„Politischer Orkan“

Irland: Linksruck durch Wahlsieg von Sinn Fein

Ausland
10.02.2020 10:50

Sensation in Irland: Die linksgerichtete Partei Sinn Fein hat bei der Parlamentswahl die etablierten bürgerlichen Parteien Fianna Fail und Fine Gael klar überflügelt und steuert auf einen Wahlsieg zu. Bis am Montagvormittag konnte sich die Partei, die früher als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA galt, 29 der bis dahin ausgezählten 78 Mandate sichern - um eines mehr als Fianna Fail und Fine Gael zusammen. Die Auszählung dauert noch an, insgesamt sind 160 Sitze zu vergeben. Im irischen Wahlsystem hat jeder Wähler zwar nur eine Stimme, kann aber mehrere Präferenzen angeben, die nacheinander ausgezählt werden.

Sinn-Fein-Chefin Mary Lou McDonald stellte bereits den Regierungsanspruch, Beobachter sprechen von einem „politischen Orkan“. Bisher wurde die Politik des Landes seit der vollständigen Unabhängigkeit von Großbritannien stets von Fine Gael und Fianna Fail dominiert. Nun betritt eine dritte ernst zu nehmende politische Kraft die Bühne. Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden.

Sinn Fein könnte Referendum über irische Wiedervereinigung fordern
Unter der bisher lange geächteten Sinn Fein dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden. Das würde auch die Brüsseler Verhandlungen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen nach dem Ende der Brexit-Übergangszeit zum Jahresende betreffen.

Der EU-Austritt Großbritanniens hatte allerdings bei der Wahl so gut wie keine Rolle gespielt. Nur ein Prozent der Wähler gab bei einer Nachwahlbefragung an, der Brexit sei das wichtigste Thema gewesen. Weitaus bedeutender waren für die Wähler die Themen Gesundheit, Wohnen und Pension.

Schwere Schlappe für Premier Varadkar
Für Premierminister Leo Varadkar verlief der Wahltag am Samstag enttäuschend. Dass er im Amt bleiben kann, galt als unwahrscheinlich. Er führt mit Fine Gael eine Minderheitsregierung an, die von Fianna Fail mit dem Oppositionschef Micheal Martin an der Spitze toleriert wird. Doch ob diese Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann, möglicherweise auch unter umgekehrten Vorzeichen, war in der Nacht auf Montag völlig ungewiss.

McDonald: „Regierung idealerweise ohne Fianna Fail oder Fine Gael“
Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald kündigte an, mit den kleineren Parteien Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung aufzunehmen. „Ich möchte, dass wir idealerweise eine Regierung ohne Fianna Fail oder Fine Gael haben“, so McDonald. Doch ob es dafür selbst mit Unterstützung aller kleineren Parteien und unabhängigen Abgeordneten reichen würde, war am Montagvormittag noch nicht klar.

Gespräche auch mit Großparteien
McDonald schloss aber auch Gespräche mit den beiden großen Parteien, die vor der Wahl einer möglichen Koalition mit Sinn Fein noch eine Absage erteilt hatten, nicht aus. Die 50-Jährige, die als Mitglied des Europäischen Parlaments internationale Erfahrung gesammelt hatte, ist seit zwei Jahren als Nachfolgerin von Gerry Adams Chefin der Partei. Sinn Fein fordert eine Wiedervereinigung des britischen Landesteils Nordirland mit der zur Europäischen Union zählenden Republik Irland. Als einzige Partei tritt sie bei Wahlen in beiden Teilen Irlands an.

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