voestalpin-Chef Eder:

„Vollprivatisierung war mein glücklichster Tag“

Wirtschaft
29.06.2019 06:00

Es ist kein Interview wie viele andere auch: Wolfgang Eder wird in wenigen Tagen nach 41 Jahren als Manager bei der voestalpine an seinen Nachfolger Herbert Eibensteiner übergeben. Unter Eders Regie stieg Österreichs Stahlriese nach einer bitteren Pleite wie Phönix aus der Asche wieder auf, mutierte vom verstaatlichten Betrieb zu einem Privatunternehmen und zählt heute zu den modernsten und innovativsten Konzernen dieser Branche. Im Gespräch mit Georg Wailand reflektiert der Industrie-Boss die wichtigsten Etappen, beleuchtet die Probleme der Branche und skizziert die Risiken einer politisch irritierenden Zukunft.

Als Wolfgang Eder am 1. August 1978 bei der voest eintrat, war das ein völlig anderes Unternehmen als heute: ein Flaggschiff der Verstaatlichten, zu 100 Prozent im Staatseigentum und fest in den Krallen der Politik, wobei der Betriebsrat mehr Einfluss hatte als der Vorstand. Es kam, wie es kommen musste: Ende November 1985 war der einstige Paradekonzern voestalpine pleite. Verlustreiche Spekulationen mit Öl und dubiose Waffengeschäfte hatten dem Unternehmen den Rest gegeben, am 29. November 1985 wurde der komplette Vorstand zum Rücktritt gezwungen.

Die Politik hat sich über Nacht zurückgezogen
Wolfgang Eder erlebte hautnah jede dramatische Wende: 40 Jahre lang nahm er an jeder Aufsichtsratssitzung teil, erst als Protokollführer, dann als Generalsekretär und schließlich als Vorstand und dann auch noch als Generaldirektor: „Es war das Lehrreichste in meinem Leben, wie die Politik, die sich sonst massiv eingemischt hatte, quasi über Nacht mit der Firma nichts mehr zu tun haben wollte.“

Nach der Krise nur noch 15.000 Mitarbeiter
85.000 Mitarbeiter hatte das Unternehmen in der Spitze, nach der Krise waren es nur noch 15.000. Eder: „Das war emotional total belastend, weil man wusste: Hinter jedem Namen steckt ein Mensch mit Familie.“

Der erste Hoffnungsstrahl war eine Arbeitsstiftung, wo an die 10.000 Leute bis zu vier Jahre lang umgeschult wurden. Eder: „Da konnten wir ihnen ein neues Berufsleben ermöglichen.“ Allein in Linz sank der Mitarbeiterstand von 30.000 auf 11.000. Eder: „So sehr die Politik sonst das Unternehmen kaputt gemacht hat, in dieser Phase waren die Stadt Linz, das Land und auch das Sozialministerium hilfreich.“

1995 folgte der Börsengang, aber immer noch war der Staat mit 40 Prozent Aktionär. Frank Stronach versuchte mit dem Projekt „Minerva“ die Mehrheit an der voestalpine zu erlangen, ein Plan, der publik wurde und scheiterte. Wolfgang Eder: „Selbst die Verstaatlichtenholding hielt die voestalpine als Stahlunternehmen nicht für überlebensfähig, Konkurrenten aus Russland, der Ukraine und der Türkei würden es besiegen.“

Globaler Marktführer mit innovativen Produkten
Eder & Co. hatten jedoch eine neue Strategie gefunden: In einem Hochkostenland wie Österreich könne man nur mit Innovationen und hochstehender Spezialisierung bestehen. Etwa mit den besten Weichen oder mit Zulieferungen für die Autoindustrie (machen heute 34 Prozent des Umsatzes aus). Um vier Milliarden Kaufpreis hat man Böhler integriert und viele Innovationen entwickelt. Eder: „Wir haben uns darauf konzentriert, wo wir Weltmarktführer waren oder zu den Top 3 gezählt haben.“

Als Stronachs Übernahmeversuch scheiterte, öffnete sich die Chance zur vollen Privatisierung. Eder: „Der 31. August 2005, als die voestalpine zu 100 Prozent privatisiert war, ist der schönste Tag für mich gewesen. Ich werde ihn nie vergessen. Es kann sich ja heute keiner mehr vorstellen, was es heißt, unter permanenter Kuratel eines politischen Eigentümers zu stehen.“ Es folgten schöne Phasen, vom Börsegang bis zur Globalisierungsstrategie, es wurden Gewinne erwirtschaftet, und heute ist die private voestalpine ein Vorzeigeunternehmen.

„Bin skeptisch bei der Weltpolitik“
Überkapazitäten in der Stahlbranche (vor allem in China), aber auch politische Willkürmaßnahmen à la Handelssanktionen machen die Welt nicht einfacher. Eder: „Ich bin skeptisch bei der Weltpolitik. Was früher vielleicht zu wenig reguliert wurde, wird jetzt zu viel reglementiert. Aber was die Zukunft der voestalpine anlangt, so bin ich ein grenzenloser Optimist: tolle Mitarbeiter, erfahrenes Management, innovative Produkte.“

Na dann, alles Gute! Und Wolfgang Eder wird dem Unternehmen ja als Aufsichtsrat weiterhin verbunden bleiben.

Georg Wailand, Kronen Zeitung

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