für Fachkräfte als auch Schlüsselkräfte gilt, dass sie nur dann zugelassen werden können, wenn für die beabsichtigte Beschäftigung keine gleich qualifizierte inländische oder integrierte ausländische Arbeitskraft zur Verfügung steht. 

Kriterienkatalog und Punktesystem
Die RWR-Card orientiert sich an einem Punktesystem mit Höchstzahlen von 75 bzw. 100 Punkten. Die wichtigsten Kriterien sind berufliche Qualifikation, Ausbildung, Position im derzeitigen Job und das Alter des Zuwanderungswilligen, Sprachkenntnisse spielen nur bedingt eine Rolle. Ab 70 Punkten ist man für ein "Jobseeker-Visum" qualifiziert und kann auch ohne ein konkretes Arbeitsplatzangebot für ein halbes Jahr bleiben. Findet man in dieser Zeit einen Job, erhält man die RWR-Card.

PDF-Dokument mit dem Punktesystem im Detail siehe Infobox.

"Durch transparente Kriterien erleichtern wir genau jenen hochqualifizierten Menschen, die wir am dringendsten brauchen, den Zugang zum Arbeitsmarkt. Gleichzeitig geben wir damit die richtige Antwort auf den demographischen Wandel, um einen Fachkräftemangel zu Lasten der Wirtschaft zu verhindern", sagte Wirtschaftsmininster Mitterlehner.

Strenge Vorschriften beim Gehalt
Nicht nur die Bewerber müssen Kriterien erfüllen, auch der Job, den sie in Österreich ausüben wollen, muss passen - vor allem in Sachen Gehalt. Für Facharbeiter in Mangelberufen und die "sonstigen Schlüsselkräfte" gelten bestimmte Verdienstuntergrenzen: Für Mangelberufe genügt noch der jeweilige Kollektivvertrag bzw. die "betriebsübliche Bezahlung", für sonstige Schlüsselkräfte ist ein Mindestentgelt von 60 Prozent der Höchstbeitragsgrundlage (2.520 Euro) vorgesehen, für junge Zuwanderer unter 30 muss es 50 Prozent der Höchstbeitragsgrundlage (2.100 Euro) geben.

Auch Arbeitgeber in der Pflicht
Besonders von Sozialminister Hundstorfer hervorgehoben wurde am Donnerstag, dass mit der RWR-Card auch die illegale Beschäftigung von Ausländern durch mehr Kontrolle und härtere Strafen bekämpft wird. So wird der Auftraggeber verpflichtet, dem AMS die Beschäftigung von Ausländern ohne Daueraufenthalt (also mit RWR-Card) zu melden. Bei Verstoß gegen bestimmte Sorgfaltspflichten haftet der Auftrag- bzw. Arbeitgeber für den unmittelbaren Auftrag- bzw. Arbeitnehmer. "Es kann auch zu Ausschlüssen von öffentlichen Zuwendungen kommen und zu einer Rückzahlung der Förderungen der letzten zwölf Monate bei wiederholten Verstößen", so Hundstorfer: "Die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften ist kein Kavalierdelikt."

Was passiert mit Angehörigen?
Angehörige von Fachkräften mit RWR-plus-Card sollen ebenfalls eine Plus-Card erhalten. Die Karte mit unbeschränktem Zutritt zum Arbeitsmarkt soll es auch für Fälle des humanitären Aufenthalts, für Fälle der Niederlassungsbewilligung sowie für Fälle der "Blauen Karte" der EU im Verlängerungsfall geben. 

Stichwort "Blaue Karte": Erst mit der RWR-Card wird die EU-Richtlinie für die "Blue Card" bzw. "Blaue Karte" umgesetzt, diese regelt die Bedingungen für Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU. Fekter glaubt, dass die RWR-Card die "Blue Card" verdrängen wird, da sie attraktiver sei.

Stichwort: Deutschkenntnisse
"Wer sich in Österreich niederlassen möchte, muss künftig schon im Vorfeld Deutschkenntnisse vorweisen können und diese dann im Laufe seines Aufenthalts stetig verbessern. Nur so kann ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und in der Folge auch die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt werden", meinte ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger. 

