Spiegelreflex- oder Systemkamera? Digital-Redakteur Sebastian Räuchle stand vor der Wahl - und entschied sich für die vermeintlich alte Technologie und gegen Nikons neues Z-System. Ob er seine Entscheidung bereut hat, verrät der Test der Nikon Z6.
„Der Fotograf macht das Bild, nicht die Kamera“, besagt eine unter Fotografen gerne und oft zitierte Weisheit. Dessen bin ich mir durchaus bewusst, nach sechs Jahren mit ein und derselben Kamera sehnte allerdings auch ich mich nach einem Upgrade. Als langjähriger und zufriedener Nikon-D800-Nutzer schien die D850 die naheliegende Wahl zu sein.
Vertrauensvoll wand ich mich also an meinen Händler, ob er mir einen guten Preis machen könne - und erhielt darauf die Gegenfrage, warum ich mich denn nicht für Nikons neues Z-System interessiere. Deren Vorstellung hatte ich Ende August zwar aufmerksam verfolgt, eine wirkliche Alternative zur D850 schien sie mir aufgrund gewisser Vorbehalte gegenüber Systemkameras - vornehmlich Akku-Laufzeit, Sucher und Autofokus betreffend - jedoch nicht zu sein.
Nun hatte ich erstmals ausreichend Gelegenheit, Nikons neue Vollformat-Systemkamera Z6 genauer unter die Lupe zu nehmen - und konnte so einige Vorurteile revidieren. Bereue ich deswegen meinen Kauf? Nein, denn die D850 ist eine hervorragende, für manche sogar die derzeit beste Spiegelreflexkamera. Die Z6 ist allerdings auch nicht ohne und hätte unter bestimmten Voraussetzungen durchaus meine erste Wahl sein können. Doch dazu später mehr.
Tastenbelegung
Für mich als Nikon-Nutzer besonders erfreulich ist zunächst einmal, dass ich mich auf Anhieb zurechtfinde. Alles oder zumindest fast alles ist genau dort, wo ich es erwarte bzw. wo es sinnvoll ist. Ein paar Änderungen gegenüber größeren DSLRs wie der D750 oder D850 gibt es allerdings. So verzichtet Nikon wohl zu Gunsten des kompakteren Gehäuses etwa auf die üblichen Bedientasten links des Displays. Praktischer Nebeneffekt: Die Kamera ist damit nahezu einhändig bedienbar. Weiterer Pluspunkt: Über das obere Moduswählrad bietet die Z6 Zugriff auf gleich drei frei konfigurierbare Modi.
Gewicht und Ergonomie
Das Gehäuse wiegt mit knapp 600 Gramm über 300 Gramm weniger als meine D850, was Hals, Wirbelsäule und Schulter spürbar danken. Bestehende Nutzer, die altes „Glas“ an der Z6 verwenden wollen, müssen allerdings für den nötigen Bajonettadapter noch einmal 135 Gramm draufschlagen. Dank des großzügigen Griffs liegt die Z6 dennoch gut in der Hand, auch wenn für meinen kleinen Finger kein Platz mehr bleibt.
Sehr gut gefallen haben mir auch der relativ weit hervorstehende Sucher, wodurch die Nase nicht am Display pickt bzw. dieses gerade in der kalten Jahreszeit weniger stark beschlägt, und die beiden im Vergleich zu Nikon-DSLRs länglicheren und somit besser ertastbaren Funktionstasten rechts des Objektivbajonetts.
Umfassende Anpassungsmöglichkeiten
Das Info-Display an der Kameraoberseite hätte dagegen, nicht nur aus Gründen des Designs, ruhig größer ausfallen können. Offenbar war dafür aufgrund des Wählrades kein Platz mehr, ist dieses doch nicht wie gewohnt rückseitig positioniert. Etwas schade ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass sich die obere Displayanzeige nicht individuell anpassen lässt.
