Das große Interview

Wovon haben Sie als Kind geträumt, Herr Filzmaier?

Österreich
22.12.2019 06:00

Das Fernseh- und das „Krone“-Publikum liebt seine pointierten politischen Analysen. Peter Filzmaier (52) hat aber noch eine ganz andere, spielerische Seite. Mit Conny Bischofberger spricht der Politikwissenschaftler über einen Bubentraum, die große Liebe zum Sport und sein neues Buch „Atemlos“.

Für unser Interview hat sich Filzmaier die „Champions Sports Bar“ des Hotel Marriott am Wiener Parkring ausgesucht, sein „Institut für Strategieanalysen“ ist gleich im Nebengebäude angesiedelt. Er kommt auf die Sekunde genau, trägt Jeans, dazu eine FC-Barcelona-Jacke und einen FC-Barcelona-Schal. „Beim Fußball bin ich Spanien-Fan“, sagt er und nimmt unter einem Poster von Weltkicker Lionel „Leo“ Messi Platz. Auf dem Tisch liegt sein neues Buch, das noch vor Erscheinen in die zweite Auflage gegangen ist. Filzmaiers Antworten kommen blitzschnell und im Stakkato, und nebenbei verfolgt der Mann, der uns normalerweise die Politik erklärt, während des Gesprächs auch noch Sportspiele auf den XXL-Videowalls.

„Krone“: Der Titel Ihres neuen Buches „Atemlos“ erinnert an Helene Fischer …
Peter Filzmaier: Das sagt meine Tochter auch! Aber wenn ich es singen würde, wäre es eine Verletzung Ihrer Menschenrechte (lacht).

Bezieht sich der Titel auf Ihr Talent, minutenlang sprechen zu können, ohne Atem zu holen?
Es ist eine doppelte Anspielung. Einerseits auf mein schnelles Sprechen. Andererseits war ich selbst Laufsportler. Beim Intervalltraining hab‘ ich mir oft das Beuscherl aus dem Leib gekeucht. Atemlos passt also sehr gut.

Warum haben Sie ein Buch über Sport geschrieben?
Weil es ein Thema ist, das mir wirklich Freude macht. Tausendmal mehr als alle Parteien und Politiker der Welt. Deshalb wollte ich meine schönsten Sportgeschichten erzählen.

Was haben diese Geschichten mit Politik zu tun?
Nach meiner Diplomarbeit über die Todesstrafe in den USA habe ich meine Doktorarbeit über die politischen Aspekte der Olympischen Spiele geschrieben und bin dabei vom Regen in die Traufe gekommen. Weil der Missbrauch der Olympischen Spiele durch die Politik, speziell aber durch die Nazis 1936, noch viel grauslicher war. Das genau hat mich fasziniert: Dass man einerseits leidenschaftlicher Sportfan mit leuchtenden Augen sein kann und andererseits trotzdem kritisch reflektieren sollte, was da politisch transportiert wird. Dieses Wechselspiel habe ich bei jedem Sportereignis. Deshalb zeigen sich Politiker ja da so gerne den Kameras.

Soll Ihr Buch das bewirken: Dass Sportfans gleichzeitig auch ihre Leidenschaft hinterfragen?
Ja, das würde ich mir wünschen. Nehmen wir die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Sich da zu fragen, was sich in Russland sonst noch abspielt, halte ich für eine große Chance.

War es richtig, Russland auf Jahre von den Olympischen Spielen auszusperren?
Ich bin nicht der große Doping-Experte, aber es ist richtig, endlich eine energische Maßnahme gegen die Doppelmoral zu unternehmen.

Ihr Tempo beim Sprechen ist legendär, haben Sie das Buch auch in diesem Tempo geschrieben?
Ich habe die Erstfassung in wenigen Wochen in den Laptop geklopft. Danach kam natürlich noch ein intensiver Recherche-Prozess.

Rechercheprozess?
Dabei musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die subjektiven Erinnerungen an einzelne Ereignisse nicht immer mit den Fakten übereinstimmen.

Was brauchen Sie, um schreiben zu können?
Nur meinen Laptop, und der ist öfter auf meinem Schoß als auf dem Schreibtisch. Die Zahl der Zusatzreize muss beschränkt sein, YouTube oder ein laufender Fernseher sind okay, auch ein Lokal, aber kein volles. Und ich brauche einen Internetzugang, um laufend Zahlen und Fakten checken zu können.

Notieren Sie sich nie etwas auf Zetteln oder in Notizbüchern?
Nein, weil ich in meinem Leben zu viel Zeit vergeudet habe, irgendwelche Zettelchen zu suchen, wo vermeintlich schlaue Dinge draufstanden, die ich dann aber nie wieder gefunden habe.

Was ist Ihre früheste Kindheitserinnerung im Sport?
Formel 1, Niki Lauda. Auch Cordoba, aber das hat mich als Kind weit weniger beeindruckt, weil ich die Vorgeschichte der Rivalität zwischen Österreich und Deutschland nicht mitbekommen habe.

