Flucht in Pseudowelt

Smartphone wird immer häufiger zur Sucht

Österreich
21.07.2019 06:00

Die Flucht in eine Pseudowelt kann vor allem bei Kindern- und Jugendlichen gewaltige Spuren hinterlassen. Etwa fünf Prozent sind als handysüchtig zu bezeichnen. Wer 60-mal täglich zum Smartphone greift, ist betroffen.

Der zwölfjährige Maximilian starrt auf sein Smartphone. Er ignoriert jede Bemühung seiner Mutter, ihn vom kleinen elektronischen Ding wegzukriegen. Bereits vor dem Frühstück bestimmen SMS, WhatsApp, Smileys & Co. sein Leben. Auf dem Schulweg wird natürlich auch getippt …

Laut dem Mobile Communication Report 2018, der von der Mobile Marketing Association (MMA) Austria und der Marktforschungsagentur MindTake Research herausgegeben wird, nutzen 96 Prozent aller Österreicher ein Smartphone. 94 Prozent surfen regelmäßig im Internet. Die tägliche Handynutzung liegt hierzulande bei durchschnittlich 3,2 Stunden.

Studie: Fünf Prozent der Jugendlichen handysüchtig
Maximilian ist nur eines von unzähligen Kindern und Jugendlichen, die in diese Pseudowelt flüchten. Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften können fünf Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen als handysüchtig bezeichnet werden. „Aber nicht jede Nutzung soll zur Sucht erklärt werden. Wenn sich jedoch alles nur noch ums Smartphone dreht, sollten die Alarmglocken schrillen“, erklärt die Psychologin Bettina Quantschnig, Suchtexpertin der Diakonie de La Tour in Kärnten.

Ernsthafte Alarmzeichen gebe es, wenn Hobbys aufgegeben und soziale Kontakte vernachlässigt werden oder die schulische Leistung massiv nachlässt. „Das passiert schleichend. Die reale Welt vermischt sich immer mehr mit der virtuellen“, so Quantschnig. Das Kommunizieren über WhatsApp, SMS oder Instagram beeinträchtige die jungen Menschen in ihrer Entwicklung: „Es ist eine kalte Welt, die keine Augen und keine Stimme hat - mit Hunderten Freunden in unverbindlichem Kontakt.“

Signale, die auf Handysucht hindeuten, seien Nervosität, Schlafstörungen, Aggression, Wut, Depression, Unruhe, Schweißausbrüche. Die Suchtexpertin rät Eltern dazu, bei ihren Kindern täglich Ruhezeiten zu fixieren.Und: Weg mit dem Handy bei Tisch und im Schlafzimmer!

„Ein Hotel“ für die Telefone
„Es gibt kein Rezept. Wir versuchen aber seit Langem, das Problem in den Griff zu bekommen“, sagt Melitta Trunk, die Direktorin der HAK/HAS Villach, wo die 600 Schüler regelmäßig von Experten über digitale Gefahren aufgeklärt werden.

Ein Versuch, einen Tag ohne Handy auszukommen, habe vielen die Augen geöffnet. Trunk: „Die Telefone wurden in einem ,Handyhotel‘ deponiert. Dort hat’s den ganzen Tag geklingelt und gepiepst“, erinnert sich Trunk. Ab Herbst soll das Smartphone vor dem Unterricht abgegeben werden. „In den Pausen können die Schüler kurz einmal ihr Gerät checken“, so die Direktorin. „Wenn wir das Smartphone im Unterricht nutzen, darf es natürlich in der Klasse sein.“

Wir klären Väter und Mütter darüber auf“
In der Volksschule Lind ob Velden gilt ein striktes Handyverbot. Direktor Christian Zeichen: „Wir klären Väter und Mütter darüber auf und laden Experten ein, über das Thema zu sprechen.“ Sobald die Kinder das Schulgebäude verlassen, werde wieder fleißig telefoniert und gechattet.

Gerlinde Schlager, Kronen Zeitung

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