Ganz so ist es aber nicht: Die Spitzen- und Fachkräfte, die mit der RWR-Card nach Österreich zuwandern sollen, müssen vor dem Zuzug keine Deutschkenntnisse aufweisen. Diese sind zwar ein Kriterium und bringen dem Zuwanderungswilligen Punkte bei der Bewerbung, sind aber kein Muss. Für Familienangehörige wird es unterschiedliche Regelungen geben. Familienangehörige von Topfachkräften der ersten Säule müssen ebenfalls keine Deutschkenntnisse vor der Einreise aufweisen, jene der Säulen zwei und drei (sonstige) müssen hingegen zumindest elementare Sprachkenntnisse aufweisen.

Der Spracherwerb während des Aufenthalts beschleunigt die Verlängerung des Aufenthalts. Wenn zum Beispiel nach zwei Jahren das Sprachniveau B2 (= gute Deutschkenntnisse vergleichbar mit Englisch-Maturaniveau) erreicht wird, wird der Aufenthalt um drei Jahre statt nur um ein Jahr verlängert. Für einen permanenten Aufenthalt muss dann aber fließend Deutsch beherrscht werden.

RWR-Card auch für Studenten aus EU-Drittstaaten
Die RWR-Card regelt auch den Bereich Uni-Absolventen aus Drittstaaten, die in Österreich studiert haben, neu: "Wir wollen diese Studenten nicht mehr nur für teures Geld ausbilden und sie nach ihrem Abschluss nach Hause schicken, sondern möchten ihr Potenzial stärker nützen", meinte Mitterlehner. Ausländische Studenten, die ihr Studium in Österreich absolviert haben, sollen hier bleiben dürfen, wenn sie ein Jobangebot mit einer Bezahlung von 45 Prozent der Höchstbeitragsgrundlage (rund 1.900 Euro) vorweisen können. 

Laut Wissenschaftsministerin Beatrix Karl in Österreich haben vergangenes Jahr rund 27.000 Personen ein Studium beendet, 1.300 davon kamen aus EU-Drittstaaten. Jeder Fünfte von ihnen hat an einer technischen Uni studiert, bei den Österreichern ist es nur jeder Achte. Bisher konnten Studenten aus dem EU-Ausland nur über die Schlüsselkraftregelung in den Arbeitsmarkt einsteigen. Das dort vorgesehene Mindestentgelt von 2.466 Euro war aber für Jungakademiker zu hoch angesetzt.

Was erwartet sich die Regierung davon?
Mitterlehner rechnet auf Basis einer IHS-Studie damit, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt bis zu 100.000 Fachkräfte aus Drittstaaten von der neuen Rot-Weiß-Rot-Card profitieren könnten. Das Sozialministerium rechnet pro Jahr mit 8.000 Zuwanderern: 500 in der ersten Säule,qualifizierte Zuwanderer", meinte Sozialminister Hundstorfer. Der Rückgang an Menschen im erwerbsfähigen Alter werde in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht nur zu einem Arbeits- und vor allem Fachkräftemangel führen, sondern auch das Sozialsystem unter Druck bringen. "Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte geben wir eine Antwort auf diese Entwicklung", so Hundstorfer, der aber betonte, dass durch die Rot-Weiß-Rot-Karte nicht mehr Menschen zuwandern werden als jetzt, sondern besser qualifizierte. Derzeit wandern im Schnitt pro Jahr rund 35.000 Personen zu, ein Drittel davon kommt aus Nicht-EU-Staaten.

Opposition unzufrieden
Unzufrieden mit der Rot-Weiß-Rot-Card zeigte sich am Donnerstag die Opposition. Das System sei "völlig undurchdacht und löchrig" und werde zu vermehrter Zuwanderung führen, glaubt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Arbeitnehmer sollten nur dann zuwandern dürfen, wenn es tatsächlich keinen für die benötigte Arbeit qualifizierten Österreicher gebe. Das jetzt präsentierte System werde hingegen die Zuwanderung aus Drittstaaten fördern, meinte er.

Für Grünen-Migrationssprecherin Alev Korun hat die Regierung den Reformbedarf erkannt, die Umsetzung sei aber ungenügend. Denn es würden Anreize für Qualifizierte fehlen. Korun meinte außerdem, dass "die schrillen Töne der Innenministerin", die Migranten ständig nur mit Kriminellen gleichsetze, die beste Garantie dafür seien, "gesuchte qualifizierte Arbeitskräfte zu verschrecken".

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