Von welchem Beruf haben Sie als Kind geträumt?
Mein Bubentraum war sicher nicht Wissenschaftler. Auch nicht Grisu, der kleine Drache. Ich wollte auch nie Feuerwehrmann werden. Sondern immer Sportreporter. Irgendwie ist das bis heute so …

Und warum sind Sie es nicht geworden?
Weil ich dann doch nix Anständiges gelernt habe und Politikwissenschaftler wurde (lacht). Vor der Matura hab‘ ich beim „Kurier“ als Redaktionsbote gearbeitet. Damals haben die Boten noch physisch die Kurse von der Börse abgeholt, wir standen dort jeden Mittag Schlange. Wäre ich in der Sportredaktion gelandet, dann könnte es sein, dass ich heute Sportreporter wäre.

Stattdessen erklären Sie dem Fernseh- und auch dem „Krone“-Publikum die Politik. Hätten Sie Ihre bewundernswerte Kondition auch ohne den Sport?
Ich denke nicht. Weil ich durch den Laufsport eine gewisse Gelassenheit bekommen habe, einen Ausgleich zur eigenen Blase. Wenn ich Laufsportkollegen zum Sport getroffen habe, musste ich meinen Tunnelblick ablegen, denn die hatten keine Lust, stundenlang über Demokratiemodelle zu diskutieren.

Haben Sie bei Ihren Fernsehauftritten eine bestimmte Atemtechnik?
Nein, ich hatte auch nie einen Rhetorik-Trainer. Ich habe eher Stimmprobleme! Das hat auch damit zu tun, dass ein Hochschullehrer - ich unterrichte ja immer noch Teilzeit an zwei Unis - oft stundenlang vorträgt und mit Studierenden im Diskurs ist. Das belastet die Stimme mehr als alle Fernsehauftritte der Welt.

2018 sind Sie schwer erkrankt. Können Sie privat wieder Sport machen?
Ich laufe kaum mehr, aber ich achte darauf, dass ich fit bleibe. Ich bin damals nur knapp an einer OP am offenen Herzen - und mit offenem Ausgang! - vorbeigeschrammt. Es war eine Endokarditis, eine bakterielle Infektion am Herzen. Googeln Sie das lieber nicht …

Glauben Sie, dass einem die Krankheit etwas sagen will?
Nicht im Sinne eines Signals, das von einer höheren Macht kommt. Aber man kann durch die Krankheit lernen, sich bewusst mehr Zeit für Dinge zu nehmen, die einem wirklich wichtig sind. Das sind ganz private Dinge, jedoch auch eben für den Spaß als Sportfan einfach ein Sportbuch zu schreiben.

Ihre Tochter ist mittlerweile 17. Was haben Sie ihr fürs Leben mitgegeben?
Kritisches Denken. Sich immer seine eigene Meinung bilden, wirklich über Dinge nachdenken.

Wer ist der größte Sportler aller Zeiten?
Michael Jordan. Googeln Sie die „Top 50 Plays“ auf YouTube und dann werden Sie nur noch staunen. Vom Basketball braucht man dafür nichts zu verstehen.

Und wer ist der größte Politiker aller Zeiten?
Wenn ich es danach beurteile, wer mich analytisch fasziniert, dann könnte die Antwort auch (Donald) Trump sein. Die politisch korrekte Antwort wäre Mahatma Gandhi. Aber den analysiere ich nicht, den bewundere ich nur.

Und in Österreich?
Das werde ich nicht beantworten. Egal, was ich sage, es wird gegen mich verwendet.

Sie haben Frank Stronach einmal als „plemplem“ bezeichnet. Trifft das auch auf den amerikanischen Präsidenten zu?
Statt „plemplem“ würde ich heute „wirr“ sagen, vor allem nachdem Frank Stronach geklagt hat. Nicht mich, sondern den ORF. Und man kann wohl nicht bestreiten, dass das ein Eigenschaftswort ist, das auch auf Donald Trump zutrifft.

2019 war ein turbulentes Jahr. Wünschen Sie sich, dass es 2020 ruhiger wird?
Es klingt seltsam, wenn ein Politikwissenschaftler das sagt, aber etwas weniger Wahlen wären nicht schlecht. Ich könnte mich dann vielleicht auch einmal meinem Kindheitstraum - Hobbysportreporter - widmen. Den Beruf werde ich nicht mehr wechseln, aber mal ein großes Sportereignis zu kommentieren oder zu analysieren, würde mich wirklich reizen.

TV-Star, Professor und Vater
Geboren am 5. September 1967 in Wien. Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaft. Mit 34 ist er bereits Professor. 1998 landet ORF-Anchorman Armin Wolf in einem seiner Seminare (Filzmaier unterrichtet noch heute Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems und Politische Kommunikation an der Karl-Franzens-Universität Graz) und lädt Filzmaier ins ORF-Studio ein. Seit damals analysiert „The Filz“, wie ihn seine Fans nennen, Politik im Fernsehen, seit 2015 auch jeden Sonntag in der „Krone“. Filzmaier ist verheiratet und hat eine 17-jährige Tochter. Sein Buch „Atemlos“ erscheint Weihnachten (Brandstätter Verlag, 22 Euro).

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