Drei Fallbeispiele

Mindestsicherung: Wer bekommt wie viel?

Österreich
16.03.2010 09:30
Die jahrelang diskutierte Mindestsicherung ist am Dienstag im Ministerrat beschlossen worden und soll mit 1. September in Kraft treten. Dadurch sollen einerseits die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Sozialhilfesysteme vereinheitlicht werden, andererseits aber auch Menschen in Notlagen grundlegend abgesichert werden. Wer wie viel Unterstützung bekommt, hängt dabei von den konkreten Lebensumständen ab, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Das Prinzip der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist es, dass Menschen in Notlagen nicht unter einen bestimmten Mindeststandard fallen. Dieser orientiert sich an der so genannten Ausgleichszulage für Pensionisten und beträgt abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge derzeit 744 Euro netto monatlich für Einzelpersonen, 1.116 Euro für Paare und 134 Euro pro Kind. Die Mindeststandard-Beträge setzen sich aus einem 75-prozentigem Grundbetrag und einem 25-prozentigem Wohnkostenanteil zusammen. Letzterer fällt weg, wenn man etwa bei den Eltern wohnt oder eine Eigentumswohnung hat.

Wer weniger zur Verfügung hat, bekommt seine Einkünfte - sei es aus Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Einkommen aus Erwerbstätigkeit - auf den Mindeststandard aufgestockt. Durch die Neuregelungen werden rund drei Viertel aller Bezieher eine höhere Notstandshilfe erhalten, im Schnitt um 100 Euro monatlich mehr.

Fallbeispiel 1: Eine Alleinerzieherin mit zwei minderjährigen Kindern verdient als Teilzeitkraft 500 Euro netto im Monat. 200 Euro bekommt sie Unterhalt vom Kindsvater. Die Mindestsicherung für einen Erwachsenen und zwei Kinder beträgt 1.012 Euro. Diese Summe setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag von 759 Euro (75 Prozent des Mindeststands für einen Erwachsenen von 744 Euro und zwei Mal 134 Euro für die Kinder) und einem Wohnkostenanteil von 253 Euro (25 Prozent des Mindeststands für einen Erwachsenen und zwei Kinder) zusammen.

Abzüglich ihres Einkommens und des Unterhalts bekommt die Alleinerzieherin 312 Euro aus der Mindestsicherung. Wenn sie bei ihren Eltern wohnt, fällt der Wohnkostenanteil weg. Die Frau hätte einen Anspruch auf nur mehr 59 Euro Mindestsicherung.

Fallbeispiel 2: Familie mit zwei Kindern. Der Vater ist arbeitslos und bezieht 800 Euro Arbeitslosengeld. Die Frau ist zu Hause bei den Kindern. Der Grundbetrag für die Familie (75 Prozent des Mindeststands für Paare von 1.116 Euro und zwei Mal 134 Euro für die Kinder) beträgt 1.038 Euro, der Wohnkostenanteil (25 Prozent des Mindeststands) 346 Euro. In Summe ergibt das 1.384 Euro. Somit kommen hier 584 Euro aus der Mindestsicherung.

Fallbeispiel 3: Ein Student wird schwer krank und ist nicht erwerbsfähig. Der Mindeststandard für einen Erwachsenen beträgt 744 Euro. Da der Mann aber bei den Eltern wohnt, bekommt er keinen Wohnkostenanteil. Es bleibt der Grundbetrag von 558 Euro.

270.000 Menschen sollen von Neuregelung profitieren
Von der Neuregelung profitieren werden etwa 270.000 Menschen, darunter 165.000 Sozialhilfebezieher, 90.000 Notstandshilfeempfänger und 15.000 Kinder von Ausgleichszulagebeziehern. Anspruch auf die Mindestsicherung haben alle Personen, die Lebensunterhalt, Wohnbedarf und Krankenversicherung nicht selbst finanzieren können und "die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind".

Das sind neben Österreichern auch EU-Bürger (mit Ausnahmen bei den neuen Mitgliedstaaten), EWR-Bürger, wenn sie sich in Österreich als Arbeitnehmer befinden, und Drittstaatsangehörige, wenn sie mehr als fünf Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet haben. Behauptungen, wonach Ausländer besonders profitieren würden, weist das Sozialministerium entschieden zurück. Migranten seien unter den Sozialhilfebeziehern unterrepräsentiert.

Wer Arbeit verweigert und Vermögen hat, geht leer aus
Ein wesentlicher Vorteil der Mindestsicherung ist, dass bisher Nicht-Versicherte in die Krankenversicherung aufgenommen werden. Der Bezug der Mindestsicherung ist außerdem an Arbeitsbereitschaft geknüpft und sieht bei Arbeitsweigerung Leistungskürzungen und im Extremfall den Entfall des Leistungsanspruches vor. Ausnahmen gibt es nur bei Personen, die Kinder bis zum 3. Lebensjahr oder pflegebedürftige Angehörige betreuen.

Mit strengen Vermögensprüfungen und Rückzahlungsverpflichtungen soll Missbrauch vorgebeugt werden. So muss eigenes Vermögen (auch Erbschaften) bis zu einem Freibetrag von 3.720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) zuerst aufgebraucht werden, bevor die Unterstützung bezogen werden kann. Behalten dürfen die Bezieher u.a. ihre Wohnung, sofern diese angemessen ist.

Länder bringen Termin zum Wackeln
Fraglich bleibt, ob sich der angepeilte Termin des Inkrafttretens - der 1. September 2010 - ausgeht, nachdem etwa Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und die Steiermark zuletzt den Zeitplan angezweifelt hatten. Denn um die Mindestsicherung einzuführen, ist jeweils noch ein Landtagsbeschluss vonnöten. Zum Teil könnte sich in den Ländern die Einführung auf Anfang 2011 verschieben. Rückwirkende Beschlüsse wurden in Aussicht gestellt. 

Bundeskanzler Werner Faymann betonte im Pressefoyer nach dem Ministerrat, der Beschluss zeige, dass die Regierung die Armutsbekämpfung nicht als Worthülse für Sonntagsreden verwende, sondern auch entsprechende Initiativen setze. Vorwürfe wonach die Mindestsicherung eine soziale Hängematte sei, wies der SPÖ-Chef profilaktisch zurück. Es gebe keine Wahl zwischen Mindestsicherung oder Arbeit, verwies Faymann auf die Regelung, wonach die Leistung nur dann bezogen werden kann, wenn auch die Bereitschaft zur Annahme einer Beschäftigung vorhanden ist.

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