Wahl annulliert
Kirgistan: Premier trat nach Unruhen zurück
Nachdem die Wahl in der Ex-Sowjetrepublik Kirgistan am Dienstag nach heftigen Protesten annulliert worden war, ist nun auch Regierungschef Kubatbek Boronow zurückgetreten. Laut dem Parlament des zentralasiatischen Landes wurde bereits ein Nachfolger gewählt: der kurz zuvor aus dem Gefängnis befreite Oppositionspolitiker Sadyr Schaparow.
„Schaparow wurde zum amtierenden Ministerpräsidenten der Kirgisischen Republik gewählt“, hieß es in einer Erklärung. Die Entscheidung sei auf einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments getroffen worden. Die Wahl fand demnach in einem Hotel statt, nachdem Demonstranten das Parlament besetzt hatten.
Politiker aus Gefängnis befreit
In der Nacht auf Dienstag hatten zahlreiche Menschen unter anderem das Parlamentsgebäude gestürmt. Sie befreiten zudem mehrere Politiker aus dem Gefängnis, darunter den wegen Korruption inhaftierten Ex-Präsidenten Almasbek Atambajew und den Oppositionellen Schaparow. Der Bürgermeister von Bischkek trat daraufhin zurück. Die Demonstranten forderten, Schaparow die Führung des Landes zu übergeben.
Bei dem Sturm auf das Parlamentsgebäude in der Ex-Sowjetrepublik kam es zu schweren Ausschreitungen. Demonstranten steckten Autos in Brand. Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten gegen die Menschenmenge ein. Ein Mensch wurde getötet, fast 600 weitere verletzt, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Kirgisische Medien berichteten, dass Demonstranten mehrere öffentliche Gebäude besetzt hätten, darunter den Regierungssitz und das Bürgermeisteramt. Das Weiße Haus, ein wichtiges Regierungsgebäude in Bischkek, war in Brand geraten, die Feuerwehr konnte die Flammen aber rasch löschen. Akten und Büromöbel, die zornige Regierungsgegner aus den Fenstern geworfen hatten, lagen verstreut auf der Straße.
Wunsch nach Stabilität und Angst vor dem Coronavirus
Grund für die Unruhen sind massive Manipulationen bei der Parlamentswahl. Kirgistan ist nach Umstürzen der Vergangenheit heute eine parlamentarisch-präsidiale Republik. In dem stark von politischen Clanstrukturen geprägten Land gab es zuletzt nach Meinung von Menschenrechtlern aber wieder Rückschritte. In dem völlig verarmten Staat, in dem Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 30 Jahren bis heute Einfluss hat, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen von Gewalt.
Die Gründe für den Unmut in der Bevölkerung liegen nicht nur bei der Wahl, sondern tiefer, sagte die kirgisische Politologin Elmira Nogojbajewa der Deutschen Presse-Agentur. Neben Sehnsucht vieler Menschen nach Stabilität und Wohlstand gebe es jetzt auch eine große Angst vor der Corona-Krise. Das bitterarme Land zählt inzwischen rund 50.000 Infektionsfälle und mehr als 1000 Tote. Viele Menschen können sich Medikamente oder ärztliche Hilfe nicht leisten, weil die Arbeitslosigkeit extrem hoch ist.
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