Möglichkeiten der Individualisierung gibt es abgesehen davon jedoch reichlich. Das Benutzermenü ist - typisch Nikon - sehr nüchtern und gewohnt umfangreich, was gerade Einsteiger überfordern dürfte, erlaubt es aber, jede noch so kleine Funktion zu konfigurieren. Dank umfassender Touch-Unterstützung sowie dem praktischen Joystick geht das überaus bequem von der Hand.
Display und Sucher
Das Touch-Display selbst ist mit 3,2 Zoll genauso groß wie jenes der D850, mit rund 2,1 Millionen Bildpunkten löst es allerdings etwas geringer (D850: 2,3 Mio. Pixel) auf. In der Praxis dürfte das jedoch nur äußerst geübten Augen auffallen. Schon eher stören könnte manch einen, insbesondere Vlogger und Selfie-Fans, dass sich das Display nur eingeschränkt nach oben und unten kippen lässt.
Persönlich mache ich nur selten vom Kipp-Feature Gebrauch, etwa bei Aufnahmen aus der Hocke. Ansonsten wird die meiste Zeit klassisch durch den Sucher fotografiert. Meine Vorbehalte gegenüber elektronischen Suchern kann die Z6 glücklicherweise ausräumen. Mit rund 3,7 Millionen Pixeln und einer Bildabdeckung von 100 Prozent liefert der elektronische OLED-Sucher ein knackscharfes, angenehm helles und großes Bild, das auch bei hohen Serienbildgeschwindigkeiten nicht hinterherhinkt.
Serienbildgeschwindigkeit und Puffer
Letztere beträgt übrigens bis zu zwölf JPEG-Bilder pro Sekunde - allerdings muss dabei zwischen den Aufnahmen auf eine kontinuierliche Belichtungsmessung verzichtet werden, sonst sind es 5,5 Bilder pro Sekunde. Im RAW-Format sind bis zu neun Aufnahmen möglich. Der Puffer ist derart schnellen Salven jedoch nicht lange gewachsen und knickt nach um die 20 Aufnahmen ein. Dauerfeuer-Fotografen müssen sich demnach einbremsen.
Bildqualität
In puncto Bildqualität lässt die Z6 keine Wünsche offen. Der mit 24,5 Megapixeln auflösende Vollformatsensor liefert Bilder mit natürlichen, ausgeglichenen Farben, hervorragender Schärfe und gewohnt großem Dynamikumfang. Bis auf ISO 12.800 hochzugehen, ist problemlos möglich, sofern die Aufnahmen nicht großformatig ausgearbeitet werden sollen. Der reguläre ISO-Bereich erstreckt sich von ISO 100 bis 51.200 (erweiterbar auf ISO 204.800).
Autofokus
Nicht vollends überzeugen kann dagegen der Autofokus. Dessen 273 Messefelder decken zwar 90 Prozent des Sensors ab, sodass in der Praxis nur noch links und rechts ein kleiner Bereich „unerreicht“ bleibt, gerade bei sich schneller bewegenden Motiven oder weniger optimalen Lichtverhältnissen erweist er sich im kontinuierlichen AF-Modus jedoch als weniger treffsicher als es etwa bei der D850 oder D500 der Fall wäre. Gleiches gilt für die Gesichtserkennung.
Porträt- oder Landschaftsfotografen dürfte das nicht stören, da der Einzel-Autofokus schnell und präzise arbeitet, Sport- oder Naturfotografen dagegen schon. Einen Augenautofokus, wie von vielen bei der Vorstellung kritisiert, hat die Z6 zum Testzeitpunkt übrigens noch nicht gehabt. Nikon hat zwischenzeitlich jedoch angekündigt, diesen per Firmware-Update nachzuliefern.
