Größter Abgang in Linz

„10.000 Kirchenaustritte sind sehr schmerzlich!“

Oberösterreich
14.01.2021 07:00

Vielen Menschen gibt der Glaube Halt. Dennoch: Die Tradition, Mitglied bei einer Kirche zu sein, bröckelt: So kehrten 10.108 Oberösterreicher 2020 der Katholischen Kirche den Rücken - Linz führt die Statistik an.

8,9 Prozent weniger Kirchenaustritte als noch 2019 verzeichnete die Diözese Linz im Vorjahr laut der aktuell präsentierten Kirchenstatistik. Ein durchaus positives Ergebnis, könnte man meinen. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich ersichtlich, dass man zwar den hohen Wert aus dem Jahr 2019 unterschritt, aber im 5-Jahres-Vergleich dennoch kein Grund zur Freude besteht.

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Ich bin evangelisch und sehe die Austritte etwas lockerer. Ich glaube auch nicht nur, wenn es uns schlecht geht oder wir gerade in einer Krise sind, sondern immer.

Jürgen Cechowitz (70) aus Linz.

Bei Zahlen kommt wenig Freude auf
Was auch Pastoralamtsdirektorin Gabi Eder-Cakl bestätigt, wenn sie sagt: „Es schmerzt sehr, wenn über 10.000 Menschen nicht mehr Mitglied der Katholischen Kirche in Oberösterreich sein möchten und ausgetreten sind. Ja, auch ich ärgere mich über einzelne kirchliche Einstellungen und aus meiner Sicht viel zu langsame Entwicklungen. Ich spreche meinen Ärger zum Beispiel bezüglich Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche deutlich an und engagiere mich innerhalb der Kirche dafür.“

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In der Krise sieht man, dass Nächstenliebe und Zusammenhalt in der Gesellschaft wichtig sind. Das sind auch zentrale Elemente der Kirche.

Martin Limberger (43) aus Kirchdorf/Krems

Fehlende Bindung
Franz Wöckinger, Pfarrer in St. Georgen an der Gusen, und quasi „Mann an der Front“, sieht vor allem in der fehlenden Bindung der Jungen zur Kirche einen maßgeblichen Grund für unzählige, oftmals emotionslose Austritte- siehe auch nachfolgendes Interview .

Menschen in Steyr und Rohrbach am treuesten
Mit der Zahl der Kirchenaustritte verhält es sich übrigens quer übers ganze Bundesland gesehen unterschiedlich. Oder um es mit den Worten von Bischofsvikar Wilhelm Viehböck zu sagen: „Anscheinend ist es auch 2020 nicht überall gelungen, die lebensfördernde und menschenbejahende Botschaft des Jesus von Nazareth zu vermitteln.“ Denn wie schon in den Vorjahren ist der Abgang in Linz-Stadt mit 1849 Menschen am größten. Auch am unteren Ende hat sich nicht viel geändert: Am treuesten verhielten sich die oberösterreichischen Katholiken in Steyr-Stadt (281), Rohrbach (285), Schärding (369) und Ried (392).

„Den Jungen ist die Kirche gleichgültig“
Die sehr lose Bindungder Jugendan die Katholische Kirche sieht Franz Wöckinger (50), Pfarrer in St. Georgen an der Gusen, als eine Ursache fürdie Austritte.

„Krone“: Warum gibt es so viele Kirchenaustritte?
Franz Wöckinger:
Gerade vielen Jungen fehlt die Bindung zur Kirche. Sie sind beim Austritt oft emotionslos, etwa nur so, wie wenn man ein Abo kündigt. Früher gab es noch die Angst vor der Oma, dass die das erfahren könnte. Das ist jetzt weg.

„Krone“: Sind die Jungen von der Kirche enttäuscht?
Wöckinger:
Nein, sehr oft nicht. Sie hatten ja schon nichts mehr erwartet. Dann ist die erste Zahlungsaufforderung für die Kirchensteuer ein Anlass zum Austreten. Aber trotzdem: Kirchliche Jugendliche haben heuer eine großartige Drei-Königs-Aktion organisiert. Und es waren sehr viele, die sich dabei engagiert haben. Wir haben Rekordspenden.

„Krone“: Treten auch langjährige Mitglieder aus?
Wöckinger: Leider ja. Es gibt Ehepaare, die miteinander zum Pensionsantritt ausgetreten sind. Wenn jemand das tut, bekommt er von uns einen Brief. Wenn ichden Betreffenden kenne, schreibe ich einen persönlichen Satz dazu.

„Krone“: Und hilft das?
Wöckinger:
In ganz wenigen Fällen gab es dann auch tatsächlich einen Rücktritt vom Austritt.

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