Verwendung mit alten F-Optiken
Wenn vom Autofokus die Rede ist, dürfte für viele bestehende Nikon-Nutzer von Interesse sein, wie sich die Z6 mit älteren Objektiven am FTZ-Bajonettadapter schlägt - schließlich verfügt Nikon über ein umfangreiches Arsenal an Optiken mit F-Bajonett, hinzukommen Objektive von Drittherstellern wie Sigma, Tokina oder Tamron.
Im Test mit etwa Nikons 50/1.4 oder dem 85/1.8 waren keine nennenswerten Unterschiede im Vergleich zur D850 festzustellen, auch mit dem Sigma 24-70/2.8 sowie dem 150-600/5.0-6.3 arbeitete der Autofokus zuverlässig (nicht zuletzt dank des überzeugenden, in die Kamera integrierten 5-Achsen-Bildstabilisators), wenn auch einen Hauch weniger flott.
Bei zwei meiner - stangengetriebenen - Lieblingsoptiken, dem Nikon 105/2.0 DC und dem 200/4.0 Micro, heißt es dagegen manuell fokussieren, was angesichts ihres bevorzugten Einsatzbereiches, der Porträt- bzw. Makrofotografie, jedoch verschmerzbar ist.
Video
Im Bereich Video zählten Nikon-DSLRs bislang nicht zur Spitze, die Z6 macht in diesem Bereich nun Boden gut und punktet mit 4K-Auflösung mit bis zu 30 und Full-HD-Zeitlupen mit 120 Bildern pro Sekunde. Im Gegensatz zur größeren Z7 wird dabei der komplette Sensor ausgelesen, was im Zusammenspiel mit dem überzeugenden Bildstabilisator qualitativ hochwertige Aufnahmen ermöglicht. Ein zusätzlich aktivierbarer elektronischer Bildstabilisator bringt noch mehr Ruhe ins Bild, beschneidet dieses jedoch.
Da wie dort zeigt sich bei schnellen Schwenks ein leichter Rolling-Shutter-Effekt, der kontinuierliche Autofokus und die Motivverfolgung arbeiten im Videomodus dagegen überraschend zuverlässig. Zusätzliche Features wie Nikons Active-D-Lightning während der Videoaufnahme, eine Zeitcodeausgabe, Focus Peaking und nicht zuletzt ein Mikrofon- sowie Kopfhöreranschluss runden das Angebot für Videofans ab.
Akku
Dass meine Kaufentscheidung zugunsten der D850 ausfiel, ist großteils auf die vermeintlich geringe Akkulaufzeit der Z6 zurückzuführen. Während nach offiziellem CIPA-Standard bei der Nikon D850 bis zu 1840 Aufnahmen mit einer Akku-Ladung möglich sind, werden für die Z6 nur 310 angeben. Erste Tests zeigten allerdings schnell, dass dieser Wert nicht der Praxis entspricht.
Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen: Beim ersten Herumspielen und Ausprobieren inklusive filmen kam ich auf um die 500 Auslösungen, im reinen Foto-Gebrauch sind spielend 800 und mehr Fotos möglich. Angesichts der während des Testzeitraums besonders kalten Witterung lässt sich zwar kein absolut verlässlicher Wert angeben, die Praxis zeigt jedoch, dass die Z6 in diesem Punkt bedeutend besser dasteht als in den Spezifikationen angegeben.
Streitthema Speicherkarte
Kontrovers diskutiert wurde nach der Vorstellung der neuen Z-Kameras vor allem ein Thema, nämlich, dass sowohl in der Z6 als auch in der größeren Z7 nur ein Speicherkartenslot verbaut ist, was sich, so das Argument, insbesondere im Falle eines Speicherkartendefekts nachteilig auswirken könnte.
Ein solcher ist mir persönlich allerdings erst einmal passiert, mit einer sehr preisgünstigen SD-Karte. Ich wechselte die Speicherkarte und stellte die bis dato gemachten Aufnahmen auf der fehlerhaften Karte zu Hause am PC wieder her. Ganz nachvollziehen kann ich die Aufregung also nicht, wenngleich ich es durchaus beruhigend finde, als Reserve und für Notfälle noch immer eine zweite Speicherkarte in der Kamera zu haben.
XQD
Schon eher ärgerlich finde ich dagegen, dass sich Nikon beim Speicherformat für XQD entschieden hat. Mit Schreibgeschwindigkeiten von bis zu 440 Megabyte pro Sekunde arbeiten Karten dieses Typs zwar schnell, in der Anschaffung sind sie jedoch alles andere als günstig, was wohl vor allem daran liegen dürfte, dass Sony nach dem Ausstieg von Lexar inzwischen alleiniger Hersteller für XQD-Speicherkarten ist.
Zum Vergleich: Für eine 32 Gigabyte große XQD-Karte sind derzeit rund 120 Euro fällig, während es gleichgroße SD-Karten namhafter Hersteller bereits für unter 20 Euro gibt. Das gilt es bei der Anschaffung zu berücksichtigen. Die gute Nachricht: Nikon hat im Rahmen des CES in Las Vegas angekündigt, die Z-Kameras mittels Firmware-Update auch fit für günstigere Compact-Flash-Express-Karten zu machen.
Das Drumherum
Wo schon von Kosten die Rede ist: Mit dem Kauf einer Kamera entscheidet man sich auch für das Drumherum (gemeinhin Ökosystem genannt), allen voran die passenden Objektive. Für Nikons neues Z-Bajonett stehen aktuell lediglich drei Linsen zur Auswahl: zwei Festbrennweiten (35/1.8, 50/1.8) und ein Zoom-Objektiv (24-70/4.0), das auch der Testkamera beilag. Ein weiteres Zoom-Objektiv (14-30/4.0) soll „demnächst verfügbar“ sein.
Nikons offizieller „Roadmap“ folgend, sollen heuer noch mindestens fünf Z-Objektive folgen - darunter allerdings nur eines, das den Vorteil des größeren Z- gegenüber dem älteren F-Bajonett nutzen und mit einer Blende von F/0.95 besonders lichtstark sein soll. Schade.
Hinzukommt, dass die derzeit verfügbaren Z-Objektive preislich deutlich über ihren älteren Pendants mit F-Bajonett liegen. So gibt es die alten 35- und 85-Millimeter-Festbrennweiten mit Blende f/1.8 aktuell bereits für um die 500 Euro, die neuen Z-Versionen liegen bei um die 950 bzw. knapp unter 700 Euro.
Fazit
Der Einstand ist Nikon mit seiner ersten Vollformat-Systemkamera - spät, aber doch - geglückt. In puncto Handling, Verarbeitung, Ergonomie, elektronischem Sucher, Akkulaufzeit, Video und nicht zuletzt Bildqualität konnte mich die Z6 trotz teils großer anfänglicher Skepsis überzeugen. Noch Luft nach oben gibt es nach meinen Praxiserfahrungen vor allem beim (kontinuierlichen) Autofokus. Ein zweiter Speicherkartenslot wäre zudem wünschenswert gewesen, gleiches gilt für eine größere bzw. lichtstärkere Objektivauswahl.
Für bestehende Nutzer gibt es demnach, meiner Meinung nach, derzeit kaum einen Grund, von der Spiegelreflex- zur spiegellosen Systemkamera zu wechseln. F-Objektive stehen den aktuell verfügbaren Z-Linsen in Sachen Lichtstärke in nichts nach, sind zudem günstiger und ohne Umweg über einen Bajonettadapter verwendbar.
Für Einsteiger, die von den Vorteilen einer Systemkamera profitieren wollen (u.a. geringeres Gewicht, Bildvorschau in Echtzeit), könnte die Z-Serie dagegen gerade wegen des Bajonettadapters attraktiv sein, erlaubt er doch die Nutzung Dutzender hervorragender und teils besonders günstiger F-Objektive an der neuen Z-Kamera.
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